Kommentar
06:32 Uhr, 03.07.2018

Flüchtlingspolitik: Es gibt wenig zu feiern

Nein, es geht dabei nicht um die Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU bzw. Merkel und Seehofer, die nun in letzter Minute in einer Einigung mündete. Es geht um wichtigeres als diese zwei Personen.

Obwohl sich viele Länder nach dem EU-Gipfel in der vergangene Woche zufrieden zeigten, gib es wenig zu feiern. Der Gipfel brachte zwar eine Einigung, aber bevor diese nicht auch umgesetzt ist, sollte man noch nicht anstoßen. Die Einigung hat zudem ein ganz großes Problem: alles ist irgendwie freiwillig. Damit ist eigentlich klar, dass daraus nichts wird.

Ein akutes Flüchtlingsproblem gibt es derzeit eigentlich nicht. Die monatliche Anzahl an Asylanträgen in der EU ist im März unter die Marke von 50.000 gesunken. Das ist vergleichbar mit den Zahlen vor der Krise der Jahre 2014 bis 2016 (siehe Grafik). Für April und Mai haben noch nicht alle Länder die Zahlen veröffentlicht. Ein weiterer Rückgang scheint sich jedoch anzudeuten.

Aktuell besteht kein dringendster Handlungsbedarf. Die EU will sich aber auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten, um eine Krise wie in den vergangenen Jahren zu verhindern. Am liebsten wäre es vielen Ländern, wenn es gar nicht zu einem neuen Ansturm käme. Verhindern lässt sich das jedoch kaum.

Ursachenbekämpfung ist gut und richtig. Die EU kann aber kaum die ganze Welt befrieden und für Wohlstand in jedem einzelnen Land sorgen. Es ist nur eine Frage der Zeit bis es zu einer neuen Krise kommt. Machen sich Flüchtlinge erst einmal auf den Weg, gibt es immer noch Möglichkeiten, einen direkten Ansturm zu verhindern.

Dafür müssen die nordafrikanischen Ländern kooperieren. Sie müssen ihre eignen Grenzen schließen und Flüchtlinge nicht aus dem Land übers Mittelmeer lassen. Das verschiebt das Problem freilich nur von Europa nach Nordafrika (das erkennen diese Länder und wollen keine Auffangzentren haben), doch vielen Ländern kommt es darauf nicht an. Hauptsache im eigenen Land herrscht Ruhe.

Vermeiden lassen sich Flüchtlingsströme nicht, vor allem nicht über das Mittelmeer. Das führt dazu, dass einige wenige Länder die Hauptlast tragen, darunter Italien. Italien kann wenig dafür, dass es am Mittelmeer liegt. Trotzdem muss es die Sache ausbaden. Das passt Italien nicht. Es erwartet Solidarität von seinen EU-Partnern.

Merkel öffnete 2015 praktisch die Grenzen. Italien und andere Länder hätten den Ansturm auch ohne diese Aktion nicht zurückhalten können, doch der Freibrief von Merkel hat sicherlich dazu beigetragen, dass eine gewisse Anarchie herrschte. Es fand eine gigantische Migrationsbewegung innerhalb der EU statt. Das kann auch nicht die Lösung sein.

Die EU-Außengrenze kann am Mittelmeer kaum wasserdicht abgeriegelt werden. Es wird trotz aller Bemühungen und Ursachenbekämpfung immer wieder Flüchtlingswellen geben. Man kann auf und niederspringen wie man will, das ist nun einmal so. Entsprechend wünschen sich Länder wie Italien Hilfe.

Diese kommt jetzt – freiwillig (oder mit anderen Worten: Italien kann im Ernstfall lange warten). Das ist für die EU schon ein Armutszeugnis. Dass man sich nicht darauf einigen kann, einander beizustehen, widerspricht dem Zweck der EU. Souveränität ist wichtig. Solidarität ist es auch. Ohne Solidarität hat die EU keinen Zweck mehr. Man könnte sie genauso gut abschaffen.

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12 Kommentare

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  • wolp
    wolp

    Mir gefällt einfach, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Ohne Kategorisierung. So wie es selbstverständlich ist. Und die Sorge um den Mitmenschen.

    15:34 Uhr, 03.07. 2018
  • wolp
    wolp

    Sehr gute Überschrift, Ihr Hinweis, dass es um Wichtigeres geht als benannte zwei Personen, bringt es auf den Punkt. Freue mich sehr, dass es hier um Menschen geht und nicht der AfDumme-Sprech nachgeredet wird.

    13:20 Uhr, 03.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Acheloos
    Acheloos

    So sehr ich Ihre Artikel schätze: Dieses Mal möchte ich korrigieren, da Sie pauschal von Flüchtlingen schreiben.

    - lt. ARD-Büro in Nairobi handelt es sich bei den Ankommenden aus Afrika um Migranten. Das Märchen von Europa, wo die Straßen mit Gold gepflastert sind, sei nicht auszurotten. Keine wie immer gestartete Aufklärungskampagne würde angenommen. Und die Bewohner der Gebiete in Afrika, wo derzeit Krieg herrscht, hätten keine Möglichkeit, sich nach Europa durchzuschlagen.

    - 2015 sind viele syrische Flüchtlinge, die in den Nachbarstaaten untergebracht waren und wo lt. Entwicklungshilfeminister Müller Schulen gegründet wurden und konkrete Pläne für ordentliche und sichere Unterbringung umgesetzt wurden, einfach weggelaufen, nachdem bekannt wurde, dass Deutschland Syrer ohne weitere Prüfung aufnimmt.

    - dem Treck schlossen sich Kosovaren, Albaner etc. an. Das weitere ist bekannt.

    - lt. einem Leiter einer Flüchtlingsunterkunft in Bayern sind seine Bewohner derzeit nicht Flüchtlinge, für die diese Einrichtung gedacht ist, sondern mehrheitlich Afrikaner, die schon etliche Jahre in Italien gelebt hatten, jedoch mit kleinem Verdienst, und nun die Gunst nutzen, mit dem Code "Asyl" hier kostenlose Unterkunft und Geld etc. zu erhalten. Sie kommen oft mit Frau und Kindern, fühlen sich komfortabel und fast jede Frau sei schon wieder schwanger. Das seien nicht die Personen, für die die Einrichtung gedacht ist.

    - die relativ vielen männlichen Passagiere, die auf Güterzügen nach Bayern einreisen, indem sie Planen aufschlitzen und sich verstecken (immerhin 1000 pro Jahr) etc., kommen mehrheitlich über Italien.

    Das Ganze muss mit Verstand geregelt und evtl. unterbunden werden. Sonst schwindet das Verständnis für echte Flüchtlinge.

    13:09 Uhr, 03.07. 2018
  • Gargol
    Gargol

    Herr Schmale, bin häufig bei Ihnen, was Ihre Analysen betrifft, aber dieses Mal nicht. Wir haben als Konsequenz unserer Haltung im Land derzeit ein Integrationsproblem. Das ist das Kernthema.

    Ihr Satz :"Machen sich Flüchtlinge erst einmal auf den Weg, gibt es immer noch Möglichkeiten, einen direkten Ansturm zu verhindern." , ist etwas realitätsfern. Der Familiennachzug ist nach wie vor in Kraft, Abschiebungen faktisch kaum möglich und wird uns noch Jahre beschäftigen.

    Abwarten, weil "aktuell kein dringenster Handlungsbedarft besteht", hilft nicht, sondern nur die wirtschaftlichen Anreize als Einwanderungsursache Nummer 1 senken und konsequent bei der bestehenden Gesetzeslage sein. Die Gesellschaft ist nicht gespalten, wie Sie schreiben, das ist ein falsches Bild, sondern hat eine Vielzahl von Meinungen, was geltendes Recht ist und was daraus gemacht werden darf. Das und die moralische Keule, die ständig verbreitet wird verwirrt die Leute und so wird inzwischen auch diskutiert. Jeder Verfassungsrechtler, zuletzt Papier, stellt klar, es gibt nicht nur den Artikel 16 GG Asyl, sondern eine Vielzahl von Geboten aus dem Grundgesetz und weiteren Gesetzen, die negiert werden und die derzeit auch von Journalisten bereitwillig ausgeblendet werden. Hinzu kommt der Grundkonflikt von Deutschland in der EU, ob die EU mit Ihrer Gesetzgebung das Grundgesetz überhaupt aushebeln kann und das wird bewusst nicht zu Ende diskutiert. Ich sehe jede Menge Handlungsbedarf und dies schnell, sonst werden über unsere Köpfe hinweg Fakten geschaffen, die auch ein Seehofer nicht verhindern kann.

    09:25 Uhr, 03.07. 2018
  • shark
    shark

    Ein akutes Flüchtlingsproblem gibt es derzeit eigentlich nicht. Die monatliche Anzahl an Asylanträgen in der EU ist im März unter die Marke von 50.000 gesunken.,schreiben sieHr.Schmale.

    Das geht gänzlich an der Realität vorbei !

    Wir haben über 1,5Mio"Flüchtlinge" im Land, die Zahl der Nichtregistrierten noch unberücksichtigt--

    Über 80% erscheinen ohne Ausweispapiereusw.- über 250 000 sind rechtskräftig abzuschieben,was nicht gelingt etc

    Spaltung der Gesellschaft,Zerfall der Rechtsordnung,gigantische Kosten im vierstelligen Mrd.Euro Bereich-wobei vvorher für Deutsche kein Geld da war usw sind für Sie Hr.Schmale

    kein akutes Flüchtlingsproblem !

    Selektive Wahrnehmungsdefizite mit kognitiver Dissonanz würde ich das nennen!

    08:25 Uhr, 03.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • Bommel
    Bommel

    Sozialstaat UND diese offenen Grenzen führt zum Ende des Sozialstaates.....

    Man vergißt auch, das man in diesen afrikanischen Ländern mit 2 Euro am Tag leben kann, hier ist man mit dieser Summe letztendlich dem Tode geweiht!

    08:06 Uhr, 03.07. 2018
  • German2
    German2

    ???? Frontex aufstocken? will man die Boote nicht "versenken" kann man sie auch kentern und zurück an die afrikanischen Grenzen schleppen uswusw ,,,,, die grenzen müssen gesichert werden ansonsten droht massiver Sozialmissbrauch ...man kann sich aussuchen ob man die Sozialsysteme hier zulande abschafft oder diese Masseninvasion weiterhin zulässt

    07:59 Uhr, 03.07. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    " Die EU-Außengrenze kann am Mittelmeer kaum wasserdicht abgeriegelt werden"" ,............. ???????? Also bitte ! Jedes Kind weiss wie das gehen wuerde ! Zum Anfang koennte man zb den Victor mal fragen......

    07:36 Uhr, 03.07. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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