Kommentar
15:22 Uhr, 30.03.2016

FinTech - die technologische Revolution des Bankwesens

Die Aktienkurse der internationalen Banken werden seit Monaten nach unten durchgereicht. Angst um die weltwirtschaftliche Entwicklung ist das eine, niedrige Zinsen das andere Problem.

Längst sind die Altlasten der Finanzkrise noch nicht ausgeräumt, da sorgt man sich schon wieder um die faulen Kreditedes Sektors.

Über 200 Milliarden Euro an faulen Krediten bei italienischen Banken, nimmt man jene mit Zahlungsverzug hinzu, stehen 350 Milliarden Euro zu Buche. Griechische Banken können selbst das noch bequem toppen. Doch selbst im vermeintlich starken Deutschland kommen die großen Bankhäuser nicht aus den Negativschlagzeilen. Der Kurs der Deutsche Bank Aktie wechselt von einer Turbulenz in die andere. Sorgen um die Liquidität des größten deutschen Kreditinstituts machten die Runde, so dass sich sogar der Finanzminister genötigt sah zu verkünden, man müssen sich um die Deutsche Bank keine Sorgen machen. Spätestens jetzt machten sich
auch die hartnäckigsten Optimisten Sorgen.

In der Tat sind es die in erster Linie die alten hausgemachten Probleme der Bankhäuser und die herausfordernde Zinssituation der letzten Jahre, die den traditionellen Finanzinstituten zu schaffen machen.
In Deutschland kommt hinzu, dass der Bankenmarkt völlig überbelegt ist. Ein flächendeckendes System an Volksbanken und Sparkassen erstickt jede Hoffnung anderer Privatbanken auf große Profite im Filialbankgeschäft. Zu viele Jäger sind nun mal der Hasen Tod.
So verwundert es auch nicht, dass die Deutsche Bank ca. 95 Cent Kosten pro Euro Umsatz zu bewältigen hat, während ein US-Institut wie Wells Fargo den Umsatzdollar mit 58 Cent Kosten erwirtschaftet.

Nun kommt aber zu all dem Jammer noch das Elendhinzu. Denn wie in nahezu allen Branchen wirbelt das Internet – oder in seiner neuen Ausprägung Web2.0 
– alles durcheinander. Eine disruptive Entwicklung, die ohne Zaudern alte Systeme zerstört, um neue zu installieren und dabei vor nichts und niemandem halt macht.

Selbstfahrende Elektroautos von Internetkonzernen drohen 100-Jahre alte Geschäftsmodelle der alten Autoschmieden zu gefährden, Erneuerbare Energien stürzen die Strom- und Ölsaurier in die Verzweiflung und E-Commerce-Jünglinge (Amazon wurde erst 1994 gegründet) stürze weltweit den Einzelhandel in den Überlebenskampf.

Es war eine Frage der Zeit, bis auch die mächtigste Branche der Welt in den Fokus der Veränderung rücken würde. Und dies geschieht derzeit mit Macht und einer Dynamik, der die großen Dinosaurier kaum etwas entgegenzusetzen
haben. Während diese mit immer neuen Regulierungswellen kämpfen, da die Politik sich langsam auf sie eingeschossen hat, ziehen die kleinen internationalen FinTechs wie Schnellboote rechts und links an den schweren Tankern vorbei. Sie nutzen Regulierungslücken, stoßen schnell in neue vor, wenn alte geschlossen werden. Sie erfinden das Bankwesen neu und man stellt erstaunt fest, dass für diese neuartigen Ideen die alten Gesetze und Regulierungen oft gar nicht greifen.

Das Bankgeschäft wird neu gedacht und bis die Politik und die Regulierung dies begreift und nachzieht, sind die Schnellboote bereits auf der nächsten Welle unterwegs.

Dem Verbraucher gefällt es. Er liebt es digital und bequem. Die Zeiten liebloser Schalterräume und Schlangestehen vor dem Kassenhäuschen sind passé. Viele Verbraucher sehen eine Bankfiliale nur alle paar
Jahre von innen … wenn überhaupt. Der progressivste Schritt der Banken war da noch das Online-Banking.

Mit umständlichen Formularen, PIN- und TAN-Listen, Abmeldezeiten und drögen Designs hat sich der Bankkunde mehr schlecht als recht zufriedengegeben, aber er ist sofort bereit auf ein Modell zu wechseln, das schneller, cooler und
zeitgemäßer ist.

Hier setzen die Fintechs an. Das sind in erster Linie Online- und Webexperten. Erst in zweiter Linie geht es um die Finanzen dahinter. Geldthemen werden zum eher spielerischen Geschehen, das man ohne groß nachzudenken nebenbei erledigen kann und das vielleicht sogar Spaß macht.

Die Fintechs sind hocheffizient, schnell mit geringer Bürokratie und Wasserkopf. Das macht sie schneller profitabel. Sie sprießen wie Pilze aus dem Boden und für jeden Bankbereich kommen in kurzer Folge zahlreiche frische Unternehmen mit bahnbrechenden Ideen. Manche verschwinden, werden übernommen, andere werden erfolgreich.

Wer am Ende das Rennen machen wird und das Amazon der Internetfinanzen wird ist völlig offen. Klar ist aber, dass die Dinosaurier zunehmend in Schwierigkeiten kommen. Es war bisher schon schwer, profitabel zu sein, jetzt werden sie auf allen Feldern von Gegnern angegriffen, mit denen sie nicht umzugehen wissen.

Mit den besten Grüßen

Ihr Dirk Müller

Börsenhändler an der Frankfurter Wertpapierbörse

P.S. "Fintech" ist eines unserer aktuellen Trendthemen in meinem Börsenbrief "Cashkurs*Trends".

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1 Kommentar

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  • ZeroG
    ZeroG

    Herr Müller, ich schätze ihre Kommentare und Analysen sehr, die oft in die Tiefe gehen und die Probleme (und Verantwortlichen) beim Namen nennen. Nur von diesem Artikel hätte ich etwas mehr erwartet ... nichts Neues hier zu lesen.

    15:19 Uhr, 31.03.2016

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Über den Experten

Dirk Müller
Dirk Müller
Börsen-Experte und Sachbuchautor

Dirk Müller ist Finanzexperte, mehrfacher Spiegel-Bestseller Autor, Politikberater, Vortragsredner, Gründer des Finanzinformationsdienstleisters Finanzethos GmbH mit dem Markenkern „Cashkurs.com“– und gilt als „Dolmetscher zwischen den Finanzmärkten und den Menschen außerhalb der Börse“. Sein Weg an der Börse begann 1992, wo er als amtlich vereidigter Kursmakler tätig war. Heute zählt er zu den bekanntesten Börsenexperten Deutschlands, woher auch sein von den Medien vergebener Spitzname „Mr. DAX“ rührt. Er ist Senator der Wirtschaft Deutschland und berät in unterschiedlichen Gremien in nationalen und internationalen politischen Angelegenheiten.

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