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07:18 Uhr, 28.08.2017

Fed-Chefin: Zeit für einen Nachruf auf Janet Yellen

Die US-Notenbankchefin ist noch quicklebendig. Ein Nachruf auf ihre Person ist verfrüht, nicht aber auf ihre Zeit als oberste Notenbankerin.

Yellen hielt am Freitagnachmittag deutscher Zeit ihre mit Spannung erwartete Rede zum Thema Finanzstabilität. Einige Beobachter hatten im Vorfeld befürchtet, dass es sich unter anderem um den Aktienmarkt handeln könnte. Was Thema einer solchen Rede gewesen wäre, ist klar: der Markt ist hoch bewertet. Das hatte Yellen schon früher immer wieder durchblicken lassen.

In der Rede ging es nicht um den Aktienmarkt, sondern das Finanzsystem im Allgemeinen. Im Zentrum dieses Systems stehen immer noch Banken – zumindest jene Banken, die 2008 überlebten. Das waren ja bei weitem nicht alle. Neben wenigen Großbanken gingen hunderte kleine Banken in den Bankrott.

Heute würde das so wohl nicht mehr geschehen, meint Yellen. Grund dafür ist die Regulation, die das System sicherer gemacht hat. Kritiker sagen, dass die Regulation das System gelähmt hat und nun keiner mehr Risiko aus sich nehmen darf. Das schwächt das Wirtschaftswachstum.

Yellen sieht das anders – zu Recht. Ganz offensichtlich haben die Regeln, die vor 2008 galten, nicht funktioniert. Etwas musste sich tun. Ob das Richtige getan wurde, bezweifeln viele. Im Kern hat die Regulation aber vor allem bewirkt, dass Banken mehr Eigenkapital halten müssen.

Betrachtet man die Entwicklung der Assets und des Eigenkapitals (Grafik 1), so erscheint der Aufbau von Eigenkapital nach 2008 keinesfalls exzessiv. Mehr Kapital wurde aufgenommen, doch als schädliche und übermäßige Belastung würde ich das nicht bezeichnen. US-Banken halten heute etwas mehr Kapital, genau genommen 500 Mrd. Die Assets sind im gleichen Zeitraum um 4 Billionen gestiegen.

Diese Zahlen sind groß und etwas abstrakt. Man kann sie auch anders darstellen. Grafik 2 zeigt das Eigenkapital im Verhältnis zu den Assets (schwarze Linie). Dieses Verhältnis ist von 10 % auf 10,8 % gestiegen. Da ist überhaupt nichts exzessiv. Dafür aber, so wird bemängelt, verdienen Banken trotzdem weniger. Das zeigt die Eigenkapitalrendite, die heute bei weniger als 10 % liegt. Vor der Krise waren es einmal 15 %.

10 % Rendite pro Jahr ist nicht schlecht. Der Aktienmarkt macht im langjährigen Durchschnitt weniger. Die Beschwerden über zu hohe Eigenkapitalanforderungen kann man bei dieser Rendite noch nicht unterstützen.

Für Banken ist Kapital das, womit sie Geld erwirtschaften. Es ist der Produktionsfaktor, quasi der Input. Das unterscheidet sie von den meisten anderen Unternehmen. Ein Bäcker braucht Weizen, Backöfen usw. und möglicherweise einen Kredit, um das alles zu erwerben. Den Kredit stellen die Banken zur Verfügung. Um das tun zu können, brauchen sie Eigenkapital. Der Bäcker braucht vor allem Zutaten wie Weizen, um sein Produkt, das Brot, anbieten zu können.

Will der Bäcker nun mehr Geld verdienen, dann kann er ein paar Dinge tun, um die Rendite zu steigern. Er kann etwa schlechtere Zutaten wählen. Er könnte auch einfach den Anteil an Weizen reduzieren und dafür andere Zutaten verwenden. Die Kosten müssen gesenkt werden. Meist geschieht das auf Kosten der Qualität, der Substanz.

Will eine Bank ihre Rendite steigern, dann kann sie auch unterschiedliche Dinge tun. Sie kann produktiver werden (bessere Ausbildung der Mitarbeiter). Das hat alles seine Grenzen. Der größte Hebel, den eine Bank hat, ist das Kapital. Muss es weniger davon halten, steigt die Rendite überproportional.

Ein Beispiel: eine Bank verdient 1 Mrd. und hält Eigenkapital von 10 Mrd. Die Rendite liegt bei 10 %. Muss die Bank nur 5 Mrd. an Kapital halten, steigt die Rendite bei gleichem Gewinn auf 20 %. Die Rendite steigt also um 100 %. Kein Wunder, dass die Finanzbranche jammert, wenn sie zwei Euro mehr Kapital halten muss.

Mehr Kapital bedeutet mehr Sicherheit und Qualität. Damit müssen wir leben. Wir wollen ja auch nicht, dass der Bäcker uns gesundheitsschädliches Brot anbietet, nur, damit er ein paar Prozent mehr Rendite erwirtschaftet. Es braucht Standards, die die Sicherheit gewährleisten. Vor der Krise war das nicht gewährleistet. Jetzt ist es etwas besser.

Was hat das nun mit einem Nachruf auf Yellen zu tun? – Nun, sie fletschte mit der Rede praktisch ihre Zähne und machte unmissverständlich klar: mit ihr als Notenbankchefin wird es keinen Deregulierungswahn geben. Sie wird sich gegen jede Deregulierung wehren. Das passt gar nicht zur Trump-Agenda und es ist der Präsident, der den Posten besetzt. Yellen dürfte sich also mit dieser klaren Haltung klar aus dem Rennen für die nächste Amtszeit nehmen.

Clemens Schmale

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3 Kommentare

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  • thomas84
    thomas84

    seit Nikkei short und macht viele 100 %:-)

    07:23 Uhr, 28.08.2017
  • Ridicule
    Ridicule

    Totgesagte leben manchmal länger.

    19:01 Uhr, 27.08.2017
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    10 Prozent Rendite ist in der Tat nicht schlecht. zudem haben unternehmen im Allgemeinen auch nicht viel mehr. Also, warum sollten Banken wieder 15 Prozent machen?

    12:56 Uhr, 26.08.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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