Kommentar
20:12 Uhr, 06.06.2016

Fed-Chefin redet Klartext: Zinswende geht weiter - vorerst!

Soeben hat Janet Yellen ihre Rede in Philadelphia beendet. Die Rede wurde mit Spannung erwartet, da es die letzte vor dem Zinsentscheid in diesem Monat ist und die Möglichkeit zur Schadenbegrenzung gab.

Schadenbegrenzung war nötig, weil der Mai-Arbeitsmarktbericht den Markt überraschte und auch von Notenbankern gleich genutzt wurde, um für stabile Zinsen zu werben. Notenbanker, die gegen eine Zinserhöhung sind, nutzen die Gelegenheit, um ihre Forderung zu unterstreichen.

Nach der Rede ist klar, dass Yellen die Einzelmeinung ihrer FOMC-Kollegen, die seit Freitag geäußert wurden, ignoriert. Den Arbeitsmarktbericht ignorierte sie ganz und gar nicht. Man kann fast sagen, dass er das Kernstück der Rede war.

Generell zeigte sich Yellen ebenso überrascht wie der Markt von den schwachen Daten. Sie gibt offen zu, dass die Notenbank noch keine Interpretation parat hat. Einerseits hat sich die Wirtschaft bisher gut entwickelt, doch der Arbeitsmarktbericht lässt nun daran zweifeln. Ein Bericht ist noch kein Trend. Auch das betont Yellen. Eine Abkehr von der groben Linie der Zinswende ist also nicht zu erwarten.

Yellen hebt in ihrer Rede die vielen Fortschritte hervor, doch benennt auch die großen vier Risiken für die US-Wirtschaft. Zum einen ist da die Inlandsnachfrage. Die US-Wirtschaft muss sich praktisch auf die Inlandsnachfrage verlassen, da die globale Wirtschaft kaum Unterstützung bietet.
Der Konsum stützt die wirtschaftliche Entwicklung. Dafür wird weniger investiert. Das gilt nicht nur für Rohstoffunternehmen, sondern für fast alle Wirtschaftszweige. Ohne höhere Investitionen sind dem Wachstum enge Grenzen gesetzt.

Zum anderen nennt Yellen die Weltwirtschaft, die Inflation und das mangelnde Produktivitätswachstum als Risiken. In Bezug auf die Weltwirtschaft nennt sie vor allem China, welches mit der Neuausrichtung seiner Wirtschaft kämpft. Sorgen um China können jederzeit zurückkehren, da der Prozess der Neuausrichtung noch lange nicht am Ende ist.

Sobald sich der Markt über China Gedanken macht, dürften Rohstoffe wieder abverkauft werden, da China der größte Konsument ist. Das hat negative Folgen für Schwellenländer, die auf den Rohstoffexport angewiesen sind und beeinflusst die Inflation.

Yellen geht momentan davon aus, dass der aktuelle Trend anhalten kann. Das bedeutet für die Inflation, dass sie dank der Rohstoffpreisentwicklung innerhalb von 1-2 Jahren das Ziel von 2 % erreichen wird. Die sinkende Arbeitslosigkeit unterstützt den Trend durch moderat steigende Löhne.

Rohstoffe und Arbeitsmarkt sind das, was die Inflation treibt. Risiken für das 2 %-Ziel gibt es also zuhauf. Vom Arbeitsmarkt weiß niemand, ob der positive Trend dreht oder nicht und Rohstoffe waren immer schon volatil und zyklisch.
Mit Verwunderung blickt die Notenbank auch auf die Stabilität der Inflation in den vergangenen Jahren. Yellen führt dies auf die sehr stabilen Inflationserwartungen zurück. Sollten die Inflationserwartungen weiter sinken, spräche dies gegen Zinserhöhungen.

Ein langfristiges Risiko ist das fehlende Produktivitätswachstum. Dies begrenzt das Wirtschaftswachstum. Vereinfacht ausgedrückt entspricht das Wirtschaftswachstum dem Beschäftigungs- und Produktivitätswachstum. Wenn die Produktivität nicht wächst und die Beschäftigung stagniert, dann wächst die Wirtschaft nicht mehr.

Eine stagnierende Wirtschaft per se muss kein Problem sein, doch es verhindert letztlich den Anstieg des Lebensstandards. Ohne Produktivitätswachstum gibt es keine Verbesserung des Lebensstandards. Das ist ein Risiko, insbesondere aus sozialen Gesichtspunkten.

Yellen bezeichnet den aktuellen Kurs der Notenbank als adäquat. Das bedeutet im Klartext: lockere und stimulierende Geldpolitik ist weiterhin angebracht. Was aber ist eine stimulierende Geldpolitik?

Die Fed definiert dies so: solange der Leitzins unterhalt des neutralen Zinssatzes steht, ist die Geldpolitik unterstützend. Der neutrale Zinssatz ist jener Satz, der die Wirtschaft weder unterstützt, noch bremst.

Yellen nennt als realen, neutralen Zins einen Wert von ungefähr 0 %. Den realen Leitzins (nach Abzug der Inflation) sieht sie bei -1 %. Die US-Notenbank kann demnach also den nominalen Leitzins, der derzeit zwischen 0,25 % und 0,5 % liegt, um 1 % anheben, ohne die Wirtschaft zu bremsen.

Die Notenbank hat aktuell einen Spielraum, die Zinsen auf 1,25-1,5 % anzuheben, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. Dies wird geschehen, denn Yellen weist mit aller Deutlichkeit darauf hin: Die Geldpolitik muss vor Zielerreichung (Vollbeschäftigung, 2 % Inflation) neutral werden, da Geldpolitik mit zeitlicher Verzögerung wirkt.

Nun erwartet Yellen die Zielerreichung innerhalb von 1-2 Jahren. Innerhalb dieses Zeitraums muss der Leitzins also um 1 % steigen. Um die Sache noch etwas komplizierter zu machen: Die Notenbank geht davon aus, dass sich der neutrale Zinssatz mit der Zeit wieder erhöhen wird. Steigt der neutrale Zinssatz von 0 % auf 1 %, dann muss die Fed die Zinsen innerhalb von zwei Jahren um 2 % anheben, um ein neutrales Niveau zu erreichen.

Yellen hat also im Prinzip Klartext geredet: Zinserhöhungen werden kommen. Ist der Arbeitsmarktbericht für Juni wieder ein Goldstück, dann kommt die Zinserhöhung im Juli. Davon muss man fest ausgehen. Stellt sich hingegen heraus, dass die schwachen Mai Daten den Anfang eines Trends bedeuten, dann ist die Zinswende erst einmal vorbei.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

17 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Erinnert jetzt irgendwie an die auf GDT veröffentlichten Analysen: der Kurs kann steigen, aber auch fallen.

    23:25 Uhr, 07.06. 2016
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Ich denke Draghi kauft durch irgend eine hintertuer nun auch Aktien. Anders ist das nicht mehr zu erklaehren was hier abgeht.

    11:30 Uhr, 07.06. 2016
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Und noch was:

    Herr Schmale, ich finde, dass Sie einer der besten - vielleicht sogar der beste - Autor hier sind.

    Ich suche und lese immer ganz zielgerichtet Ihre Artikel ... - Sie analysieren exzellent, Ihre Artikel haben Weitsicht und Inhalt ... - große, große Klasse ...

    09:50 Uhr, 07.06. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Wer sich die Frau mal genauer betrachtet muss zweifeln ob das ueberhaupt ein Mensch ist. Die hat was roboterhaftes.

    09:22 Uhr, 07.06. 2016
  • Weißer Ritter
    Weißer Ritter

    Und einmal mehr verheddert sich Herr Schmale im Kleinklein und sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Als wenn es noch entscheidend auf Arbeitsmarktzahlen ankäme. Dieser ganze Konjunkturmumpitz ist wirklich von gestern. Heute geht es nur noch um das Überleben eines totkranken Finanzsystems. Und das braucht steigende Zinsen. Also werden sie steigen. Ob das jetzt mal endlich verstanden wird?

    07:40 Uhr, 07.06. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Ich wette ein Essen gegen eine Banane. NIX wird sich tun dieses jahr . Gar nix.

    05:34 Uhr, 07.06. 2016
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Klartext ist sehr sportlich formuliert lieber Herr Schmale. Imo bleibt Frau Yellen ihrer Linie treu und versucht so gut wie eben möglich die Titanic Finanzmärkte über Wasser zu halten und eine Kollision mit den zahlreichen im Wasser treibenden Eisbergen zu verhindern. Wie lange ihr das unter den gegeben Umständen noch gelingen kann, ist eine völlig andere Frage, denn wenn man sich die Datenreihen der USA im längerfristigen Trend über 1 - 1,5 Jahre betrachtet, dann kann man ohne böswillig zu sein, die US-Wirtschaft hart an der Grenze einer Rezession verorten. Würde Frau Yellen wirklich Klartext reden, dann hätte das für die Märkte höchst unangenehme Folgen.

    Das die Akteure die bei objektiver Betrachtung völlig desolate Situation am US-Arbeitsmarkt bislang nicht erkennen wollen und bereitwillig die offiziellen Zahlen akzeptieren, heißt noch lange nicht, das sie das auf Dauer tun werden. Die fleißigen Helferlein im Hintergrund und damit meine ich die Plunge Protection Teams, haben via Ölpreis und USD/JPY alle Hände voll zu tun, um für Frau Yellen und ihre Mitstreiter den schönen Schein zu wahren.

    Fällt diese Unterstützung durch ein unvorhersehbares Ereignis unvermittelt weg, dann dürfte sich für die zinstragenden Assets ein überaus deutliches Korrekturpotential ergeben.

    22:53 Uhr, 06.06. 2016
  • plungeboy
    plungeboy

    Citi On Yellen's Speech: "What She Did Not Say Is Dovish"

    "Yellen expresses optimism throughout the speech but she doesn’t repeat her guidance from less than two weeks ago that a rate hike would be forthcoming “in coming months." Citi adds that this on net is slightly dovish. "There is no timetable and the pluses are very vague. Unless the sky is falling in there is no way that she can express pessimism -- would be self-defeating, so you take it as a given that she will sound optimistic on hitting targets in long-term. The vagueness on the timing of hikes is what is striking."

    21:18 Uhr, 06.06. 2016
  • Schnutzelpuh
    Schnutzelpuh

    Wie man diese Rede als Klartext interpretieren kann, ist mir ein Rätsel. Den Kurs der Notenbank als adäquat zu bezeichnen, muss sie ja. Als Aussenstehender kann man den Kurs nur als desaströs bezeichnen.

    21:12 Uhr, 06.06. 2016
  • plungeboy
    plungeboy

    Wie man ein immer wieder Hinhalten als Klartext bezeichnen kann, verstehe ich nicht. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall: es wird eigentlich immer unklarer, was die Fed tun wird. Die 1. Zinserhöhung im letzten Dez war schon unter dem Zwang zustande gekommmen, nicht die Glaubwürdigkeit der Fed zu gefährden. Jetzt wird versucht, sich irgendwie bis nach den US Präsidentschaftswahlen durchzufuddeln ohne zugeben zu müssen, dass es mit der US Wirtschaft bereits wieder nach unten geht. Yellen gehört zum Establishment der Demokraten.

    21:11 Uhr, 06.06. 2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten