Kommentar
11:20 Uhr, 16.08.2022

Fazit der Berichtssaison: Eigentlich gäbe es nichts zu feiern am Aktienmarkt, oder doch?

Am Aktienmarkt erkennt man nicht, dass die Berichtssaison ernüchternd war. Es lässt sich aber alles erklären…

Über 90 % der S&P 500 Unternehmen haben ihre Zahlen für das zweite Quartal bereits vorgelegt. Das Bild ist also relativ robust und es gibt vor allem zwei Dinge, die ins Auge stechen. Zum einen ist das der Umsatz. Der Umsatz konnte gegenüber dem ersten Quartal oder dem Vorjahresquartal weiter zulegen. Zum anderen ist die operative Marge gesunken. Im Normalfall verlaufen Margen und Umsatz parallel. Unternehmen versuchen erhöhte Nachfrage zunächst mit den gleichen Ressourcen zu bedienen. Mehr Umsatz bedeutet mehr Gewinn und bei höherer Kapazitätsauslastung höhere Marge. Derzeit ist das nicht der Fall. Obwohl der Umsatz steigt, steigen die Kosten schneller. Die Marge sinkt. Zusammenfassen lässt sich das mit einem Wort: Inflation.


Inflation zeigt sich anhand des Umsatzanstiegs. Inflation kann es nur geben, wenn Unternehmen die Preise für Produkte erhöhen. In der Theorie sollten die Margen daher gar nicht sinken. In der Praxis ist es komplizierter. Steigen etwa die Kosten für Benzin um 50 %, geben Transportunternehmen diese Kosten nicht vollständig an ihre Kunden weiter. Ein Teil wird über die Marge absorbiert.

Einige Unternehmen verdienen bei hoher Inflation mehr, andere weniger. Je nachdem, wie die Wirtschaft und ein Aktienindex zusammengesetzt sind, können die Gewinne bei Inflation fallen oder überproportional steigen. In den USA ist der Nettoeffekt negativ. Inflation wird für viele Unternehmen ein Belastungsfaktor bleiben.

Die Quartalsgewinne sind das zweite Quartal in Folge im Rückwärtsgang. Gegenüber dem vierten Quartal 2021 sind sie sogar um 20 % gesunken. Auch die Summe der letzten vier Quartale (Jahresgewinne) ist inzwischen im Rückwärtsgang (Grafik 2). Trotzdem befindet sich der Markt wieder in einem Aufwärtstrend.


Erklären lässt sich das unter anderem mit den Erwartungen. Ab jetzt sollen die Gewinne wieder steigen (Grafik 3). Ende 2023 sollen die Gewinne 5 % höher stehen als Ende 2021, dem bisherigen Rekord. Die Gewinnerwartungen wurden in den vergangenen Monaten immer wieder nach unten revidiert. Es wäre nicht überraschend, wenn im Herbst bis Ende 2023 stagnierende oder fallende Gewinne erwartet werden.

Bleibt der aktuelle Aufwärtstrend bestehen und führt Indizes sogar wieder in Richtung ihrer bisherigen Hochs, wäre der Markt hoffnungslos überbewertet. Vor Korrekturbeginn war der Markt deutlich zu hoch bewertet und bei minimalem Gewinnwachstum (sofern es sich überhaupt materialisiert) ist das Resultat nicht anders.

Zudem gibt es nur einen Grund, weshalb die Gewinne nicht stärker fallen. Energie und andere Rohstoffunternehmen konnten ihre Gewinne deutlich steigen (Grafik 4). Im Technologiebereich fallen die Gewinne. Selbst die Umsätze von Big Tech stagnierten im abgelaufenen Quartal.


Zuletzt kamen Rohstoffpreise zurück. Ob die Gewinne der Rohstoffunternehmen den Markt stützen, wie erwartet, kann man hinterfragen. Es muss vieles, eigentlich alles, gutgehen, damit sich die Rally aus fundamentaler Sicht rechtfertigen lässt. Das ist unwahrscheinlich. Die positive Marktreaktion lässt sich noch mit den Erwartungen erklären und damit, dass man mit noch Schlimmeren gerechnet hat.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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