Kommentar
08:35 Uhr, 11.11.2015

Fallender Ölpreis: Wie lange hält die OPEC noch durch?

Die OPEC bleibt hart – bisher. Es gilt immer noch, was Saudi-Arabien vorgeben hat: Förderkürzungen, um den Ölpreis zu stützen, wird es nicht geben.

Saudi-Arabien trat zu Beginn des Ölpreiscrashs vor über einem Jahr besonders vollmundig auf. Erst wurde davon geredet, dass der Ölpreis nie wieder über 100 Dollar steigen wird. Später wurde nachgelegt und behauptet, dass Saudi-Arabien auch Ölpreise von 20 USD verkraften kann. Inzwischen wird immer deutlicher, wie sehr sich Saudi-Arabien verschätzt hat.

In früheren Jahren drehte das Ölkartell regelmäßig an den Fördermengen, um den Ölpreis zu steuern. War der Preis zu niedrig, wurde gekürzt. War er zu hoch, wurde die Produktion ausgeweitet. Die Erfolge dieser Politik waren bescheiden. Das hat viele OPEC Länder zu dem Schluss gebracht, dass es keinen Sinn macht die Fördermengen regelmäßig stark schwanken zu lassen.

Die Unsicherheit in Bezug auf Fördermengen hat die OPEC Marktanteile gekostet. Die OPEC hatte einmal einen Anteil an der weltweiten Ölförderung von über 40%. Inzwischen ist dieser Anteil auf ein Drittel gesunken. Das liegt nicht nur an früherer Förderpolitik, sondern auch an der Produktionsausweitung in anderen Ländern. Nichtsdestotrotz ist es problematisch, wenn die OPEC ohne Vorwarnung ihre Produktion kürzt und sich Handelspartner nach neuen Exporteuren umsehen müssen, um ihren Bedarf zu decken.

Der Marktanteil ist nur ein Grund, weshalb die OPEC keine Fördermengenanpassungen vornimmt. Der vermutlich weitaus wichtigere Grund ist der Kampf gegen neue Ölquellen. Prominent vertreten ist das US Schieferöl, welches durch Fracking gefördert werden kann. Bei einem Ölpreis von 60 Dollar und weniger sind viele Ölfelder nicht mehr profitabel auszubeuten. Die OPEC hofft, dass niedrige Preise die Erschließung der Schieferölfelder stoppt.

Neben Schieferöl gibt es noch ganz andere Ölquellen, die die Dominanz der OPEC bedrohen. In Kanada liegen riesige Ölvorkommen in Form von Ölsanden. Es wird geschätzt, dass der nordamerikanische Ölbedarf durch Ölsande für 100 Jahre gedeckt sein könnte. Die Gewinnung von Öl aus Ölsanden ist aufwendig und teuer. Derzeit wird ein Projekt nach dem nächsten eingestampft.

Schieferöl und Ölsande stehen derzeit stark unter Druck. Noch schlechter geht es Tiefseeprojekten in der Arktis. Hier dürfte kaum ein Projekt überleben, wenn die Ölpreise weiter niedrig bleiben. Das ist im Interesse der OPEC. Früher oder später werden die Preise jedoch steigen. Die Schieferölförderung lässt sich relativ schnell wieder hochfahren. Ebenso ist die Technologie für die Ölgewinnung aus Ölsanden und Tiefseebohrungen vorhanden. Steigen die Preise wieder, dann können viele Projekte rasch reaktiviert werden.

Die OPEC kann mit ihrem Preiskampf die Erschließung neuer Quellen kurzfristig stoppen. Sie kann aber die Zeit nicht zurückdrehen. Die Technologien sind vorhanden und die riesigen Vorkommen der Arktis, der Ölsande und des Schieferöls sind bekannt. Um zu verhindern, dass dieses Angebot auf den Markt kommt, muss der Ölpreis langfristig niedrig bleiben. Eine Option ist das für die meisten Länder nicht.

Allen voran dürfte Saudi-Arabien auf den schnellen Niedergang der US Schieferölindustrie gehofft haben. Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Dafür aber hat sich die wirtschaftliche Situation in den meisten OPEC Ländern dramatisch eingetrübt. Wie dramatisch die Lage geworden ist, zeigt Grafik 1. Dargestellt ist die Handelsbilanz der USA mit Wirtschaftsblöcken. Traditionell hatten die USA ein hohes Handelsbilanzdefizit mit der OPEC, weil die USA enorme Mengen Öl importieren mussten. Inzwischen wird weniger importiert und das, was importiert wird, ist günstiger geworden. Das erste Mal seit Jahrzehnten haben die USA einen Handelsüberschuss mit der OPEC.

Was für die OPEC als Gesamtheit gilt, gilt auch für Saudi Arabien. Grafik 2 zeigt eine Auswahl an Ländern. Während die USA ein sich immer weiter ausweitendes Defizit mit Ländern wie China und Deutschland ausweisen, ist das Defizit mit Saudi Arabien inzwischen zu einem Überschuss geworden. Es gab Zeiten, in denen die USA ein jährliches Defizit von 40 Mrd. mit Saudi Arabien hatten.

Diese Zeiten sind vorerst vorbei, doch je länger diese Situation anhält, desto schwieriger wird es für die OPEC ihren Preiskampf fortzusetzen. Grafik 3 zeigt die momentane Situation in den OPEC Ländern. Dargestellt sind die Währungsreserven und die Leistungsbilanz der jeweiligen Länder mit dem Rest der Welt.

Saudi Arabien hat Währungsreserven von 650 Mrd. Dollar. Gleichzeitig hat das Land allerdings ein jährliches Leistungsbilanzdefizit von 120 Mrd. Dollar. Die Bilanz wird sich in den kommenden Quartalen tendenziell noch verschlechtern. Saudi Arabien hat derzeit ein Budgetdefizit von 20% der Wirtschaftsleistung. Um dieses zu finanzieren werden Anlagen verkauft (vor allem US Aktien und US Staatsanleihen). Der Verkauf dieser Anlagen reduziert die Einnahmen aus Vermögen. Je geringer diese Einnahmen werden, desto schneller weitet sich das Defizit aus. Ein Teufelskreis.

Andere Länder wie der Iran, Venezuela, Libyen und Algerien befinden sich in einer ähnlich schlechten Situation. Venezuela ist de facto bankrott. Bisher hält sich das Land jedoch durch Financial Engineering über Wasser. Dabei verkauft Venezuela Haus und Hof an China. Nachhaltig ist das nicht.
Momentan gehen viele Beobachtet davon aus, dass sich die meisten OPEC Länder noch mehrere Jahre über Wasser halten können. Diese Vermutung leitet sich aus den hohen Devisenreserven ab. Demnach können die meisten Länder noch 3 bis 5 Jahre ihre Defizite stemmen. Persönlich gehe ich nicht davon aus, dass die Länder wirklich 5 Jahre Zeit haben, um zu reagieren. In Saudi Arabien beginnt derzeit die Kapitalflucht. Das wiederum übt Abwertungsdruck auf die an den Dollar gekoppelte Währung aus. Devisenreserven müssen für Interventionen genutzt werden – in Zukunft immer mehr.

Wird der Abwertungsdruck zu groß, dann sind die Devisenreserven schnell aufgebraucht. Eine Abwertung der Währung oder eine Freigabe des Wechselkurses würde die Kapitalflucht noch einmal beschleunigen, daher liegt den Ländern viel daran den Wechselkurs stabil zu halten.
Wie man es dreht und wendet, die OPEC kann nicht ewig hart bleiben. Sie schadet sich mit der ungebremsten Förderung von Öl selbst. Die Idee war vielleicht gut (Verdrängung von Schieferöl), doch in der Praxis stellt sich heraus, dass die Idee nicht funktioniert. 2016 muss sich die OPEC entscheiden, was sie will: den hoffnungslosen Kampf gegen Schieferöl fortführen oder sich selbst retten.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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