Kommentar
12:08 Uhr, 27.06.2012

Fallen Angels: Nintendo

Erwähnte Instrumente

Der japanische Spielkonsolenhersteller und Videospielproduzent Nintendo hat im
vergangenen Geschäftsjahr den ersten Verlust seiner Unternehmensgeschichte verbucht. Die zunehmende Konkurrenz durch Smartphone-Spiele, die Yen-Stärke und die schwache Position in den Schwellenländern machen dem Unternehmen zu schaffen. Alle Augen sind jetzt auf die nächste Nintendo-Konsolengeneration gerichtet, die im vierten Quartal 2012 erscheinen soll.

Nintendos Ursprünge

Nintendo ist Kult. Es dürfte kaum ein Kind in Europa oder den USA geben, das mit Spielhelden wie Mario, Yoshi oder Donkey Kong nichts anfangen kann. Die Geschichte von Nintendo beginnt bereits 1889 mit der Herstellung japanischer Spielkarten („Hanafuda-Karten“). Diese Spielkarten verkauft Nintendo noch immer, allerdings nur in Japan und nur in sehr geringen Stückzahlen. In den 1960er Jahren expandierte das Unternehmen und versuchte sich unter anderem als Taxi-Kette, als Hersteller von Nahrungsmitteln und als Betreiber von Love-Hotels. All diese Geschäftsaktivitäten wurden nach recht kurzer Zeit wieder aufgegeben. Bekannt wurde das Unternehmen in Japan als Hersteller von Spielzeugen wie der Ultra-Hand oder des Love-Testers. Ins Videospielgeschäft stieg Nintendo 1974 ein, mit dem Vertrieb der ersten Videospiel-Konsole der Welt, der „Odyssey“ des US-Unternehmens Magnavox. Drei Jahre später brachte Nintendo die erste eigene Konsole auf den Markt. Spätestens Ende der 80er Jahre war das Unternehmen mit Videospiel-Konsolen wie dem Nintendo Entertainment System (NES), dem SNES („Super Nintendo“) oder dem Game Boy auch in amerikanischen und europäischen Kinderzimmern weit verbreitet.

Produkt-Lebenszyklus und Börsenkurs

Der Lebenszyklus der Produkte hatte bei Nintendo in der Vergangenheit immer einen großen Einfluss auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung - und mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf auch auf den Börsenkurs. Zwischen Anfang 2006 und Ende 2007 konnte sich der Kurs der Nintendo-Aktie auf Euro-Basis ungefähr vervierfachen. Dies war vor allem auf den anfänglichen Erfolg der Wii-Spielekonsole zurückzuführen, die Ende 2006 auf den Markt gebracht wurde. Bis zum Ende des ersten Quartals 2012 wurden insgesamt 95,85 Millionen Geräte verkauft, womit die Konsole bei den weltweiten Verkäufen deutlich vor der Sony Playstation 3 und der Xbox 360 liegt. Zuletzt gingen die Wii-Verkäufe allerdings deutlich zurück. Während das Gerät in technischer Hinsicht nach Einschätzung vieler Experten den beiden Konkurrenzprodukten nicht ebenbürtig ist, machte Nintendo viel durch innovative Spiel- und Steuerungskonzepte wieder wett. Nintendo wollte mit der Konsole auch Kunden ohne vorherige Videospielerfahrung gewinnen. Ermöglicht wurde dies unter anderem durch einen neuartigen Controller mit Bewegungssensoren.

Sehr erfolgreich war Nintendo in den vergangenen Jahren auch mit der mobilen Handheld-Konsole Nintendo DS, die sich bis Ende März 2012 insgesamt 151,52 Millionen Mal verkaufte. Das im ersten Quartal 2011 auf den Markt gebrachte Nachfolgemodell 3DS, das 3D-Inhalte dank eines autostereoskopischen Bildschirms ohne spezielle Brille darstellen kann, ging bisher 18,6 Millionen Mal (Stand: Mai 2012) über die Ladentheken. Damit sind die Verkaufszahlen beim 3DS bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben und konnten nicht an das erfolgreiche Vorläufermodell anknüpfen. Nintendo reagierte im August 2011 mit einer deutlichen Preissenkung für die Hardware, um den Verkauf im Weihnachtsgeschäft anzukurbeln. Diese Strategie hatte bisher allerdings kaum Erfolg: Im Fiskaljahr 2012 (bis März 2012) verkaufte Nintendo insgesamt nur 13,5 Millionen 3DS-Geräte und blieb damit deutlich hinter der eigenen Verkaufsprognose von 16 Millionen Geräten zurück.

Konkurrenz durch Smartphones

Vor allem die zunehmende Verbreitung von Smartphones bremst die Nachfrage nach mobilen Spielekonsolen und zugehörigen Spielen. Immer mehr Jugendliche spielen lieber auf dem Handy, als sich zusätzlich eine teure Handheld-Konsole anzuschaffen. Die üblichen Handy-Spiele sind zwar weit weniger komplex als Spiele auf den Nintendo-Konsolen, doch auch deutlich preiswerter oder gar kostenlos zu haben. Daneben macht Nintendo auch die starke Aufwertung des japanischen Yen in den vergangenen Jahren zu schaffen. Durch die starke Währung wird die Produktion im heimischen Japan verteuert. Das wiegt besonders schwer, weil Nintendo stark vom Export abhängig ist und die meisten Produkte in Europa und Nordamerika verkauft. Auslandseinnahmen fallen beim Umrechnen in Yen niedriger aus, wenn der Yen aufwertet. Ein weiteres Problem: Lange Zeit vernachlässigte Nintendo die Schwellenmärkte, die wegen des zunehmenden Wohlstands der dortigen Bevölkerung und der Altersstruktur ein großes Potenzial für Unternehmen wie Nintendo darstellen. Ein eigenes Tochterunternehmen in Südkorea gründete Nintendo erst 2006. In China ist Nintendo aus rechtlichen Gründen nur im Rahmen eines Joint-Ventures vertreten, das von den Heimkonsolen bisher nur die ältere Spielkonsole Nintendo 64 unter einem eigenen Markennamen vertreibt. Die Nachfolgekonsolen GameCube und Wii wurden bisher in China nicht verkauft. Auch deshalb machte Nintendo bisher 90 Prozent seines Geschäfts Europa, Nordamerika und Japan. Nun soll auch die wachsende Mittelschicht in den Schwellenländern stärker in den Fokus des Unternehmens rücken.

Zahlen

Nintendo ist in dem am 31.März beendeten Geschäftsjahr 2011/2012 zum ersten Mal seit dem Börsengang des Unternehmens vor drei Jahrzehnten in die Verlustzone gerutscht. Unter dem Strich machte das Unternehmen einen Verlust von 43,20 Milliarden Yen bzw. 337,86 Yen je Aktie, nach einem Gewinn von 77,62 Milliarden Yen im vorherigen Geschäftsjahr. Verantwortlich für den Ergebnisrückgang war vor allem der kräftige Umsatzeinbruch um 36 Prozent auf 647,65 Milliarden Yen, eine Folge des Absatzeinbruchs sowohl bei der Wii-Hardware als auch bei den Spielen. Auch operativ schrieb Nintendo mit einem Verlust von 37,32 Milliarden Yen rote Zahlen, nachdem im Vorjahr noch ein Gewinn von 171,08 Milliarden Yen verbucht werden könnte.

Der deutliche Gewinnrückgang hat auch die Kassen des Unternehmens in Mitleidenschaft gezogen. Der Zahlungsmittelbestand verringerte sich innerhalb eines Jahres um rund 44 Prozent auf 407,19 Milliarden Yen. Trotz des geringen Kassenbestandes ist die Zukunft des Unternehmens allerdings kaum gefährdet. Denn der Konzern ist vergleichsweise gering verschuldet und weist eine entsprechend hohe Eigenkapitalquote von zuletzt rund 78 Prozent auf. Trotz des Verlustes und des deutlichen Rückgangs der Barmittel will Nintendo für das Geschäftsjahr 2012 eine Dividende von 100 Yen ausschütten. Das entspricht beim derzeitigen Kurs einer mageren Dividendenrendite von rund einem Prozent. Für das laufende Fiskaljahr 2012/13 rechnet Nintendo mit einem Nettogewinn von 20 Milliarden Yen und einem Umsatz von 820 Milliarden Yen.

Hoffnungsträger Wii U

Das Geschäft von Nintendo ist traditionell stark zyklisch geprägt. Neue Spielekonsolen führen meist zu einem kräftigen Umsatz- und Gewinnanstieg – sowohl bei der Hardware als auch bei den zugehörigen Spielen. Das zunehmende Alter der Geräte sorgt dann für einen kräftigen Rückgang bei Erlösen und Ertrag. So sind auch jetzt alle Augen auf die nächste Nintendo-Konsolengeneration gerichtet. Bei der inzwischen sechs Jahre alten Wii-Konsole und der zugehörigen Software gehen die Verkaufszahlen seit 2009 rasant zurück. Das Nachfolgemodell Wii U soll Ende 2012 erscheinen. Einige Online-Händler nehmen bereits Vorbestellungen für das Gerät entgegen, obwohl der offizielle Erscheinungstermin noch nicht feststeht. Sollte die Wii U ähnlich erfolgreich werden wie das Vorgängermodell, dürften Umsatz und Gewinn bei Nintendo wieder kräftig zulegen. Dabei könnte Nintendo auch davon profitieren, dass Microsoft und Sony bisher keine neuen Spielekonsolen angekündigt haben. Microsoft wird die bereits sieben Jahre alte Xbox 360 durch ein Software-Update noch einmal aufmotzen, unter anderem mit einem Webbrowser und einem neuen Musik-Player, der als Konkurrenz zu iTunes von Apple gedacht ist. Frühestens im nächsten Jahr könnte dann eine neue Konsole erscheinen. Sony wird seine PlayStation 4 ebenfalls nicht vor 2013 auf den Markt bringen.

Fazit

Die Nintendo-Aktie ist seit ihrem Hoch im Oktober 2007 um knapp 80 Prozent eingebrochen. Besonders rasant ging es seit Ende 2008 (Geschäftsjahr 2009) nach unten. Seit damals hat sich der Absatz der Konsolen 3DS und Wii deutlich abgeschwächt, was auch zu dem deutlichen Umsatz- und Gewinnrückgang führte.

Analysten erwarten für das Kalenderjahr 2012 im Schnitt einen Gewinn je Aktie von 191 Yen. Das entspricht einem sehr hohen Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 49. Trotzdem könnte die Nintendo-Aktie langfristig ein Schnäppchen sein. Sollte die neue Wii U ein ähnlicher Verkaufserfolg werden wie die früheren Nintendo-Spielekonsolen, dürfte der Gewinn in den kommenden Jahren wieder deutlich anziehen. In den Geschäftsjahren 2008 und 2009, als die jährlichen Verkaufszahlen der Konsolen Wii und DS ihren Höhepunkt erreichten, machte Nintendo einen jährlichen Gewinn je Aktie von rund 2.000 Yen. Sollte der Gewinn des Unternehmens in den kommenden Jahren auch nur auf die Hälfte dieses Betrages steigen, wäre die Aktie mit einem KGV von unter 10 günstig bewertet.

Die bevorstehende Markteinführung der Wii U dürfte Umsatz und Ergebnis wieder beflügeln. Auch wenn der Absatz der Handheld-Konsole 3DS weiter hinter den Erwartungen zurückbleiben sollte, dürfte Nintendo künftig stärker vom riesigen Potential für Videospiele in China und anderen Schwellenländern profitieren, das bisher so gut wie gar nicht genutzt wird. Damit könnte auch die Nintendo-Aktie wieder Aufwärtspotential haben. Die meisten Analysten stufen die Nintendo-Aktie derzeit noch mit einem Hold-Rating ein. Für spekulative Anleger könnte sich aber bereits jetzt ein Einstieg lohnen.

Name: Nintendo
ISIN: JP3756600007
Aktienanzahl: 141,669 Mio
Kurs: 92,39 Euro
Marktkapitalisierung: 13,1 Mrd Euro

Offenlegung gemäß §34b WpHG wegen möglicher Interessenkonflikte: Der Autor ist in den besprochenen Wertpapieren bzw. Basiswerten derzeit nicht investiert

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Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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