Kommentar
15:59 Uhr, 30.05.2011

Facebook Credits - die kommende Weltwährung?

Wenn wir schon von chronischen Krisen altgedienter Währungen umgeben sind macht es vielleicht Sinn, die rasanten Entwicklungen im Alternativbereich zu untersuchen. Ich spreche nicht von Gold oder Silber, die zweifellos eine gigantische Performance gezeigt haben. Ob sie jemals wieder im großen Stil „echte“ Währung werden, ist aber mehr als fraglich.

Wenig Zweifel dagegen kann man am fast schon unglaublichen Erfolg von Facebook haben. Das Social Network kann auf eine Gefolgschaft von sage und schreibe 600 Mio. User blicken. Wenn Sie bedenken, dass „nur“ rund 2 Mrd. Menschen weltweit überhaupt das Internet nutzen, ist die Marktdurchdringung schon gewaltig. Was hat das aber mit Währungen zu tun?

CEO Marc Zuckerberg experimentiert schon seit geraumer Zeit mit einer Alternativwährung im Web. Sie nennt sich „Facebook Credits“ (In Deutschland: Facebook Gutschriften). Sie kaufen diese Credits gegen „harte“ Währung und können dann damit im Facebook-Reich einkaufen. Momentan kann man nur virtuelle Güter wie Schafe oder Aquariumsausrüstung in simplen, aber unfassbar erfolgreichen Spielen wie FarmVille oder Happy Aquarium erwerben. Facebook nimmt dafür bescheidene 30% an Provision. Ab 1. Juli 2011 ist die Implementierung in Social Games Pflicht, dann müssen die Entwickler den Kunden diese Bezahlmöglichkeit einräumen.

30% ist natürlich eine fürstliche Entlohnung, aber hier kann Facebook wie Apple im AppStore argumentieren (die sich ebenfalls 30% herausschneiden): Technische Abwicklung, letztlich kostenlose Werbung, Bereitstellung einer riesigen Kundenschar – das lohnt sich! Und wenn man ein virtuelles Schaf verkauft, dann sind 70% der Summe X immer noch eine Rohertragsmarge von 100%, denn es kostet ja nichts in der Herstellung.
Womit wir beim eigentlich bevorstehenden revolutionären Schritt wären: Facebook goes offline! Warten Sie noch ein paar Jahre, dann werden Sie in ganz normalen Läden handfeste, reale Ware mit Facebook Credits kaufen können. Davor bereits in Onlineshops. Facebook wird dann natürlich die Provision senken – aber mit 5% kann man bei entsprechend vergrößertem Volumen auch herrschaftlich leben. Spätestens dann wird man die Credits tatsächlich als eigene Währung wahrnehmen, und nicht mehr als spezielle Art der Bezahlung mit „normaler“ Währung.

Hat diese Alternativwährung erst mal eine ausreichende Marktdurchdringung erreicht – d.h. kann man damit so ziemlich in allen Waren-Segmenten einkaufen gehen – dann wird Facebook in der Lage sein, einen Schritt zu gehen, der es de facto zu einer supranationalen Online-Zentralbank machen wird. Momentan können und lassen sich die Entwickler ihre erwirtschafteten Credits ja – nach Abzug der 30% - in heute noch realer Währung auszahlen. Irgendwann kommt der Tag an dem das nicht mehr nötig ist, bzw. Facebook selbst das den Unternehmen gar nicht mehr anbietet. Credits werden dann wie andere Währungen einfach auf Plattformen gehandelt. Wenn Facebook selbst dann Credits gar nicht mehr gegen andere Währungen tauscht, dann wird die Parallele zu unseren Papierwährungen und Zentralbanken offensichtlich. Gehen Sie doch mal mit einem 50-Euroschein zur Bundesbank und tauschen ihn ein! Sie kriegen einen 50-Euroschein zurück. Das ist das Wesen ungedeckter Währungen.

Jetzt muss man nur noch einen Schritt weiter denken: Facebook wäre dann in der Position, einfach neues Geld auszugeben, ohne Risiko. Momentan kostet die Gratis-Verteilung von Credits das Unternehmen ja letztlich 70% der Summe, wenn sie dann eingetauscht werden.
Stellen Sie sich vor – wie wäre es mit einem „Grundeinkommen“ für Facebook-User, ausgezahlt in Credits? Lassen Sie Ihre Fantasie spielen. Natürlich würde dieses Instrument in engen Grenzen eingesetzt werden, denn der rapide Vertrauensverlust in die Credits wäre sonst vorprogrammiert (das kommt uns doch bekannt vor, oder?)
Als ich letzte Woche Bilder von Zuckerberg mit Sarkozy und anderen politischen Größen sah, musste ich bei der Bildunterschrift schmunzeln: „Die Mächtigen der Welt hofieren Zuckerberg“. Tatsächlich ist Zuckerberg auf dem besten Weg, die mächtigste Person der Welt zu werden. Nur: Ist das den Entscheidungsträgern überhaupt annähernd bewusst? Die regierende Politiker-Garde entstammt zum Großteil noch der Offline-Generation und hat wenig Gefühl dafür, was gerade passiert.

Es ist völlig klar, dass Facebook schon bald ein Fall für die Bankenaufsicht wird. Denn am Ende wird das Unternehmen genau das – eine riesige Bank mit vielleicht Milliarden von Kunden. Vermutlich wird es die größte Bank aller Zeiten.
Zuckerbergs Imperium wird, wenn es denn an die Börse kommt, meiner Meinung nach das wertvollste Unternehmen, das die Märkte je gesehen haben. Die 50 Mrd., die aktuell außerbörslich aufgerufen werden, sind alles andere als eine Blase. Die Monetarisierung der Mitglieder hat noch gar nicht richtig begonnen, deswegen scheitern gängige Bewertungskriterien kläglich.

Nur die Politik oder eine glaubwürdige Alternative können Facebook stoppen. Unwahrscheinlich, aber unmöglich ist das nicht – auch Facebook kam aus dem Nichts. Und letztlich entscheiden wir alle selber, was wir tun.

Ihr
Daniel Kühn

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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