EZB: Zum Handeln gezwungen
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
London (BoerseGo.de) - Das von der EZB ergriffene Maßnahmenpaket hat es nach Meinung von Tim Stevenson, Fondsmanager des Henderson Horizon Pan European Fund, durchaus in sich und sollte der Konjunktur in der Eurozone einen spürbaren Schubs geben. Die Leitzinssenkung um zehn Basispunkte auf 0,15 Prozent dürfte allerdings wenig Wirkung zeigen. Anders ist es mit den auf -0,10 Prozent gesenkten, nun also erstmals negativen Einlagenzinsen. Diese Maßnahme ist von größerer Überzeugungskraft und dürfte die Banken ermuntern, mehr Geld zu verleihen, wie Stevenson in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.
Noch interessanter sei die massive Geldspritze, die von der EZB auf den Namen „TLTRO“ (Targeted Longer-Term Refinancing Operation) getauft worden sei. Sie solle der Realwirtschaft zugute kommen, also Unternehmen und nicht etwa dem Immobilienmarkt oder den Staatskassen. Zur Erhöhung des Geldumlaufs werde auch die Aussetzung der wöchentlichen Liquiditätsabschöpfung aus ehemaligen Wertpapierkäufen beitragen. Allein durch diese Entscheidung dürften rund 165 Milliarden Euro zusätzlich ins System gepumpt werden. Weitere Schritte seien unter anderem die Verlängerung der Vollzuteilung im Geschäft mit den Banken und Fortschritte auf dem Weg zu einem Aufkaufprogramm für forderungsbesicherte Wertpapiere, heißt es weiter.
Das ganze Bündel von Maßnahmen sei unternehmensfreundlich. Weniger gut dürften die Zinssenkungen indessen bei den deutschen Privathaushalten ankommen. Sie hätten bekanntlich einen großen Teil ihres Vermögens auf Sparkonten angelegt und würden demnächst fast gar keine Zinsen mehr kassieren. Zur Beschwichtigung der Deutschen heiße es, ein billigerer Euro – im Vorfeld der erwarteten EZB-Entscheidung habe die Einheitswährung zuletzt bereits unter Druck gestanden – bedeute Rückenwind für die deutsche Exportwirtschaft. Etwas Trost werde Deutschland wohl auch spenden, dass Draghi die Notwendigkeit weiterer Strukturreformen hervorgehoben und darauf hingewiesen habe, dass bisher noch keineswegs genug erreicht sei. Die Geldpolitik könne das Wachstum nicht im Alleingang anschieben, so der Fondsmanager weiter.
„Das eigentliche Risiko sehe ich unterdessen darin, dass die Konjunktur wegen der demographischen Situation und der allgemein vorsichtigen Haltung von Unternehmen und Verbrauchern weiter auf Sparflamme läuft…Die Maßnahmen der EZB sind hilfreich, aber wie ein Sprichwort sagt: „Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen. Man kann sie aber nicht zwingen, das Wasser zu saufen.“ Es bleibt abzuwarten, ob die Politik von Zuckerbrot und Peitsche die Kreditvergabe tatsächlich ankurbeln und das Tempo der wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone beschleunigen wird. Fest steht, dass Notenbankchef Mario Draghi keine Sekunde zögern würde, nötigenfalls weitere Schritte zu unternehmen. Nach seinen Worten ist die EZB mit ihren Möglichkeiten „noch nicht am Ende“, sollte die Wirtschaft in der Eurozone auf das jüngste Maßnahmenbündel nicht wie gewünscht reagieren.
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.