Fundamentale Nachricht
12:34 Uhr, 10.06.2014

EZB: Zum Handeln gezwungen

Das Risiko der EZB-Maßnahmen besteht Tim Stevenson, Fondsmanager des Henderson Horizon Pan European Fund, zufolge darin, dass die Konjunktur weiter auf Sparflamme läuft.

London (BoerseGo.de) - Das von der EZB ergriffene Maßnahmenpaket hat es nach Meinung von Tim Stevenson, Fondsmanager des Henderson Horizon Pan European Fund, durchaus in sich und sollte der Konjunktur in der Eurozone einen spürbaren Schubs geben. Die Leitzinssenkung um zehn Basispunkte auf 0,15 Prozent dürfte allerdings wenig Wirkung zeigen. Anders ist es mit den auf -0,10 Prozent gesenkten, nun also erstmals negativen Einlagenzinsen. Diese Maßnahme ist von größerer Überzeugungskraft und dürfte die Banken ermuntern, mehr Geld zu verleihen, wie Stevenson in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Noch interessanter sei die massive Geldspritze, die von der EZB auf den Namen „TLTRO“ (Targeted Longer-Term Refinancing Operation) getauft worden sei. Sie solle der Realwirtschaft zugute kommen, also Unternehmen und nicht etwa dem Immobilienmarkt oder den Staatskassen. Zur Erhöhung des Geldumlaufs werde auch die Aussetzung der wöchentlichen Liquiditätsabschöpfung aus ehemaligen Wertpapierkäufen beitragen. Allein durch diese Entscheidung dürften rund 165 Milliarden Euro zusätzlich ins System gepumpt werden. Weitere Schritte seien unter anderem die Verlängerung der Vollzuteilung im Geschäft mit den Banken und Fortschritte auf dem Weg zu einem Aufkaufprogramm für forderungsbesicherte Wertpapiere, heißt es weiter.

Das ganze Bündel von Maßnahmen sei unternehmensfreundlich. Weniger gut dürften die Zinssenkungen indessen bei den deutschen Privathaushalten ankommen. Sie hätten bekanntlich einen großen Teil ihres Vermögens auf Sparkonten angelegt und würden demnächst fast gar keine Zinsen mehr kassieren. Zur Beschwichtigung der Deutschen heiße es, ein billigerer Euro – im Vorfeld der erwarteten EZB-Entscheidung habe die Einheitswährung zuletzt bereits unter Druck gestanden – bedeute Rückenwind für die deutsche Exportwirtschaft. Etwas Trost werde Deutschland wohl auch spenden, dass Draghi die Notwendigkeit weiterer Strukturreformen hervorgehoben und darauf hingewiesen habe, dass bisher noch keineswegs genug erreicht sei. Die Geldpolitik könne das Wachstum nicht im Alleingang anschieben, so der Fondsmanager weiter.

„Das eigentliche Risiko sehe ich unterdessen darin, dass die Konjunktur wegen der demographischen Situation und der allgemein vorsichtigen Haltung von Unternehmen und Verbrauchern weiter auf Sparflamme läuft…Die Maßnahmen der EZB sind hilfreich, aber wie ein Sprichwort sagt: „Man kann die Pferde zwar zur Tränke führen. Man kann sie aber nicht zwingen, das Wasser zu saufen.“ Es bleibt abzuwarten, ob die Politik von Zuckerbrot und Peitsche die Kreditvergabe tatsächlich ankurbeln und das Tempo der wirtschaftlichen Erholung in der Eurozone beschleunigen wird. Fest steht, dass Notenbankchef Mario Draghi keine Sekunde zögern würde, nötigenfalls weitere Schritte zu unternehmen. Nach seinen Worten ist die EZB mit ihren Möglichkeiten „noch nicht am Ende“, sollte die Wirtschaft in der Eurozone auf das jüngste Maßnahmenbündel nicht wie gewünscht reagieren.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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