Kommentar
10:07 Uhr, 04.06.2014

EZB-Zinsentscheid: Was erwartet uns morgen?

Die EZB hat sich selber in die Lage gebracht, “handeln” zu müssen, nachdem wir uns im Jahr 6 nach Ausbruch der Finanzkrise befinden und eigentlich endlich mal wieder so etwas wie Normalität einkehren sollte.

Erwähnte Instrumente

Dies ist ganz offensichtlich nicht der Fall. Nach unendlich lang wirkendem, nahezu täglichem Beschwören der Risiken von Deflation bzw niedriger Inflation ("Lowflation") ist es zwar sicher nicht gelungen, den Konsumenten davon zu überzeugen, dass gering steigende Preise ein Problem sein sollen. Weil die EZB aber alles unter 2% p.a. als gefährlich ansieht oder dies zumindest behauptet, wird es morgen ein Bündel an Maßnahmen geben, die vor allem ein Endziel haben: Die Inflationsrate nach oben zu pushen.

Wenn Sie sich darüber ärgern, dass Ihnen “von oben” jemand erzählen will, dass nur eine Welt ständig deutlich steigender Preise eine gute Welt ist, dann sind Sie nicht allein. Allerdings bringt es nichts, sich darüber aufzuregen. Wir können die Notenbänker leider nicht abwählen…

Das Ziel einer höheren Inflation kann mit Geldpolitik alleine nur begrenzt erreicht werden. Bei Vermögenswerten “funktioniert” dies tadellos, wie man an der Immobilienpreis-Entwicklung in Deutschland beobachten kann. Auch die Aktienkurse steigen seit Jahren. Gerade diese Faktoren, die für den realen Wert des Geldes eigentlich viel wichtiger sind als der Preis eines Fernsehers oder von 100g Butter, werden von der offiziellen Inflationsrate leider gar nicht erfasst.

Auf dem Weg zu höherer Inflation bei den Konsumgütern kann unter anderem ein niedrigerer Euro-Kurs helfen, da er Importe verteuert. Diesen zu drücken, dürfte ein Hauptziel der kommenden EZB-Maßnahmen sein.

Was erwartet uns morgen?

- Leitzinssenkung von extrem niedrigen 0,25% auf lächerlich niedrige 0,1%

Wahrscheinlichkeit: sehr hoch

Wirksamkeit: sehr niedrig

Die Leitzinsen sind schon so niedrig, dass eine weitere Senkung kaum Auswirkungen haben kann.

- “Strafzins” von 0,1% für Guthaben von Geschäftsbanken bei der EZB

Wahrscheinlichkeit: sehr hoch

Wirksamkeit: sehr niedrig

Damit soll erreicht werden, dass Banken keine Überschussliquidität vorrätig halten, sondern mehr Kredite vergeben. Es wird aber womöglich verkannt, was die wahren Gründe für die schwache Kreditvergabe sind. Zum Beispiel, dass es einfach wenig Nachfrage gibt.

- LTRO (Long Term Refinancing Operation)-Programm mit “Mittelbindung”. Die Banken müssen sich dann verpflichten, in entsprechendem Umfang Kredite zu vergeben.

Wahrscheinlichkeit: mittel

Wirksamkeit: niedrig

Es könnte sein, dass Banken dieses Angebot in Anspruch nehmen, daraus aber keine Zusatz-Kreditvergabe resultiert, sondern die Mitteln aus den LTROs einfach für die ohnehin schon geplante Kreditvergabe genutzt werden.

- “Quantitative Easing

Wahrscheinlichkeit: mittel

Wirksamkeit: mittel

Anleihekaufprogramme in großem Stil, das würden sich viele im EZB-Rat wünschen. Es sind vor allem rechtliche Hürden, die den von hochverschuldeten Krisenstaaten dominierten Rat daran hindern, einfach massenhaft europäische Staatsanleihen zu kaufen. Das Mandat der EZB gibt das eigentlich nicht her.
Eine weitere Option wäre das Aufkaufen von Unternehmensanleihen.

Und eine dritte Möglichkeit bestände darin, nicht europäische, sondern US_Anleihen zu kaufen. Dies würde sich direkt negatv auf den Euro-Kurs auswirken.

Die Erwartungen im Markt sind hoch, und die Wahrscheinlichkeit dass die EZB diese “enttäuscht” auch.

Es ist gefährlich und überhaupt nicht marktwirtschaftlich, in welchem Ausmaß die Zentralbanken zu Zinsfestsetzungs - und Preislenkungsbehörden geworden sind. Wie insbesondere die EZB in angemesser Zeit wieder zu einer “Normalität” finden will, ist überhaupt nicht ersichtlich. Tatsächlich ist es sehr wahrscheinlich, dass der Krisenmodus in Europas Geldpoltik noch lange weiterlaufen wird, nachdem die Preissteigerungsraten wieder deutlich nach oben gezogen haben. Eine Begründung dafür zu finden ist leicht, wenn man so tickt wie die Herren in Frankfurts Nobeltower: Wenn die Inflation so lange unter dem Zielwert von 2% lag, kann man sie auch eine Weile darüber halten...

Daniel Kühn

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6 Kommentare

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  • lupo50
    lupo50

    Klar und deutlich formuliert - die Konsequenzen daraus sollten für jeden Trader ersichtlich sein, Grüße L.

    18:26 Uhr, 04.06.2014
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Vor 2008 war klar: Politische Börsen haben kurze Beine, heute gilt das krasse Gegenteil. Die Marktteilnehmer starren wie das Kaninchen auf die Schlange in Richtung EZB-Tower. Ich frage mich nur, wie lange den Zentralbankbürokraten noch dieser maximale Einfluss auf die Märkte erhalten bleibt.

    11:25 Uhr, 04.06.2014
  • Thomas Gansneder
    Thomas Gansneder Redakteur

    Ich denke nicht, dass die EZB einen schwächeren Euro anstrebt, um damit durch steigende Importpreise eine höhere Inflation zu erzeugen. Ein schwächerer Euro soll die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen - also die Exporte ankurbeln.

    Die EZB versucht m.E. die Inflation anzuheizen, damit die Schulden real abwerten. Wenn die Preise stärker steigen, steigt auch das BIP schneller, was sich positiv auf die Verschuldungsquote gemessen am BIP auswirkt. Bei der Berechnung des BIP werden die Importe jedoch abgezogen. Steigende Importpreise haben daher keine positiven Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung - im Gegenteil. Den Verbrauchern bleibt für inländische Güter und Dienstleistungen sogar weniger Geld übrig, da sie einen höheren Betrag für importierte Güter aufwenden müssen. Höhere Importpreise haben daher tendenziell einen negativen Effekt auf das BIP.

    10:52 Uhr, 04.06.2014
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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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