Kommentar
08:16 Uhr, 19.11.2019

EZB will sich öffnen: Bald nicht mehr nur Banken mit Konto bei der Zentralbank?

Bisher haben nur Banken Zugang zur EZB Bilanz. Das könnte sich jedoch bald schon ändern. Was bedeutet das?

Eher beifällig erwähnte Benoît Cœuré, Direktoriumsmitglied der EZB, dass die EZB ihre Bilanz eventuell für mehrere Akteure öffnen müsse. Bisher macht die EZB Geschäfte mit Banken. Zukünftig könnten auch Pensionsfonds und Versicherungen dazugehören. Diese haben ihrerseits große Bilanzen und können den Finanzmarkt beeinflussen.

Begonnen hat alles mit einer eher technischen Änderung. Bis Anfang Oktober gab es für ungesicherte Geschäfte vor allem eine Benchmark: den EONIA (Euro Overnight Index Average). Der EONIA ist der Zinssatz, zu dem sich Banken untereinander für einen Tag Geld leihen.

Diese Benchmark wurde nun durch den ESTR ersetzt (Euro-Short Term Rate). Wie die Grafik zeigt, sind beide Sätze, EONIA und ESTR, relativ ähnlich. ESTR liegt etwas tiefer als der EONIA. Die Bewegungen sind allerdings die gleichen. Beide Sätze verlaufen parallel. Wo liegt also das Problem?

Der Teufel steckt im Detail. Der EONIA misst den Zinssatz unter Banken. Der ESTR misst den Zinssatz aller Gegenparteien. Zuvor handelte es sich um einen Zinssatz zwischen Banken. Jetzt fließen auch Zinssätze in der Berechnung mit ein, die z.B. eine Bank einer Versicherung berechnet. Das erweitert das Spektrum erheblich.

Einerseits ist das positiv. Mehr Datenpunkte führen zu einer robusteren Grundlage. Zudem besteht der Zinsmarkt nicht nur aus Banken, sondern auch anderen Akteuren. Andererseits haben andere Akteure wie Versicherungen keinen Zugang zur EZB Bilanz. Das kann im Einzelfall zu Verzerrungen führen.

Banken haben Zugang zur EZB Bilanz. Bevor sie Geld zu einem tieferen Zinssatz als den Einlagensatz verleihen, legen sie das Geld lieber auf das Einlagenkonto der EZB. Eine Versicherung kann das nicht. Möchte eine Versicherung ihr Geld anlegen und kann das z.B. nur zu einem Zinssatz tun, der unterhalb des Einlagensatzes liegt (der Zins für kurzfristige Anleihen liegt unterhalb des Einlagensatzes), könnten Versicherungen Geld zu einem Zins verleihen, der eben unterhalb des Einlagensatzes liegt.

Der ESTR würde dann unter das von der EZB gewünschte Niveau fallen. Um das zu verhindern, muss Akteuren wie Versicherungen die EZB Bilanz offenstehen. Keiner verleiht gerne Geld zu negativen Zinsen. Ist der Zins wenigstens beim Einlagensatz gedeckelt, ist es unwahrscheinlich, dass der Zins unter das von der EZB gewünschte Niveau fällt.

Um das zu gewährleisten, müssen Finanzmarktteilnehmer wie Versicherungen aber die Möglichkeit haben, ihr Geld bei der EZB zu parken. Diese Möglichkeit besteht derzeit nicht. Daher überlegt die EZB, ihre Bilanz zu öffnen.

Aktuell steht nur im Raum, die Bilanz für Einlagen zu öffnen. Das ist eigentlich ziemlich unspektakulär, garantiert aber, dass die EZB nicht die Kontrolle über die Zinsen verliert. Langfristig könnte das der erste Schritt zu mehr sein. Dabei würden dann Teilnehmer auch Zugang direkt zu Zentralbankgeld erhalten. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch Zukunftsmusik.

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4 Kommentare

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  • Dragoslav
    Dragoslav

    Ich will auch eins.

    20:27 Uhr, 19.11.2019
    1 Antwort anzeigen
  • BB Utz
    BB Utz

    Irgendwann wird er Recht bekommen wenn er bis dahin nicht pleite ist😉

    16:03 Uhr, 19.11.2019
  • tourguide
    tourguide

    Dann brauchen wir ja bald keine andere Bank mehr!

    12:28 Uhr, 19.11.2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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