Kommentar
08:48 Uhr, 05.12.2006

EZB vor weiteren Zinserhöhungen

1. EZB-Kompass: Der bei 50 Punkten neutrale EZB-Kompass blieb im November bei 68,0 Punkten. Leicht niedrigere Werte der monetären Säule (95,1 nach 95,9 Punkten) wurden durch höhere Werte der wirtschaftlichen Säule (58,9 nach 58,7 Punkten) ausgeglichen. Dank des insgesamt stabilen Konjunkturbildes erwarten wir bei beiden Säulen nur noch geringe Rückgänge auf Sechsmonatssicht. Daher ist auch im ersten Halbjahr 2007 mit Zinserhöhungen zu rechnen. Wir prognostizieren neben dieser Woche Zinserhöhungen im März und Juni auf 4,0 %. Mit Rücksicht auf den Wechselkurs sollte dieses Niveau bis 2008 beibehalten werden, wenngleich wir unser Prognoserisiko in einer weiteren Zinserhöhung im zweiten Halbjahr 2007 sehen.

2. Mit wie viel Schwung die Wirtschaft Eurolands in das neue Jahr geht, lässt sich am besten am Economic Sentiment und dem Outputgap ablesen, die als Bestandteile des EZB-Kompass in den letzten Jahren einen hohen Gleichlauf mit der Entwicklung des Refi-Satzes aufwiesen. Das Economic Sentiment signalisiert die Stärke der aktuellen Dynamik lediglich mit 1999 und 2000 zu vergleichen ist. Der Outputgap zeigt eine Normalauslastung der volkswirtschaftlichen Kapazitäten an. In diesem Umfeld wären ansteigende Lohnkosten nicht ungewöhnlich. Derzeit bleiben die Lohnstückkosten mit 0,2 % yoy noch niedrig. Angesichts von Inflationsraten, die nun seit 2000 im Jahresdurchschnitt die Zielmarke der EZB verfehlt haben, darf die EZB niedrige Inflationserwartungen und dadurch niedrige Lohnabschlüsse aber nicht als selbstverständlich hinnehmen.

3. Staffprojektionen: Die EZB wird auf der Sitzung am Donnerstag ihre neuen „Staffprojektionen“ vorstellen, die erstmals auch 2008 beinhalten und die EU-13 umfassen werden. Im September lagen die BIPProjektionen für 2006 und 2007 im Durchschnitt bei 2,5 % und 2,1 % und die Inflationsprojektionen bei jeweils 2,4 %. Für das BIP erwarten wir nun Projektionen von 2,7 % für dieses und 2,1 % jeweils 2007 und 2008. Zum Vergleich: Unsere Prognosen weichen nur für 2007 davon ab, für das wir mit einer Wachstumsprognose von 1,9 % etwas pessimistischer sind. Bezüglich der Inflation erwarten wir, dass die EZB ihre bislang sehr pessimistischen Prognosen auf die von uns erwarteten Niveaus von 2,2 % für dieses und 2,1 % für nächstes Jahr senkt. Erst für 2008 dürfte sie mit 1,9 % eine Inflationsrate innerhalb ihres Ziels prognostizieren.

4. Leitzinsprognose: Die von uns erwarteten Leitzinserhöhungen auf 4,0 % sind rund 25 Bp mehr als derzeit am Geldmarkt eingepreist sind. Insbesondere die voraussichtlich niedrigeren Inflationsprojektionen werden häufig als Argument gegen weitere Zinserhöhungen angeführt. Aber auch wenn die Inflationsprojektion auf 2,1 % für 2007 heruntergenommen wird, erreicht die EZB nicht ihre Inflationsnorm von unter 2,0 %. Diese Norm beinhalte alle Steuererhöhungen, sodass auch die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland nicht als Entschuldigung für eine Zielverletzung herhalten kann. Ein weiteres Argument gegen weitere Leitzinserhöhungen könnte ein starker Anstieg des Euro sein. Tatsächlich zeigt u.a. Schaubild, dass ein Anstieg des realen Außenwertes eher mit fallenden Leitzinsen einherging, während steigende Leitzinsen eher in der Zeit der Euroschwäche zu finden waren. Am aktuellen Rand würden weitere Leitzinserhöhungen zu einem noch stärkeren Auseinanderdriften der beiden dargestellten Zeitreihen führen. Angesichts der guten konjunkturellen Daten kann dies aber noch nicht gegen Zinserhöhungen sprechen. Betrachtet man nicht in erster Linie die aktuell sehr hohe Dynamik ggü. dem US-Dollar, sondern den (handelsgewichteten) Außenwert ergibt sich seit dem Zwischentief von Mitte Oktober lediglich ein Anstieg um 2 %. Auch der Anstieg seit Jahresbeginn um 3,5 % ist noch nicht Besorgnis erregend.

Wir erwarten daher, dass Präsident Trichet auch auf die sicherlich kommenden Anfragen, den Wechselkurs auf der Pressekonferenz nicht thematisieren wird. Stattdessen sollte er sich verbale Interventionen für stärkere Aufwertungen aufheben. Ein zu frühes Einschreiten gegen eine Euro-Aufwertung würde ihn bei einem weiteren Anstieg unglaubwürdig machen. Die Waffe der verbalen Intervention ist in erster Linie psychologischer Natur. Sie verliert ihre Kraft, wenn der Markt die Ohnmacht der EZB spürt. Präsident Trichet wird dies vor einem Euro-Anstieg auf 1,40 USD nicht riskieren.

Quelle: DekaBank

Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.

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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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