EZB hält sich die Tür für weitere Maßnahmen offen
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Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am 5. Juni ein solides Paket geldpolitischer Maßnahmen beschlossen und versprach weitere, sofern diese erforderlich werden sollten um eine Deflation abzuwenden und die nach wie vor anfällige Konjunkturerholung in der Eurozone zu stützen. Zu den angekündigten Maßnahmen zählt auch eine weitere Zinssenkung, einschließlich eines Negativzins auf Bankguthaben bei der EZB und neue Mechanismen zur Förderung der Kreditvergabe an kleinere Unternehmen. Die EZB signalisierte auch das Ende der kompensierenden - oder „sterilisierenden“ - Ankäufe von Anleihen unter ihrem Securities Markets Programm. Wir fragten David Zahn, Head of European Fixed Income der Franklin Templeton Fixed Income Group®, was diese neuesten Maßnahmen seiner Meinung nach für Anleger bedeuten.
Was ist Ihrer Meinung nach in dieser jüngsten EZB-Meldung am hervorstechendsten?
Was mir direkt ins Auge fällt, ist das Bestreben der EZB, ihre äußerst lockere Geldpolitik fortführen zu wollen. Das war eine große Überraschung für die Märkte. Die genauen Einzelheiten der Ankündigung sind da meiner Meinung nach eher zweitrangig. Man hatte nicht erwartet, dass die EZB so aggressiv vorgehen würde. Einige Marktteilnehmer hatten quantitative Lockerungsmaßnahmen erwartet - ein Programm, bei dem gezielt bestimmte Finanztitel angekauft werden. Ich dachte aber nicht, dass dies so schnell geschehen würde. Dennoch glaube ich, wir sind noch nicht am Ziel. Es können immer noch Maßnahmen unterschiedlicher Art folgen, was zu einer möglichen geldpolitischen Lockerung gegen Ende dieses Jahres oder zu Beginn des nächsten Jahres führen könnte
Welche der Ankündigungen wirken sich am stärksten auf Anleger aus?
Ich denke, die geplanten gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte - auf Englisch „Targeted Longer-Term Refinancing Operations“ oder TLTROs -, die es Banken ermöglichen sollen, Geld zu ultraniedrigen Zinsen von der EZB zu leihen, werden das größte Interesse finden. Denn sie geben Banken die Möglichkeit, über einen längeren Zeitraum hinweg - vier Jahre - Geld günstig zu leihen. Die EZB hat außerdem wieder einmal bestätigt, sie werde in Zukunft auch andere quantitative Maßnahmen und nicht nur Zinssenkungen in Erwägung ziehen. Sie gab an, sie werde mehr tun, falls die Wirtschaftsdaten sich auch weiterhin nicht bessern würden.
Wie wurden die Ankündigungen bisher in den Märkten aufgenommen?
Die EZB vermittelte die Zinssenkung meiner Meinung nach recht gut. Den TLTROs wurde ein angemessener Zeitrahmen gewährt. Bei den Versuchen in der Vergangenheit war er zu kurz, das führte zu anderen Problemen. Ich denke, der Markt hat die Ankündigungen eher als Beleg für den lockeren, geldpolitischen Ansatz der EZB aufgefasst. Wir haben auch den Eindruck, EZB-Präsident Mario Draghi klang in seiner Rede eher einer lockeren Geldpolitik zugewandt. Ich denke, insgesamt ist das äußerst positiv für europäische Anleihen. Ich denke aber auch, es kann noch mehr getan werden. Und er hat die Tür dafür weit offen gelassen.
Was halten Sie von dem Ansatz?
Wir denken, die EZB dreht an verschiedenen Schrauben. Eine der wichtigeren davon ist, die Kreditvergabe durch die Banken anzukurbeln. Ich denke, das ist wichtig. Denn wenn die Kreditvergabe läuft, trägt das zum Wachstum bei. Mir gefällt es, dass Draghi nicht versucht hat, den Erfolg der EZB auf einer einzigen Strategie aufzubauen. Er hat für verschiedene Möglichkeiten zur Generierung von Liquidität gesorgt. Die EZB wird jetzt wahrscheinlich abwarten, um zu sehen, was am besten funktioniert, um dann mehr davon zu tun. Oder sie versucht etwas anderes. Wir sehen Belege dafür, dass die EZB Verschiedenes versucht, um die Liquidität zu erhöhen. Sie ist bemüht, die Inflation in der Eurozone anzukurbeln.
Erzählen Sie uns etwas über den angekündigten negativen Einlagezins der EZB.
Ich denke, das ist eher symbolischer Art. Das betrifft nur die überschüssigen Rücklagen der Banken. Ich denke daher nicht, dass dies einen großen Einfluss auf den Markt haben wird. Ich denke, dieser Schritt soll viel mehr die weiterhin lockere Geldpolitik der EZB verdeutlichen.
Wie wird sich dies außerhalb der Eurozone niederschlagen?
Die Maßnahme der EZB zeigt, dass die Notenbanken in verschiedenen Teilen der Welt sich in äußerst unterschiedlichen Phasen des Konjunkturzyklus befinden. In Europa ist die EZB ganz eindeutig immer noch dabei die Geldpolitik zu lockern und wird dies unserer Meinung nach auch noch einige Jahre lang tun. In Japan verfolgt die Notenbank ebenfalls eine absolut lockere Geldpolitik und druckt Geld. Die USA beginnen nun aber das Volumen ihrer lockeren Geldpolitik zu reduzieren. Global betrachtet bedeutet das, es wird der Welt mehr Liquidität zugeführt als in der Vergangenheit. Ich denke, im Allgemeinen wirkt das auf die Preise für Anlagegüter recht unterstützend.
Welchen potenziellen Wert stellt dies für Anleger dar?
Ich denke, Anleger sollten sich generell europäische Werte anschauen, denn wie es scheint werden sich die lockeren geldpolitischen Maßnahmen weiter fortsetzen. Mein Schwerpunkt ist natürlich der Anleihenmarkt. Und ich denke, dort lässt sich Wert finden. Ich denke aber, es gibt auch andere Bereiche, die potenziell Wert bieten. In diesem Klima gehe ich davon aus, dass das, was einige als „Risikowerte“ sehen oder kategorisieren, wie High Yield Unternehmensanleihen oder Aktien, sich möglicherweise besser entwickeln könnte, als dies der Fall wäre, wenn die EZB diese Maßnahmen nicht ergreifen würde.
Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft der Märkte und der EZB aus?
Die wahrscheinlichste Möglichkeit ist unserer Meinung nach eine absolut lockere Geldpolitik und der Ankauf von Anleihen. Ich denke, das liegt noch vor uns. Draghi hat klargestellt, dies liege für die EZB im Rahmen des Möglichen und man könne es langfristig ins Auge fassen. Ich denke, er macht das ausgezeichnet. Er lässt den Markt einen großen Teil der Arbeit für sich tun, denn die Renditen gehen zurück und diese jüngsten Maßnahmen werden wahrscheinlich für eine Fortsetzung dieses Trends sorgen.
Wir glauben, Draghi hat signalisiert, dass die Zinsen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr weiter fallen werden. In der Vergangenheit hatte er geäußert, die Zinsen könnten weiter sinken. Dieses Mal sagte er aber bloß, sie würden niedrig bleiben. Er hat klargestellt, die EZB werde andere unkonventionelle Maßnahmen ergreifen, falls dies aufgrund der Wirtschaftsdaten erforderlich werden sollte. Dies insbesondere falls die Inflations- und Wachstumsprognosen nach unten korrigiert werden müssen.
Was uns betrifft, versuchen wir in dieser Art Klima Wertpapiere zu finden, die höhere Renditen erzielen. Wir suchen daher weiterhin unter den stärker verschuldeten und weniger wohlhabenden Mitgliedsstaaten der Eurozone - der sogenannten Peripherie der Eurozone - nach relativem Wert. Spanien und Italien sind die beiden größten dieser Länder.
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