Kommentar
14:21 Uhr, 21.07.2022

EZB erhöht Leitzins um 50 Basispunkte und beschließt neues Anleiheninstrument

Angesichts der rekordhohen Inflation hebt die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins stärker als erwartet an. Es handelt sich um die erste Zinserhöhung seit dem Jahr 2011. Außerdem genehmigte die EZB ein neues Instrument, um ein zu starkes Auseinanderlaufen der Anleiherenditen in der Eurozone zu verhindern.

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Im Kampf gegen die hohe Inflation in der Eurozone strafft die EZB die Geldpolitik stärker als erwartet. Sowohl der Leitzins als auch der Einlagensatz für Banken und der sogenannten Spitzenrefinanzierungszins werden um 50 Basispunkte (0,50 Prozentpunkte) angehoben, wie die EZB am Donnerstag im Rahmen ihres Zinsentscheids mitteilte. Die Märkte hatten nur mit einer Erhöhung um 25 Basispunkte gerechnet, nachdem die EZB einen solchen kleineren Zinsschritt selbst wiederholt angedeutet hatte.

Der Leitzins (Hauptrefinanzierungszins) steigt damit von 0,00 Prozent auf 0,50 Prozent. Der Einlagensatz für die Banken erhöht sich von minus 0,50 Prozent auf 0,00 Prozentpunkte, womit die Ära der Negativzinsen in der Eurozone bzw. der Strafzinsen für die Banken beendet ist. Der weniger wichtige Spitzenrefinanzierungszins wird von 0,25 Prozent auf 0,75 Prozent angehoben.

Bei künftigen EZB-Zinsentscheiden werde "eine weitere Normalisierung der Zinssätze angemessen sein", heißt es im Statement zum Zinsentscheid. Die Entscheidung über die Stärke der Zinserhöhungen werde dabei "von Sitzung zu Sitzung" gefasst, nachdem der Ausstieg aus den Negativzinsen auf den heutigen Zinsentscheid vorgezogen wurde. "Der künftige Leitzinspfad des EZB-Rats wird weiterhin von der Datenlage abhängen und dazu beitragen, dass das Inflationsziel des EZB-Rats von 2 % auf mittlere Sicht erreicht wird. Im Zusammenhang mit der Normalisierung seiner Geldpolitik wird der EZB-Rat Optionen für die Verzinsung von Überschussliquidität prüfen", erläuterte die EZB weiter.

Der EZB-Rat hat im Rahmen der heutigen Sitzung außerdem ein sogenanntes "Instrument zur Absicherung der Transmission" der Geldpolitik ("Transmission Protection Instrument – TPI") genehmigt, mit dem ein zu starkes Auseinanderlaufen der Anleiherenditen verhindert werden soll. Im Rahmen dieses Programms kann die EZB weiterhin Anleihen der Krisenstaaten kaufen. "Der Umfang von Ankäufen im Rahmen des TPI hängt von der Schwere der Risiken für die geldpolitische Transmission ab. Die Ankäufe sind nicht von vornherein beschränkt", erläuterte die EZB. Die bereits genutzte Flexibilität bei der Wiederanlage der Tilgungsbeträge fällig werdender Wertpapiere im Rahmen des beendeten Anleihenkaufprogramms PEPP solle aber "die erste Verteidigungslinie" bleiben, "um pandemiebedingten Risiken für den geldpolitischen Transmissionsmechanismus entgegenzuwirken". Technische Details zum neuen TPI-Programm wird die EZB um 15.45 Uhr veröffentlichen.

"Nach Einschätzung des EZB-Rats ist die Einrichtung des TPI erforderlich, um die effektive Transmission der Geldpolitik zu unterstützen", heißt es im Statement zum Zinsentscheid. "Während der EZB-Rat die Normalisierung seiner Geldpolitik fortsetzt, wird das TPI sicherstellen, dass die Transmission des geldpolitischen Kurses in allen Ländern des Euroraums reibungslos erfolgt. Die Einheitlichkeit der Geldpolitik des EZB-Rats ist eine Voraussetzung dafür, dass die EZB ihr Preisstabilitätsmandat erfüllen kann."

Eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte war erwartet worden, nachdem die EZB einen solchen Zinsschritt für heute wiederholt selbst angedeutet hatte. In den vergangenen Tagen hatten aber bereits Spekulationen die Runde gemacht, dass die EZB heute die Zinsen gleich um 50 Basispunkte anheben könnte, nachdem jüngste Daten keine Entspannung an der Inflationsfront gezeigt hatten. "Der EZB-Rat gelangte zu der Einschätzung, dass im Zuge seiner Leitzinsnormalisierung ein größerer erster Schritt angemessen ist als auf seiner letzten Sitzung signalisiert", heißt es im Statement zum Zinsentscheid. "Dieser Beschluss basiert auf der aktualisierten Beurteilung der Inflationsrisiken durch den EZB-Rat sowie auf der verstärkten Unterstützung einer effektiven Transmission der Geldpolitik durch das TPI. Der Beschluss unterstützt die Rückkehr der Inflation auf das mittelfristige Ziel des EZB-Rats, indem er die Verankerung der Inflationserwartungen stärkt und dafür sorgt, dass sich die Nachfragebedingungen so anpassen, dass dieses Inflationsziel auf mittlere Sicht erreicht wird."

Im Juni war die Inflationsrate in der Eurozone auf 8,6 Prozent und damit auf den höchsten Stand seit Bestehen der Währungsunion geklettert. Bereits seit rund einem Jahr liegt die Teuerung über dem EZB-Ziel von zwei Prozent. Trotzdem hat die EZB ihre Geldpolitik bisher nur zögerlich gestrafft. Kritiker werfen der EZB vor, viel zu spät auf die hohe Inflation reagiert zu haben.

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Um 14.45 Uhr beginnt die Pressekonferenz mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Updates finden Sie dann an dieser Stelle. Seit heute finden Zinsentscheid und Pressekonferenz zu veränderten Zeiten (14:15 Uhr Zinsentscheid und 14:45 Uhr Pressekonferenz) statt. Die EZB-Pressekonferenz kann live bei Youtube verfolgt werden.

Updates von der Pressekonferenz: Auf der Pressekonferenz sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde, dass die heutigen Beschlüsse dazu beitragen würden, das EZB-Inflationsziel von zwei Prozent mittelfristig wieder zu erreichen. Ein größerer erster Zinsschritt als eigentlich angekündigt sei notwendig gewesen. Auch eine weitere Normalisierung der Geldpolitik werde notwendig sein. Der künftige Zinspfad sei dabei datenabhängig. Die bisherige Forward Guidance gelte nicht mehr, stattdessen werde man von Meeting zu Meeting über die Stärke der Zinserhöhungen entscheiden. Lagarde betonte, dass die Anleihenkäufe im Rahmen des neuen TPI von konkreten Risiken abhänge und die Käufe im Vorfeld (ex ante) grundsätzlich nicht begrenzt seien. Die Wirtschaft in der Eurozone schwäche sich aktuell ab. Einige Lieferengpässe verminderten sich. Corona-Öffnungen unterstützten die wirtschaftliche Erholung. Die Energiepreise dürften zunächst hoch bleiben, während sich die Inflation in immer mehr Bereiche ausbreite. Die Inflation werde zunächst hoch bleiben, wozu auch die Euro-Abwertung beitrage, sagte Lagarde.

Über die Aktivierung des TPI-Programms werde die EZB eigenständig entscheiden, wobei Einschätzungen von Institutionen wie der EU-Kommission und dem IWF aber miteinbezogen würden, sagte EZB-Präsidentin Lagarde. Man werde mehrere Indikatoren in Betracht ziehen, um festzustellen, ob Marktbewegungen ungeordnet seien und eine Aktivierung des TPI gerechtfertigt sei. Man sei bereit im Rahmen des Länder müssten vier Kriterien erfüllen, um in den Genuss des TPI kommen zu können, dies sei das Einhalten des EU-Fiskalrahmens, die Abwesenheit schwerer makroökonomischer Ungleichgewichte, fiskalische Nachhaltigkeit und eine solide und nachhaltige Haushaltspolitik.

Marktreaktionen: Die Aktienmärkte reagierten zunächst mit Kursverlusten auf den Zinsentscheid, konnten anschließend aber wieder anziehen. Der Euro und der Goldpreis legten nach dem EZB-Zinsentscheid zu. Die italienischen Anleiherenditen zogen zunächst an, gaben anschließend aber wieder nach. Die Renditen der Bundesanleihen legten zu.

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Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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