Analyse
10:35 Uhr, 21.07.2025

EVONIK - CEO Kullmann warnt vor Weltwirtschaftskrise und fordert "Wirtschaft first" für Europa

Angesichts der Drohung von US-Präsident Donald Trump, Zölle von 30 % auf europäische Waren zu erheben, zeichnet Evonik-Chef Christian Kullmann in einem Interview mit dem Handelsblatt ein düsteres Bild für die Weltwirtschaft

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  • Evonik Industries AG - WKN: EVNK01 - ISIN: DE000EVNK013 - Kurs: 17,750 € (XETRA)

Die direkten Auswirkungen auf Evonik sind durch eine hohe lokale Produktionsquote in den USA von 80 % überschaubar. Dennoch bezeichnete Kullmann die Handelspolitik der US-Regierung als "desaströs". Die Folgen seien bereits jetzt in Form tiefer Schleifspuren in der globalen Konjunktur sichtbar.

Kunden halten sich demnach mit Bestellungen und Investitionen stark zurück. "Überall auf der Welt grassieren Verunsicherung und Furcht davor, was diese Regierung als Nächstes macht". Diese Unsicherheit habe Konkurrenten wie BASF und Covestro bereits zu deutlichen Korrekturen ihrer Gewinnprognosen für 2025 gezwungen.

Auch wenn sich Kullmann vor der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen am 1. August bedeckt hält, räumt er ein: "Die Situation geht an uns nicht spurlos vorbei." Er bekräftigte die Erwartung einer sich weltweit abkühlenden Konjunktur. Ein schneller Zolldeal mit den USA würde die grundlegende Unsicherheit nicht beseitigen.

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Strategische Neuausrichtung in einer fragmentierten Welt

Nach Einschätzung von Kullmann ist die Ära des Multilateralismus (Zusammenarbeit von Staaten zur gemeinsamen Bewältigung von Problemen), die Deutschland über Jahrzehnte Wachstum und Wohlstand bescherte, beendet. Die USA, ehemals Garant für einen regelbasierten Welthandel, haben diese Rolle aufgegeben, meint Kullmann. "Die wollen die Rolle des Schiedsrichters im Welthandel nicht mehr spielen", stellt der Evonik-Chef fest. Diese Lücke könne kein anderes Land füllen.

Für Unternehmen bedeutet dies eine unausweichliche Anpassung an eine stärker regionalisierte Welt. Es reiche nicht mehr aus, nur lokale Produktionsanlagen zu betreiben. Vielmehr müssen unabhängige Lieferketten in den drei großen Wirtschaftsräumen Nordamerika, Europa und Asien aufgebaut werden. Europa befindet sich laut Kullmann in einem "Freiheitskampf", um unter fairen Bedingungen weltweit Geschäfte machen zu können. Dieser Kampf sei durch Protektionismus und überbordende Regulatorik massiv bedroht.

Europas Antwort: „Wirtschaft first“

Als Antwort auf das "America first" der USA müsse Europa mit einem klaren "Wirtschaft first" kontern. "Aus der Neuordnung der Weltwirtschaft kann Europa nur als Gewinner hervorgehen, wenn wir pragmatisch, schnell und entschlossen handeln", so Kullmann. Notwendig ist demnach eine Abkehr von übermäßiger Regulierung. Als Beispiel nannte er das EU-Emissionshandelssystem, das europäischen Firmen im globalen Wettbewerb erhebliche Lasten aufbürde.

Kullmann übte scharfe Kritik am früheren EU-Kommissar Frans Timmermans. "Für diesen Nobelsozialisten war die Wirtschaft der Feind. Es gab für ihn nur eines: immer stärker regulieren." Bei der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen und der neuen Bundesregierung in Berlin erkenne er hingegen einen positiven Sinneswandel. Das 1000-Mrd.-EUR-Investitionsprogramm der Bundesregierung sei ein notwendiger und richtiger Schritt, um die wirtschaftliche Stärke wiederherzustellen. Dieses müsse nun jedoch schnell und unbürokratisch umgesetzt werden, um einen echten Aufschwung zu ermöglichen. Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und demokratischer Stabilität sei evident: "Wenn die Menschen hier weiter unter anhaltenden Wohlstandsverlusten leiden, wird unsere Demokratie noch stärker unter Druck geraten."

Verteidigungsfähigkeit und die Rolle der chemischen Industrie

Eine wachsende Bedeutung für die chemische Industrie sieht Kullmann im Bereich der Verteidigung. Sogenannte "Dual-Use"-Produkte, die sowohl zivil als auch militärisch einsetzbar sind, würden in den kommenden Jahren an Relevanz gewinnen. Evonik werde in diesen Geschäften wachsen, ohne jedoch ein eigenes Rüstungssegment aufzubauen.

Fazit

Puh, das war ein negatives Bild. Zumindest dürften jetzt auch die Erwartungen an die Evonik-Zahlen so überschaubar sein, dass sie dann letztlich gar nicht enttäuschen.

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3 Kommentare

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  • masi123
    masi123

    Leider kommt dieser nüchterne, objektive Blick auf die Weltwirtschaft und EU-Politik nur aus der zweiten Reihe. Aus den führenden Konzernen hört man dazu bisher recht wenig, außer vielleicht dem Ruf nach Subventionen und Steuererleichterungen.

    14:46 Uhr, 21.07.
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