Kommentar
11:37 Uhr, 29.03.2017

Eurozone: Krise endlich vorbei?

Seit Jahren warten wir darauf, dass wir endlich die Eurokrise hinter uns lassen können. Jahr um Jahr geschah nichts dergleichen. Wie sieht es 2017 aus?

Am Wochenende wurde in Rom ein neuerliches Bekenntnis zur Europäischen Union unterschrieben. Papier ist freilich geduldig, doch immerhin konnte man sich auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. Kern des Bekenntnisses ist ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten.

Passender könnte es gar nicht sein, denn selten zuvor waren die Geschwindigkeiten so unterschiedlich wie jetzt. Das gilt nicht nur für die EU, sondern auch für die Eurozone. Während die Wirtschaft in einigen Ländern boomt (Deutschland, Irland, Spanien), bleibt es in anderen Ländern bei blutleerem Wachstum (Italien, Frankreich) und wieder in anderen bei einer scheinbar unüberwindlichen Krise (Griechenland).

Ob sich eine Eurozone der unterschiedlichen Geschwindigkeiten umsetzen lässt, sei dahingestellt. Fest steht, dass genau das dringend notwendig wäre. Die Lage in der Eurozone in ihrer Gesamtheit hellt sich weiterhin auf, wenn auch langsam. Das zeigt unter anderem die Kapitalposition der Banken.

Grafik 1 zeigt die Entwicklung des Eigenkapitals und der Reserven der Banken. Man sieht sehr schön wie die Reserven insgesamt anstiegen, allerdings alle paar Monate von deutlichen Rückgängen unterbrochen. Das liegt an der Vorgehensweise einzelner Länder und Banken. In unregelmäßigen Abständen entschlossen sich Banken oder ganze Länder dazu, große Abschreibungen vorzunehmen. Das führt zu einem Rückgang der Reserven. Es folgten dann meist Kapitalerhöhungen, was wieder zu einem Anstieg führte.

Die Aufnahme von frischem Geld war dringend notwendig. Der Anteil notleidender Kredite stieg in der gesamten Eurozone bis 2015 an. Er machte zeitweise mehr als 40 % der Reserven aus. Wären alle dieser faulen Kredite ausgefallen, hätten die meisten Banken nicht mehr genug Kapital gehabt, um die Mindestanforderungen zu erfüllen.

Für gewöhnlich fallen nicht alle Kredite komplett aus, die notleidend sind. Banken können einen Teil der Forderungen rekuperieren, indem sie Sicherheiten einziehen. In anderen Fällen verbessert sich die Lage des Schuldners wieder, sodass der Kredit wieder bedient werden kann.

Seitdem der Anteil der faulen Kredite sinkt, steigen die Kapital- und sonstigen Reserven nicht mehr. Für die Eurozone als Ganzes bedeutet dies, dass sich die Kapitalposition verbessert hat. Das ist jedoch von einigen wenigen Ländern getrieben. In Spanien sank das Volumen fauler Kredite an Haushalte von 50 Mrd. im Jahr 2013 auf zuletzt 35 Mrd. Das Volumen fauler Kredite an Unternehmen sank von 146 Mrd. auf 80 Mrd.

Die Verbesserung in einigen Ländern macht die Verschlechterung in anderen wett. Das bedeutet natürlich nicht, dass es z.B. Italien besser geht. Hier ist noch lange keine Lösung in Sicht. Selbst die Versuche über eine Bad Bank die Bilanzen der Banken zu entlasten, scheint nicht zu fruchten.

Eine große Bad Bank scheitert derzeit vor allem daran, dass man die notleidenden Kredite nicht gut bewerten kann. Banken müssen aber genau diese Kredite an die Bad Bank verkaufen. Die Bilanz ist dann zwar sauber, doch wenn der Kaufpreis zu niedrig ist, bleibt die Bank auf zu großen Verlusten sitzen. Das können die meisten Banken aktuell nicht verkraften.

Solange die Banken in Italien und anderen Krisenländern nicht wieder robust sind, nützt auch die ganze Geldpolitik der EZB nichts. Grafik 2 zeigt die Entwicklung der Kredite an Haushalte in der Eurozone. Seit dem Tief 2014 ist das Volumen etwas gewachsen, doch bei weitem nicht so stark, dass sich realwirtschaftlich ein Effekt ablesen lassen würde.

Alle Maßnahmen, die Kreditvergabe zu verbessern, blieben bisher ohne Erfolg. Seit 2014 vergibt die EZB Langfristkredite an Banken (TLTROs – Targeted Long Term Refinancing Operations). Beim letzten Programm 2016/17 sollen die Zinsen dieser TLTROs umso niedriger sein, je mehr die Banken an Kredit vergeben. Durch diese Langfristrefinanzierungsgeschäfte wurde über 1 Billon Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Das stagnierende Kreditvolumen zeigt jedoch, dass nichts dort ankommt, wo es ankommen soll.

Es bleibt also vorerst beim Status quo: die Eurozone wird sich weiterhin irgendwie durchwurschteln.

Clemens Schmale

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6 Kommentare

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  • trader49
    trader49

    Wo bleiben die Begründungen eurer Kommentare?

    22:57 Uhr, 29.03.2017
    1 Antwort anzeigen
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Wasn das fuer ne Ueberschrift. Bisher wurde nur der taeglich wachsenden Schuldenberg durch Luegengeld in Luegenmaerkte ein Trugbild aufrecht erhalten. Das Wachstum gibt es nicht. Ihr werdet sehen.

    16:38 Uhr, 29.03.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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