Fundamentale Nachricht
09:37 Uhr, 06.02.2015

„Europas Chancen sind an den Aktienmärkten noch nicht eingepreist“

Die Anzeichen für eine reale Verbesserung der europäischen Wirtschaft mehren sich nach Meinung von Niall Gallagher, Fondsmanager des GAM Star European Equity, würden aber bislang von den Anlegern kaum wahrgenommen.

London (BoerseGo.de) - Europäische Aktien dürften sich 2015 besser entwickeln als US-Titel. Das ist die Einschätzung von Niall Gallagher, Fondsmanager des GAM Star European Equity. „Die letzten Jahre waren für die europäische Wirtschaft zweifellos schwierig, doch es mehren sich die Anzeichen für eine reale Verbesserung, auch wenn die Anleger sie bislang kaum wahrgenommen haben“, erklärt er. Führe man sich die drei Säulen vor Augen, die üblicherweise den Aktienmarkt stützen – Wachstum, Liquidität und Bewertung –, dann deute alles darauf hin, dass Europa in diesem Jahr im Vergleich zu den USA die attraktiveren Anlagemöglichkeiten bietet. „Die positiven Entwicklungen sind aktuell nicht eingepreist, und das niedrige Bewertungsniveau wird die Rendite europäischer Aktien entscheidend mitbestimmen“, sagt Gallagher.

Derzeit notierten europäische Aktien, ausgehend von der CAPE-Ratio, also dem um zyklische Effekte bereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis, mit einem Rekordabschlag von 40 Prozent gegenüber ihren US-Pendants. Im Vergleich der Anlageklassen seien die Bewertungen noch attraktiver, so der Fondsmanager: „In Deutschland haben Anleger die Wahl zwischen einer Rendite von null Prozent bei deutschen Staatsanleihen oder einer Investition in börsennotierte Unternehmen, die aktuell rund 3,5 Prozent abwerfen.“

Nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) in der vergangenen Woche lasse sich nun insbesondere die Liquiditätsentwicklung klarer abschätzen. Noch tendiere die Gesamtinflation weiter abwärts, und die Anleihemärkte preisten einen breit angelegten deflationären Abschwung ein. „Doch das nun angekündigte Anleihekaufprogramm im Volumen von 1,1 Billionen Euro findet vor dem Hintergrund einer Bankenlandschaft statt, die nach Abschluss der Prüfung der Aktiva-Qualität durch die EZB ausreichend kapitalisiert ist“, sagt Gallagher. Der Fondsmanager geht daher davon aus, dass sich die Ausdehnung der Liquidität In Form verstärkter Kreditvergabe auch in der Realwirtschaft niederschlagen wird. So signalisierten auch die Ergebnisse der jüngsten Umfrage unter Banken im Euroraum, dass sich die Kreditstandards lockern und Unternehmen wie Verbraucher mehr Kredite beantragen.

„Selbst wenn die Auswirkungen der Maßnahmen zum Quantitative Easing auf die Realwirtschaft gering bleiben sollten, so können sie doch die Wertpapierkurse stark beeinflussen“, fügt Gallagher hinzu. Davon zeuge etwa die Entwicklung des S&P-500-Index in den vergangenen fünf Jahren. Zudem verfolge auch die Bank of Japan nach wie vor eine Ausweitung ihrer Bilanz. „Ein Großteil dieser Liquidität wird nach Europa fließen“, erwartet er.

Zugleich sorgten die Konjunkturdaten endlich wieder für positive Überraschungen. Auch der Eurozone Citigroup Economic Surprise Index zeige inzwischen nach oben und habe unlängst ein Neunmonatshoch erreicht. „Zwar sind Vorbehalte im Hinblick auf die zukünftige Wachstumsentwicklung und Deflation durchaus legitim. Doch begünstigen eine ganze Reihe vorteilhafter Faktoren die Konjunkturbelebung“, sagt der Fondsmanager. So dürfte Europa als Netto-Ölimporteur vom Einbruch der Ölpreise profitieren, was vor allem den Konsum erheblich beflügeln könnte. Innerhalb des Korbs an Waren und Dienstleistungen seien die Verbraucherpreise nur in drei Kategorien gesunken, nämlich bei Lebensmitteln, Telekommunikation und Energie. Vor dem Hintergrund leicht steigender Löhne und Gehälter seien niedrigere Preise in diesen Bereichen zunächst einmal von Vorteil, da dadurch die Kaufkraft und die frei verfügbaren Barmittel der Verbraucher zunehme. Diese Wirkung würde nun durch sinkende Ölpreise noch verstärkt. Zudem könnte die deutliche Abwertung des Euro den Export im weiteren Jahresverlauf unterstützen.

Nicht zuletzt hätten sich auch die Leistungsbilanzdefizite der europäischen Peripherieländer inzwischen größtenteils in Überschüsse verwandelt. Und das sei nicht die einzige strukturelle Verbesserung, die übersehen werde: „Den meisten Regierungen ist es auch gelungen, ihre Haushalte anzupassen und die fiskalische Belastung, die die Gesamtnachfrage beeinträchtigte, zu verringern“, unterstreicht Gallagher.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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