Fundamentale Nachricht
08:26 Uhr, 09.01.2017

Europäische Substanzwerte sind eine vernachlässigte Anlageklasse

Das „Nein“ im italienischen Referendum hat nach Meinung von Igor de Maack, Portfoliomanager bei der französischen Vermögensverwaltungsgesellschaft DNCA, keinen Austritt Italiens aus der Eurozone zur Folge.

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    Kursstand: 4.909,84 Pkt (Euronext Paris) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Paris (GodmodeTrader.de) - Die Märkte haben den jüngsten Wahlen bzw. Volksabstimmungen unverhältnismäßig viel Bedeutung beigemessen und sie damit zu belastenden Ereignissen gemacht, mit denen vernünftig umgegangen werden muss. Wie üblich wird die Wirtschaft bald wieder die Oberhand gewinnen und sonstige Faktoren in ihrer Bedeutung begrenzen. Wie die meisten Meinungsumfragen bereits vorhergesagt hatten, haben die italienischen Wähler gegen Matteo Renzis Vorschlag, die Rolle des Senats zu reformieren, gestimmt. Im Anschluss an seinen Rücktritt läutet das Ergebnis des Referendums nun eine Phase der Unsicherheit ein, was in der italienischen Politik jedoch nicht unüblich ist, wie Igor de Maack, Portfoliomanager und Sprecher des Portfoliomanagements der französischen Vermögensverwaltungsgesellschaft DNCA, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Die vorgezogenen Wahlen würden voraussichtlich 2018 abgehalten und es sei unsicher, ob die populistische Fünf-Sterne-Partei dort eine regierungsfähige Mehrheit erreichen könne. Zudem müsste, falls ein Austritt aus der Eurozone vorgeschlagen würde, hierüber wiederum per Referendum entschieden werden. Das Beispiel Griechenland zeige, dass die Wähler nicht unbedingt von den Vorteilen überzeugt seien, die ein Austritt aus der Eurozone mit sich bringe. Die Ergebnisse hätten sich bisher nur eingeschränkt auf die italienischen Zinssätze ausgewirkt. Der Aufschlag gegenüber deutschen Staatsanleihen pegele sich bei etwa 170 Basispunkten ein. Es müsse aber gleichzeitig erwähnt werden, dass italienische zehnjährige Staatsanleihen eine Rendite von fast 2,0 Prozent böten, verglichen mit 2,4 Prozent für US-Staatsanleihen mit der gleichen Laufzeit. Das stelle eine paradoxe Situation für diejenigen dar, die die italienische Wirtschaft bereits am Rande des Zusammenbruchs sähen. Auch wenn die Rekapitalisierung des italienischen Bankensystems durch die chronische politische Instabilität erschwert worden sei, hätten die von der Eurozone und der Bankenunion eingerichteten Rettungsmaßnahmen zumindest einen Lösungsentwurf geschaffen, den es vor der Krise 2011 schlicht nicht gegeben habe, heißt es weiter.

„Das OPEC-Treffen brachte eine angenehme Überraschung für Investoren hervor und ließ den Ölpreis schnell ansteigen. Die Stabilisierung des Ölpreises ist eine gute Nachricht für Ölproduzenten sowie die gesamte Branche, die hinsichtlich ihrer Investitionsausgaben den weltweit größten Industriesektor darstellt. Die OPEC entschied, die Fördermenge um 1,2 Millionen Barrel pro Tag zu reduzieren, bei einem Produktionsziel von 32,5 Millionen Barrel pro Tag. Die Entscheidung benötigt auch die Zustimmungen von Ölproduzenten, die nicht der OPEC angehören, ihre Produktion um 0,6 Millionen bpd zu drosseln. Russland und Oman haben offenbar bereits zugestimmt. Es ist immer schwierig sicherzustellen, ob diese Verringerung der Produktion tatsächlich umgesetzt wird, da die Beteiligten sie oft umgehen oder nicht einhalten. Trotzdem ist dieser Schritt wirtschaftlich und politisch gesehen ein positives Signal. Vom wirtschaftlichen Standpunkt sollte er zum einen Angebot und Nachfrage für Öl für 2017 ausgleichen und zum anderen – vom politischen Standpunkt gesehen – verringert er die Spannungen zwischen den beiden größten muslimischen religiösen Mächten, Saudi Arabien und Iran. Die Fortführung großer Projekte vor dem Hintergrund eines höheren Ölpreises sollte den Kapitalertrag für die großen Mineralölkonzerne deutlich steigern. Die Ölindustrie sowie der Sektor der Rohstoffgewinnung insgesamt ist, an den Investitionsausgaben gemessen, der weltweit größte Industriezweig. Die Entscheidung der OPEC wurde von den internationalen Finanzmärkten wohlwollend aufgenommen“, so de Maack.

Nach den drei politischen Schocks, Brexit, Donald Trump und italienisches Referendum, werde die Wirtschaft wie üblich wieder die Oberhand gewinnen und sonstige Faktoren in ihrer Bedeutung begrenzen. Angesichts einer sich stabilisierenden Nachfrage, dauerhaft niedriger Kreditkosten und eines schwachen Euros wachse die europäische Wirtschaft vorerst weiter. Die jüngsten Veröffentlichungen von Geschäftszahlen bestätigten ein weltweites Wachstum von drei Prozent für 2017. Entgegen allen Erwartungen sei die Welt weder wirtschaftlich noch finanziell im Chaos versunken, was schlussendlich die Lehre sei, die aus diesem Jahr gezogen werden könne, in dem drei große Wahlen bzw. Volksabstimmungen stattgefunden hätten, von denen zwei mit einer großen Überraschung geendet hätten, heißt es weiter.

„Jedes Mal hatten Investoren aus den USA und dem Vereinigten Königreich versucht, die Märkte der Eurozone abzustrafen, während die US-Märkte sich weiterhin sprichwörtlich in der Schwebe zu befinden scheinen. Doch die Eurozone besteht fort und europäische Unternehmen zahlen dank solider Bilanzen und vernünftigem Cashflow-Management großzügige Dividenden aus. Die Indizes der Eurozone sowie einige französische Indizes (CAC 40) zeigen eine bessere relative Kursentwicklung als andere, weiter gefasste allgemeine europäische Indizes. Obwohl es noch zu früh ist, Prognosen für das Jahr 2017 abzugeben, sollten Ereignisse, die zu einer erhöhten Volatilität führen, nichtsdestotrotz genutzt werden, um Positionen in den am meisten vernachlässigten Anlageklassen, wie den europäischen Substanzwerten, taktisch zu stärken“, so de Maack.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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