Fundamentale Nachricht
08:38 Uhr, 10.07.2019

Europa wird weiblicher

Gleich zwei weibliche Kandidaten sind für die Spitze der EZB und der Europäischen Kommission gesetzt, Christine Lagarde und Ursula von der Leyen. Ein einzigartiger Moment in der Geschichte Europas, meint Nordea-Makrostratege Sébastien Galy.

Helsinki (GodmodeTrader.de) - Christine Lagarde und Ursula von der Leyen sind für die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank (EZB) bzw. der Europäischen Kommission gesetzt. Dies zeigt: Europa wird weiblicher. Beide Kandidatinnen sind außergewöhnlich. Sie sind bekannt für ihre Fähigkeit, Koalitionen zu bilden, und sollten Europa nachhaltig prägen, wie Sébastien Galy, Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Christine Lagarde sei während ihrer gesamten Karriere eine Verfechterin von Stabilität gewesen. Sie habe in der Regierung von François Fillon begonnen, in verschiedenen Bereichen von der Wirtschaft bis zur Landwirtschaft gedient, und habe für Aufgeschlossenheit gestanden. Als Arbeitsrechtlerin habe sie sich für dieses Thema eingesetzt, ohne sich stark rechts oder links zu positionieren. Während der Verhandlungen über die europäische Rettungsaktion habe sie an der gewohnten Haltung des Internationalen Währungsfonds festgehalten, was sie klar im Lager der Falken verortet habe, heißt es weiter.

„Mit Argentinien war sie jedoch auch bereit, ein großes Risiko einzugehen. Entsprechend sollte sie als Konsensfinderin betrachtet werden, als jemand, der sich der jeweiligen Situation anpasst. Sie dürfte zunächst eine weitere Lockerung befürworten, aufgrund der aktuellen Verlangsamung des Wachstums und der Tatsache, dass das Inflationsziel nicht erreicht wird. Sobald sich die Situation jedoch umkehrt, wird sich vermutlich ihre Position ändern und sie dürfte erneut ins Lager der Falken wechseln. Angesichts des Widerstands der US-Regierung dürften negative Zinssätze nur moderat eingesetzt werden“, so Galy.

Ursula von der Leyen sei bekannt für ihre Fähigkeit, Aufgaben erfolgreich zu erledigen. Seit 2005 sei sie ununterbrochen in der Regierung von Angela Merkel tätig gewesen, zuletzt als Verteidigungsministerin. Ihr internationaler Hintergrund dürfte ihr zugutekommen: Als Kind habe sie in Belgien gelebt, sie spreche fließend Französisch und sei seit ihrer Geburt den Umgang mit hochrangigen Persönlichkeiten gewohnt. Ihre Ausbildung zur Ärztin dürfte ihr dabei helfen, Probleme zu analysieren und dann Lösungen dafür zu finden. Ihre Karriere als Professorin habe vermutlich dazu beigetragen, dass es ihr mühelos gelinge, Menschen und Gruppen anzuleiten. So auch die Gruppe der europäischen Verteidigungsminister, heißt es weiter.

„Tatsächlich beeindruckte sie die Franzosen so sehr, dass diese Angela Merkel ihre Kandidatur vorschlugen. Politisch gehört sie der Christlich Demokratischen Union Deutschlands an, also der rechten Mitte. Ihre Kandidatur ist jedoch noch keine ausgemachte Sache, da sie vom Europäischen Parlament erst noch genehmigt werden muss. Dies ist ein einzigartiger Moment in der Geschichte Europas. Denn wir haben nicht nur eine, sondern gleich zwei weibliche Kandidaten für die Spitze der EZB und der Europäischen Kommission. Das deutet auf einen Wandel an der Spitze der europäischen Führung hin und ist ein Symptom für strukturelle Veränderungen, einschließlich der Einstellungen zu Geschlechtervielfalt und Klimawandel“, so Galy.

13 Kommentare

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  • wolp
    wolp

    Klimawandel ist wirklich das große Problem unserer Zeit. Gut, dass es von allen thematisiert wird. Da bin ich sehr dankbar. Wir können das noch schaffen, solidarisch und global denkend. Da haben die beiden Ladies gute Voraussetzungen.

    23:23 Uhr, 10.07. 2019
  • therman
    therman

    "Ursula von der Leyen bemüht sich ihre Aufgaben erfolgreich zu erledigen, scheitert aber jedesmal kläglich." So müßte es meiner Meinung nach heißen. Meiner Meinung nach ist es eine Schande, dass eine so unfähige Person ein Amt ausüben darf. Diese Art der Ämtervergabe ist ein deutliches Beispiel, dass nicht die Fähigkeit der Person eine Rolle spielt sondern allein die Beziehungen. Armes Europa! Armes Deutshcland!

    11:55 Uhr, 10.07. 2019
  • EsJay
    EsJay

    „Wir mussten die Verträge brechen, um den Euro zu retten“ (Lagarde 2010).

    "..a recent IMF staff study shows how central banks can set up a system that would make deeply negative interest rates a feasible option" (who is head of IMF: Lagarde).

    "In a cashless world, there would be no lower bound on interest rates" (https://blogs.imf.org/2019/02/05/cashing-in-how-to-make-negative-interest-rates-work/)

    "Einer Anklage wegen Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder entging Lagarde nur knapp. Ende 2016 wurde sie allerdings vom "Gerichtshof der Republik" wegen "Fahrlässigkeit im Amt" für schuldig befunden. Auf eine Strafe verzichteten die Richter aber aufgrund 'ihrer internationalen Reputation'."

    Ja, so eine kompetente Person. Da bin ich wirklich froh, dass sie jetzt den EZB-Chefposten erhält.

    Von der Leyens Leistungen sprechen für sich selbst, dem braucht man nichts hinzuzufügen. Bleibt nur noch die sehr demokratische Art und Weise zu loben, wie ihr das Amt einfach mal so im Hinterzimmer zugesprochen werden soll.

    Schön, dass die EU endlich weiblicher wird. Was für ein Gewinn!

    Da hat der Makrostratege Sébastien Galy wohl zu wenig die Details zur Kenntnis genommen vor lauter Makroperspektive.

    11:44 Uhr, 10.07. 2019
  • Chamäleon
    Chamäleon

    oh graus, hamer schon wieder Brotzeit ? 😱

    11:27 Uhr, 10.07. 2019
  • Spitze
    Spitze

    Unter den geschilderten Umständen lässt der Blick in die Zukunft nur noch schaudern: https://www.journalistenwatch.com/2019/07/09/blick-zukunft-die/

    10:34 Uhr, 10.07. 2019
    2 Antworten anzeigen
  • wolp
    wolp

    Sehr guter Artikel. Zu ausgezeichneter Qualifikation der beiden kommt eine hervorragende Signalwirkung hinzu. Freue mich sehr. Merci

    09:53 Uhr, 10.07. 2019
  • mariahellwig
    mariahellwig

    "Ursula von der Leyen sei bekannt für ihre Fähigkeit, Aufgaben erfolgreich zu erledigen."

    Bei dem Satz habe ich schon etwas geschluckt...

    Ich habe ein kleines Problem damit, wenn "Weiblichkeit" zum Ziel wird. Es ist dringend notwendig sich wieder auf die eigentlichen Aufgaben zu besinnen. Europa hat enorme Fliehkräfte, die EZB manövriert sich in eine Sackgasse, wo man große Sorgen haben muss, dass sie da jemals wieder herausfindet. Antworten sehe ich bisher keine.

    09:23 Uhr, 10.07. 2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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