Kommentar
11:00 Uhr, 16.01.2019

EU: Rezessionsgefahr nicht mehr zu leugnen

Die USA könnten in den nächsten Jahren einer Rezession noch entkommen. Anders sieht das in Europa aus. Hier stecken wir möglicherweise schon mittendrin.

In den kommenden Wochen werden nach und nach die Wachstumszahlen für das vierte Quartal 2018 veröffentlicht. Bisher gingen viele Analysten davon aus, dass sich die Schwäche des dritten Quartals nicht vorsetzt und es Ende 2018 einen Rebound gab. Da wäre ich mir nicht mehr so sicher.

Die Industrieproduktion ist in den meisten europäischen Ländern rückläufig (Grafik 1). In Portugal und Deutschland liegt das Minus im mittleren einstelligen Bereich. In Italien, Frankreich und Spanien liegt das Minus „nur“ bei 2 %.

Für die Berechnung der Wachstumszahlen ist vor allem interessant, was Monat zu Monat geschieht (Grafik 2). Das Quartal hat mit kleinem Wachstum im Oktober begonnen. Im November war der Rückgang dafür umso ausgeprägter. Nur wenige Länder können sich dem Trend entziehen, z.B. die Niederlande und Griechenland (ohne Abbildung).

Die Industrie ist nicht der einzige Wirtschaftszweig. Ginge es nur nach der Industrie, hätten wir mit sehr hoher Sicherheit in vielen Ländern ein weiteres negatives Quartal und damit offiziell eine Rezession. Wichtig ist aber auch, was der Privatkonsum macht.

Dieser war in Deutschland im November überraschend stark. Die Umsätze des Einzelhandels legten um 1,4 % zu, nachdem sie im Oktober stagnierten. Ohne einen massiven Einbruch im Dezember kommt Deutschland noch um eine Rezession herum.


Ob die Wirtschaftsleistung nun zwei Quartale in Folge schrumpft oder nicht, das ist bis zu einem gewissen Grad auch Zufall. Der Trend ist leider eindeutig. Ende 2018 kann es leicht bergauf gehen, dafür dann Anfang 2019 wieder bergab. Unterm Strich wächst die Wirtschaft nicht mehr.

Genau dieses Szenario ist derzeit zu befürchten. Chinas Versuche, die eigene Wirtschaft anzuschieben, sind zaghaft und reichen nicht aus, um bei uns für einen Aufschwung zu sorgen. Gleichzeitig kühlt sich das Wachstum in den USA ab. 2019 droht ein Jahr der Stagnation zu werden.

Je nach Land wird diese Stagnation unterschiedlich schmerzhaft sein. In Italien ist Stagnation problematisch. Die Arbeitslosigkeit ist hoch und stieg zuletzt bereits wieder an. In Deutschland ist der Arbeitskräftemangel, vor allem der Fachkräftemangel so stark ausgeprägt, dass sich Unternehmen zweimal überlegen, ob sie Mitarbeiter entlassen.

Konjunkturprogramme sind derzeit noch nicht am Horizont zu erkennen. So manches Land braucht aber eines. Zugegeben, nicht jedes Land kann sich ein Konjunkturprogramm leisten oder kommt damit in Brüssel durch. Um Stagnation zu vermeiden und sicher zu gehen, dass eine Rezession ausbleibt, müssten die Staatsausgaben steigen. Falls es überhaupt dazu kommt, wird es vermutlich längst zu spät sein.

Für den Aktienmarkt muss das übrigens alles keine Katastrophe sein. Eine Rezession ist noch nicht eingepreist, eine Stagnation aber allemal.

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5 Kommentare

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  • shark
    shark

    Schreiberling bringt es auf den Punkt-allerdings vermisse ich zunehmend ökonomische Kompetenz.

    Und wenn die fehlt macht man eben öfters eine 180Grad Wendung

    Meine absoluten "Lieblingsjournalisten" sind die,welche am offenen Kamin bei einem Glas Rotwein über den Hunger in der Dritten Welt philosophieren!

    Solche soll es auch in anderen Bereichen geben

    15:27 Uhr, 16.01.2019
  • RoadyO
    RoadyO

    Ein echter Journalist sollte sogar wertungslos schreiben, da kann es beim selben Thema unendlich viele Sichtweisen geben.

    Die meisten sind wohl Artikel aus dem Alex Hüpfer Verlag (oder so ähnlich) gewohnt, bei dem den Lesern die zu glaubende Sichtweise eingeprügelt wird und jeder des etwas anderes denkt ist ein Idiot oder ein Feind der Demokratie. ;)

    14:49 Uhr, 16.01.2019
  • DaPlaymaker
    DaPlaymaker

    lese diese Beiträge ebenfalls zunehmend weniger gern

    12:35 Uhr, 16.01.2019
  • shark
    shark

    Hr.Schmale-mal wieder eine 180 Grad Wendung von Ihnen!

    Skin in the Game-sollten sie lesen und ewvt weniger schreiben!

    11:19 Uhr, 16.01.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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