Kommentar
12:28 Uhr, 08.12.2016

ETFs – Haben oder nicht haben, das ist hier die Frage

Börsengehandelten Indexfonds (Exchange-Traded Funds, kurz: ETFs) eilt ein bemerkenswert guter Ruf voraus: Sie seien transparenter, günstiger und mittelfristig renditestärker als traditionelle, aktiv gemanagte Investmentfonds und dabei genauso sicher. Damit sind sie das ideale Anlagevehikel für langfristig orientierte Anleger.

Die Vorteile der ETFs liegen auf der Hand:

  • Erstens bilden ETFs einen Referenz-Index ab, auf den sie sich beziehen. Deshalb kann der Anleger jederzeit nachvollziehen, wie sich der Kurs des Fonds entwickelt.
  • Zweitens muss kein großes Team aus Analysten, Managern und Back-Office-Angestellten diese Fonds verwalten. Hohe Nebenkosten in Form von Managementgebühren fallen nicht an.
  • Drittens drücken bei aktiv gemanagten Fonds die Gebühren die Rendite noch weiter unter die Benchmark. Ein aktiv gemanagter Aktienfonds wird sich daher langfristig nur in seltenen Fällen unterm Strich besser für den Anleger rentieren als ein passiver Indexfonds.

Sicherheit

Hinsichtlich der Ausfallsicherheit schenken sich Anlagen in passive und aktive Fonds hingegen nichts: Beide zählen zu den sogenannten Sondervermögen. Sollte die emittierende Fondsgesellschaft Pleite gehen, ist das investierte Geld nicht verloren. Es wird unabhängig vom Vermögen des Unternehmens auf einem Konto einer selbstständigen Depotbank aufbewahrt und ist somit außer Reichweite der insolventen Fondsgesellschaft.

Vor einigen Jahren rüttelten jedoch namhafte Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF), die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und der Finanzstabilitätsrat (FSB) am guten Ruf der passiven Indexfonds. Überspitzt formuliert könnten ETFs die Stabilität des internationalen Finanzsystems gefährden. Auch sei so mancher ETF zu kompliziert, um von Privatanlegern gehandelt zu werden, denn die Wertpapiere vieler Fonds hätten nichts mit dem Index zu tun, den sie abbilden.

Physisch vs. Synthetisch

Beide Argumente haben etwas für sich – aber nur zum Teil. Denn es hängt vieles davon ab, wie ein ETF konstruiert ist. Zunächst gibt es die physisch replizierenden Fonds. Bei einer 100-prozentigen Nachbildung, der sogenannten Vollreplikation, werden beispielsweise Aktien gemäß ihrer Gewichtung in einem Aktienindex gekauft. Das ist für Indizes möglich, die sich nur aus einer übersichtlichen Zahl liquider Aktien zusammensetzen, wie bspw. dem DAX. Ist der Index hingegen sehr groß, wie der MSCI World mit mehr als 1.600 Aktien, werden nur bestimmte Unternehmensanteile gekauft. Man spricht von der Teilreplikation. Beim sogenannten Sampling werden zur Nachbildung repräsentative Index-Titel ausgewählt und diese Auswahl optimiert, indem die Einzeltitel (beispielsweise Aktien) mit der höchsten Korrelation zum Index gewählt werden. Das müssen jedoch keine Index-Titel sein.

Zwei Nachteile sollte der Anleger kennen: Bei der Teilreplikation gibt es automatisch kleinere Abweichungen zum Index, den sogenannten Tracking Error. Die physische Nachbildung ist die aufwendigere Variante und kostet daher mehr Gebühren. Der große Vorteil: Die physisch replizierenden ETFs standen nicht in der oben erwähnten Kritik des IWF, BIZ und FSB. Diese Kritik bezog sich primär auf synthetisch replizierende Fonds.

Synthetisch replizierende ETFs halten nicht die Werte, die dem Index zugrunde liegen, sondern nutzen Derivate, wie zum Beispiel Tauschgeschäfte (englisch: “Swaps”), um die Wertentwicklung des eigentlich zugrunde liegenden Index abzubilden und sichern diese Tauschgeschäfte mit der Hilfe eines Sicherheitskorbes (englisch: “collateral”) ab. Konkret sichert dabei der Swap-Partner, meist eine Investment Bank, und oft die eigene Muttergesellschaft, dem ETF-Anbieter die genaue Wertentwicklung des gewünschten ETF-Referenzindexes zu und erhält dafür die Wertentwicklung eben jenes Sicherheitskorbes des Fonds, der aus einem ganz anderen Portfolio bestehen kann. So kann ein ETF-Anbieter beispielsweise stets ein Aktienportfolio aus europäischen Blue Chips tauschen, egal, welchen Index der Fonds abbilden möchte. Dieses Portfolio des ETF bietet den Investoren die Sicherheit, falls der ETF-Anbieter bankrottgehen sollte.

Mit synthetisch replizierenden Fonds können Fondsgesellschaften einen Index präziser nachbilden, das heißt ohne oder mit deutlich weniger Tracking Error als bei so manchem physischen ETF. Hinzu kommt, dass manche Indizes auf Rohstoffe oder auf bestimmte Schwellenländer wie Indien sich nur über synthetische ETFs darstellen lassen, weil die Basiswerte sich nicht ökonomisch kaufen oder lagern lassen, zum Beispiel Öl.

Durch die Involvierung eines Swap-Partners entsteht Kontrahentenrisiko, welches durch die europäischen Richtlinien zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmter Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW oder englisch: UCITS) mitigiert wird. So schreibt OGAW vor, dass dieses Kontrahentenrisiko nicht größer als 10 % des Nettoinventarwertes (englisch: Net Asset Value or NAV) des ETF sein darf, oder mit anderen Worten der Marktwert des Sicherheitskorbs nicht unter 90 % des NAV fallen darf. Die Differenz zwischen dem Sicherheitsportfolio und dem abgebildeten Index wird regelmäßig ausgeglichen. Diese synthetische Nachbildung ist genauer als die physische und zudem günstiger, da nicht stets alle im Index relevanten Wertpapiere gehandelt werden müssen.

Nachteile synthetischer replizierender ETFs

Synthetische replizierende ETFs haben zwei Nachteile, die Anleger kennen sollten:

  1. Die synthetische Nachbildung ist in der Regel für Anleger nicht nachvollziehbar, weil sie sehr kompliziert ist. Man muss somit dem Emittenten und dem internationalen Regelwerk vertrauen, dass bei der Konstruktion des ETFs alles mit rechten Dingen zugeht.
  2. Zudem besteht ein sogenanntes Kontrahentenrisiko, also das Risiko, dass der Swap-Partner insolvent wird und ausfällt. Der Kurs des ETF würde stark fallen, ggf. um den Teil des ausgefallenen Swaps.

Geraten Anleger in solchen Fällen in Panik, gefährdet der massive Verkaufsdruck vielleicht das System. Wenn Anleger beispielsweise aus Angst, dass ihr ETF aufgelöst wird, alles auf einmal auf den Markt werfen. Verlieren dann andere Investoren den Glauben an die Sicherheit der ETFs im Allgemeinen, könnte es im Extremfall zu einer Kurslawine kommen – eine Kritik, die allerdings gleichermaßen auf synthetisch wie auf physisch replizierende ETFs zutrifft.

Zurück auf Null

Die Qualität der Sicherheiten (des Collaterals) ist nur im Falle einer Insolvenz relevant. Qualität bedeutet dabei, wie schnell sich die Sicherheiten wieder zu Geld machen lassen. Am schnellsten geht natürlich Geld selbst. Es folgen Aktien und Anleihen. Wobei es auch hier eine Rolle spielt, ob die Wertpapiere liquide sind wie europäische oder US-amerikanische Blue-Chips, oder gegebenenfalls aus engeren Marktsegmenten wie Schwellenländern stammen. Theoretisch möglich wären als Sicherheiten auch Fuhrparks, Kunstsammlungen oder die Smartphones etlicher Tausend Mitarbeiter.

Für die Sicherheit des Investments wichtiger ist der Mindestwert. Fällt der Marktwert des Collaterals unter diesen Mindestwert, werden der Swapwert und damit das Kontrahentenrisiko auf Null zurückgesetzt und von der Gegenpartei zusätzliche Sicherheiten in Form von Bargeld oder Wertpapieren gefordert. Der Sicherheitenkorb entspricht danach wieder zu 100 Prozent dem Fondswert. Deshalb ist es für Anleger entscheidend, dass der ETF-Anbieter möglichst häufig den Swap zurücksetzt, weil es das Kontrahentenrisiko – zumindest zu dem jeweiligen Zeitpunkt – auf Null reduziert. Das allerdings führt zu höheren Kosten.

Den Bauch entscheiden lassen

Unterm Strich sind synthetisch replizierende Fonds laut Anbieter und Experten weitestgehend sicher. Allem Sicherheitsbestreben zum Trotz repliziert aber beispielsweise der größte Emittent von ETFs – iShares – seine Indexfonds nur physisch. Was man hat, das hat man. Das gilt auch für den eigenen guten Ruf.

Scalable Capital wählt sein ETF-basiertes Anlageuniversum nach zahlreichen quantitativen und qualitativen Kriterien aus. Dabei werden physisch replizierende ETFs im Vergleich zu synthetisch replizierende ETFs bevorzugt. Das Ziel ist es, genau diese Hürden für den Privatanleger zu bewältigen, um ihm ein kostengünstiges, optimales ETF-Portfolio zu erstellen, welches andauernd überwacht und automatisch angepasst wird. Der Robo-Advisor ist somit quasi der nächste logische Schritt in der ETF-Revolution und ich bin überzeugt, dass er eine ähnliche Erfolgsgeschichte schreiben wird.

Risikohinweis

Die Vermögensanlage in Kapitalmärkte ist mit Risiken verbunden. Der Wert Ihrer Vermögensanlage kann fallen oder steigen. Es kann zum Verlust des eingesetzten Vermögens kommen. Weder vergangene Wertentwicklungen noch Prognosen haben eine verlässliche Aussagekraft über zukünftige Wertentwicklungen. Bitte beachten Sie hierzu auch unsere Risikohinweise.

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Über den Experten

Erik Podzuweit
Erik Podzuweit

Erik Podzuweit ist Gründer & Co-CEO des digitalen Vermögensverwalters Scalable Capital. Zuvor arbeitete Erik 7 Jahre als Executive Director bei Goldman Sachs in London und Frankfurt. Dort betreute er Finanzinstitute im Bereich Kapitalanlagen und war für eine elektronische Handelsplattform zuständig.

Die Webinare und Infoabende mit Erik Podzuweit rund um das Thema “Die Vermögensverwaltung der Zukunft: Online & ETF-basiert” finden Sie auch auf der Event-Seite von Scalable Capital.

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