Kommentar
11:58 Uhr, 23.09.2015

ETF-Vermögensverwaltung à la carte

Nicht jeder Anleger verfügt über das notwendige Know-How, die Zeit & Muße, sein ETF-Portfolio selbst zu verwalten. Das Angebot an fertigen Portfoliolösungen steigt daher stetig. Doch wie finde ich das für mich geeignete Konzept?

Es war ein weiterer Meilenstein in der noch jungen Geschichte börsengehandelter Indexprodukte: Mitte Juli 2015 verwalteten die weltweit mehr als 5.800 auf dem Markt befindlichen ETFs und ETPs ein höheres Anlagevolumen als Hedgefonds. Während in börsengehandelten Indexprodukten 2,971 Billionen US-Dollar steckten, schafften es alle rund 8.500 Hedgefonds nur auf ein Anlagevolumen von 2,969 Billionen US-Dollar. Und der Trend bei ETPs dürfte anhalten. Geht es nach dem US-Finanzinstitut Goldman Sachs, steigt das verwaltete Vermögen bis 2020 weltweit auf sechs Billionen US-Dollar.

Gerade bei Privatanlegern sieht die ETP-Branche ganz besonderes Wachstumspotenzial. Die Gründe dafür sind einfach zusammenzufassen: Zahlreiche Studien belegen, dass es nur wenigen Fondsmanagern aktiv verwalteter Publikumsfonds gelingt, durch gezieltes Heraussuchen unterbewerteter Aktien nachhaltig den Gesamtmarkt zu schlagen. Aber gerade für diesen Dienst werden aktive Manager nicht unerheblich bezahlt.

ETFs dagegen sind wesentlich kostengünstiger. Hier fallen keine Ausgabeaufschläge, hohe Verwaltungskosten oder Performancefees an, da es sich dabei um passive Anlageinstrumente handelt, die lediglich bestimmte Anlagemärkte 1:1 abbilden. Zudem können ETFs börsentäglich gehandelt werden. Die Liquidität vieler ETFs ist sehr hoch. Zudem brillieren ETFs durch eine hohe Transparenz. Inzwischen ist auch die Auswahl an ETFs sehr groß. Allein in Deutschland können Anleger aus über eintausend Produkten auswählen. Dabei sind alle Anlageklassen und -regionen und immer mehr auch die verschiedensten Strategien abbildbar. Da die den ETFs zugrunde liegenden Indizes meist breit gestreut sind, reduziert sich das Verlustrisiko für den Anleger erheblich. Mit wenigen ETFs kann man sich so nach dem Baukastenprinzip kostengünstig das gewünschte Portfolio zusammenstellen.

Nicht jeder ist ein Selbstentscheider

Da Indexfonds aber lediglich die entsprechenden Indizes abbilden, sollte man sich bei einer eigenen Verwaltung des ETF-Depots sowohl mit den aktuellen Marktgegebenheiten als auch den Produktmerkmalen auskennen. Auch ist es angesichts der großen Anzahl an Produkten immer schwieriger, das für sich geeignete herauszusuchen, zumal viele von ihnen auf den gleichen Basiswert notieren. Nicht jeder Anleger hat dazu das Know-how oder schlicht die Zeit, sich selbst damit zu beschäftigen. Sie favorisieren daher fertige Anlagelösungen, die von immer mehr Finanzdienstleistern angeboten werden.

Viele Modelle sind denkbar

Grundsätzlich unterscheidet man bei der Vermögensanlage drei verschiedene Anlagekonzepte: die Fondslösungen, sogenannte Managed Accounts mit der neuen Spielform Robo-Advisory sowie die klassische Vermögensverwaltung.

Vermögensverwaltende Fonds

Hier legt der Anbieter entsprechend eines zuvor festgesetzten Anlagegrundsatzes einen Fonds (Sondervermögen) auf. Die Anlagegrundsätze mit allen rechtlichen Bestimmungen sind in den jeweiligen Verkaufsunterlagen nachzulesen. Eine entsprechende Anzahl von Fondsanteilen kann je nach Höhe der Anlage einfach von allen Anlegern in der Region, für die der Fonds zugelassen wurde, börslich oder außerbörslich geordert werden. Ziel eines solchen Fonds ist es, das ihm anvertraute Geld entsprechend den Fondsbestimmungen möglichst ertragreich anzulegen. Der Käufer ist entsprechend der Anzahl der erworbenen Anteile an der Wertentwicklung des jeweiligen Fonds beteiligt. Die Fonds sind zudem jederzeit zu kaufen oder zu verkaufen. Es werden zudem täglich Rücknahmepreise veröffentlicht. Monatliche Factsheets oder Fondsmanagerkommentare sorgen für die entsprechende Transparenz. Ein großer Vorteil solcher Fonds: Sie bilden ein sogenanntes Sondervermögen. Auf dieses können Gläubiger im Insolvenzfall nicht zugreifen. Zudem unterliegen sie einer strengen Reglementierung durch die Aufsichtsbehörden des jeweiligen Landes (in Deutschland: BaFin). Ein weiterer Vorteil: Anleger können sich anders als bei anderen Vermögensverwaltungen bereits mit kleinen Anlagebeträgen am Erfolg des Fonds beteiligen. Für die Verwaltung zahlen sie jährlich eine Verwaltungsgebühr. Auch die Transaktionskosten sind angesichts der großen Anlagevolumina wesentlich günstiger. Fondslösungen haben jedoch auch Nachteile: Eine Ausgestaltung der Finanzanlage entsprechend den individuellen Erfordernissen ist mit den fertig konfektionierten Produkten nicht möglich. Als Anleger muss man selbst entscheiden, ob das Konzept den eigenen Wünschen und Anlagezielen entspricht.

Managed Accounts und Robo Advisors

Ein Managed Account ist der englische Begriff für ein von einer Bank oder einem anderen Finanzdienstleister verwaltetes Handelskonto. Der Anleger erteilt dem Verwalter eine Vollmacht über das auf dem Kundenkonto zur Verfügung stehende Kapital, um die entsprechend vereinbarte Anlagestrategie umzusetzen. Zuvor wird festgelegt, in welche Finanzprodukte oder Marktsegmente investiert werden darf, auch Anlagezeitraum, die angestrebte Rendite sowie das Risiko sind Teil der Vereinbarung. Für die Verwaltung zahlt der Anleger eine Verwaltungsgebühr, die in der Regel höher ist als bei klassischen Fondslösungen. Zur Gewährleistung einer gewissen Effizienz sind Managed Accounts in den meisten Fällen erst ab vier- bis sechsstelligen Einzahlbeträgen möglich.


Auf eine Managed-Accounts-Vermögensverwaltung setzen seit einigen Jahren auch die sogenannten Robo-Advisors. Solchen Online-Vermögensverwaltungen liegt ein Algorithmus zugrunde, der die menschliche Beratung ersetzen soll. Anleger werden dabei mittels ausgeklügelter Software abgefragt über das Alter, das verfügbare Kapital, den Anlagehorizont, die angestrebte Rendite und das eigene Risikoprofil. Nach Analyse der Daten wird der Anleger auf einen für diesen Anlegertyp geeigneten Managed Account geleitet. Die Gebühren solcher Robo Advisors sind oft geringer als die herkömmlicher Managed Accounts. Die Idee kommt aus den USA. So wurde 2010 die Online-Vemögensverwaltung Betterment gegründet mit einem Anlagevolumen von gerade einmal zehn Millionen US-Dollar im ersten Jahr. Inzwischen verwaltet das Unternehmen Kundengelder in Höhe von 2,2 Mrd. US-Dollar. Andere folgten bald dieser Idee wie Wealthfront oder Personal Capital. Auch in Deutschland werden Robo Advisors immer beliebter. Der Vorteil von Managed Accounts: Die individuellen Anlagebedürfnisse werden oft besser berücksichtigt, allerdings gehen die Fragen nicht allzu stark in die Tiefe. Höhere Mindesteinzahlungssummen grenzen zudem die Anlegerschaft ein. Anleger sollten außerdem auf die Seriosität der Anbieter achten. Häufig nutzen diese Abwicklungsbanken im Ausland und sind damit weniger reglementiert.

Lernen Sie hier den Robo-Advisor easyfolio kennen:

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Klassische Vermögensverwaltung

Wer individuell maßgeschneiderte Anlagelösungen bevorzugt, kommt um eine klassische Vermögensverwaltung oder Honorarberatung nicht herum. Anders als bei der auf den ersten Blick kostenlosen, dafür aber provisionsgetriebenen Bankberatung zahlt der Anleger einem Honorberater für seinen Service, und zwar unabhängig davon, ob der Beratene den Rat umsetzt oder nicht. Für den Berater entfällt der Druck, nur diejenigen Produkte zu vermitteln, die gerade von der Bank vertrieben werden sollen oder für den Berater die größte Provision eintreiben. Unabhängig von fremden Interessen informiert er so nach einem oft mehrstündigen Gespräch über die finanzielle Situation und stellt dem Anleger dann dazu geeignete Produkte vor. Die individuellste Form ist aber eine klassische Vermögensverwaltung. Sie baut oft auf einer sehr engen Kundenbeziehung auf. Auch hier wird nach einem ausführlichen Gespräch in enger Abstimmung mit dem Kunden eine maßgeschneiderte Anlagestrategie erarbeitet. Die Vermögensverwaltung managt dann im Anschluss das Vermögen des Kunden. Häufig kommen dabei neben Aktien und Anleihen je nach den Vorlieben des Kunden auch alternative Anlageformen wie Private Equity, Hedgefonds, Kunst etc. zum Einsatz. Der Vermögensverwalter steht in engem Kontakt mit dem Kunden, der stets auf dem Laufenden gehalten wird. Das Portfolio wird dabei auch möglichen Veränderungen der Lebenssituation des Kunden angepasst. Wie jedoch auch ein maßgeschneiderter Anzug mehr kostet als einer von der Stange, so kostet eine solche individuelle Verwaltung in der Regel mehr als ein Managed Account oder eine Fondslösung. Zudem eignen sich Vermögensverwaltungen in der Regel nur für größere Vermögen.

Unterschiedliche Anlagestrategien

Unabhängig von der Art der Vermögensbetreuung können unterschiedliche Anlagestrategien verfolgt werden. Dabei unterscheidet man zwischen passiven, regelbasierten und aktiven Strategien.

Passive Anlagestrategie

Bei diesen Strategien wird unabhängig von der jeweiligen Marktsituation statisch festgelegt, in welche Assetklassen und mit welcher Gewichtung investiert wird. Die Gewichtung erfolgt in aller Regel nach den wissenschaftlichen Erkenntnissen der modernen Portfoliotheorie und zielt auf eine langfristige Anlage ab. Durch eine grundsätzlich niedrige Transaktionshäufigkeit werden hohe Transaktionskosten vermieden. Um die Gewichtung des Portfolios konstant zu halten, erfolgt in der Regel mindestens einmal jährlich eine Wiederanpassung an die ursprünglich festegelegte Gewichtung (Rebalancing). Der Vorteil dieser Vorgehensweise: Der Anleger partizipiert an einem nach wissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelten, breit gestreuten Portfolio, und dies zu kostengünstigen Konditionen. Das Rebalancing hat ein antizyklisches Agieren zur Folge, denn bei der Wiederanpassung werden Titel, die gut gelaufen sind, verkauft und ausgetauscht gegen Positionen, die weniger gelaufen sind. Der Nachteil: Anleger, die auf eine solche Strategie setzen, verzichten dabei bewusst auf die Chance einer Outperformance durch Market-Timing. Damit vertrauen sie aber wissenschaftlichen Studien, dass es nur selten gelingt, durch Market Timing den Markt nachhaltig und konstant zu schlagen.

Regelbasierte Strategien

Viele Anleger lassen sich von Emotionen wie Angst oder Gier lenken und unterliegen dabei häufig dem Herdentrieb. Sie tätigen Panikverkäufe bei bereits schon stark gefallenen Kursen und steigen erst wieder ein, wenn die Aktien bereits gestiegen sind. Um solche Emotionen auszuschließen, kreieren Finanzdienstleister Produkte, bei denen festgelegte Regeln über Zusammensetzung und Gewichtung im Portfolio bestimmen. Werden dabei Grenzen wie zum Beispiel die 200-Tage-Durchschnittslinie oder eine bestimmte Rendite innerhalb eines festgelegten Zeitraumes (Momentum) über- oder unterschritten, wird ge- oder verkauft. Häufig beruhen diese Strategien auf Trendfolgesystemen bzw. anderen technischen Analysemethoden. Die Tücken dabei: Die Entscheidungen beruhen auf vergangenheitsrelevanten Daten. Ändert sich der Trend oder gibt es keine einheitliche Tendenz, erzeugen diese Systeme oft Fehlsignale. Zudem sind der technische Aufwand und die Handelshäufigkeit wesentlich höher als bei passiven Anlagelösungen. Deshalb sind die Gebühren oft höher.

Aktive Strategien

Über die Gewichtung und Zusammensetzung des ETF-Portfolios entscheidet bei aktiven Strategien in letzter Instanz ein Finanzexperte. Zwar nutzen diese ähnlich wie bei regelbasierten Strategien technische Analysetools, diese werden aber um die Markt- und Produktkenntnis des Managers ergänzt. Anders als bei klassischen Investmentfonds setzt der Verwalter jedoch nicht auf Einzelwerte, sondern auf unterbewertete Branchen-, Länder oder Anlageklassen, die via ETFs abgebildet werden. Anleger setzen bei solchen Investments also auf das Wissen des Finanzprofis und die grundsätzlichen Vorteile von ETFs wie breite Streuung und schnelle Handelbarkeit. Allerdings gilt auch hier die Kritik: Die aktive Verwaltung produziert laufend höhere Kosten, die nur im Erfolgsfall durch gutes Management wieder reingeholt werden können.


Bedarf an ETF-Anlagelösungen wächst

Die Anzahl der angebotenen Anlagelösungen steig zuletzt kontinuierlich. Für welchen Strategie- und Beratungsweg man sich letztendlich entscheidet, hängt von der eigenen Präferenz, dem Risikoprofil, dem Anlagevolumen oder -horizont und dem Wunsch nach einem persönlichen Kontakt ab. Die ETF-Anlagelösungen dürften daher nach Meinung von Experten künftig einen wesentlichen Teil zum Wachstum der ETF-Branche beitragen. Ein Grund: die Komplexität nimmt auch bei ETFs immer mehr zu. So fragen sich Investoren: Wie soll ich den Aktien- und Rentenmarkt gewichten, mit welchen Produkten bildet man am besten die Anlageregionen- und klassen ab, welchen Einfluss nimmt die Korrelation der einzelnen Positionen auf mein Gesamtdepot oder wie oft und nach welchen Kriterien soll ich umschtichten. „Ein wirklich gutes Depot aus ETFs zusammenzustelle, erfordert deshalb so viel Sachkenntnis, dass es von einem durchschnittlichen Privatanleger in Eigenregie nicht zu leisten ist“, so sind sich die Deutsche AWM und das Institut für Vermögensaufbau einig, die zusammen den zweiteiligen Leitfaden zur Geldanlage „Vermögensverwaltung auf Basis passiver Strategien“ herausgebracht haben.

Portfolio-Theorie entwickelt sich weiter

Eine immer größere Bedeutung bei der Zusammenstellung von Depots spielen laut dieser Publikation auch wissenschaftliche Erkenntnisse der modernen Portfolio-Theorie. Aufbauend auf den Grundüberlegungen von Harry M. Markowitz zur Verlustbegrenzung durch eine breite Risikostreuung und dem „Capital Asset Pricing Model“ (CAPM – Rendite wird erwirtschaftet durch risikolosen Zins, Risikoprämie und zufälligen Fehlerterm) entdeckten Eugen Fama und Kenneth French, dass sich die Risikoprämie nicht allein durch den Gesamtmarkt ergibt, sondern auch durch die Auswahl bestimmter Märkte. So führt die Übergewichtung von Small Caps, Value-Aktien sowie Anleihen mit längerer Laufzeit & höherem Ausfallrisiko aus entwickelten Industriestaaten durchaus langfristig zu Überrenditen. Da dies nicht für Schwellenländer zutrifft, sollten Emerging Markets als zusätzlicher Teil der Risikoprämie Einzug in ein optimiertes Depot halten. Darauf fußend entwickelten ETF-Anbieter in den vergangenen Monaten zahlreiche Faktoren-ETFs. Mit den prozyklischen Faktoren Value, Momentum und Size steigert man vor allem die Rendite in Aufwärtsphasen, in Abwärtsphasen dagegen ist man mit Quality, Low-Beta oder High Dividend besser aufgestellt.

HIER finden Sie einige dieser ETF-Anlagelösungen vor. Neben einer kurzen Übersicht zur Strategie und Funktionsweise findet sich auch ein Link zur Website des Anbieters. Interessierte Anleger können sich dann dort weitere Informationen ansehen. Unter der Rubrik INVESTIEREN finden Sie zudem eine Liste mit ETF-Experten und deren Anlagelösungen. Ein Blick auf das inzwischen vielschichtige Angebot lohnt daher auf alle Fälle.

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Über den Experten

Markus Jordan
Markus Jordan
Finanzmarktanalyst

Markus Jordan ist seit knapp 20 Jahren im Wertpapierbereich aktiv. Er ist ein ausgewiesener Experte für Exchange Traded Funds (ETFs) und darauf basierende Anlagestrategien. Seit 2008 veröffentlicht er Deutschlands zudem das führende Magazin im Bereich Exchange Traded Funds (ETFs) – das EXtra-Magazin. Auf dem Internetportal www.extra-funds.de veröffentlicht er regelmäßig Fachbeiträge und News zum Thema passive Anlagestrategien. In zahlreichen Vorträgen und Webinare hat er in den vergangenen Jahren tausende Anleger von den Vorteilen passiver Anlageinstrumente überzeugt. Er steht für passive Anlagestrategien, Portfoliostrukturierungen mit ETFs und bietet Wissen und Strategien für einen langfristigen Kapitalaufbau und ist damit eine perfekte Ergänzung zu den aktiven Handelsstrategien vieler anderer Experten auf Guidants.

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