Kommentar
14:05 Uhr, 09.07.2021

Es lässt sich ausrechnen: Aktien müss(t)en 64% korrigieren!

Mehr als eine Halbierung der Kurse, das ist eine Ansage. Es ist allerdings weniger abwegig, als es auf den ersten Blick erscheint.

Eines gleich vorweg: Bei einem Korrekturpotenzial von 64 % handelt es sich nicht um eine Prognose. In diesem Artikel wird dargelegt, weshalb es geschehen könnte. Das bedeutet nicht, dass es geschieht. Es bedeutet auch nicht, dass es sehr wahrscheinlich ist. Die meisten Anleger wissen intuitiv, dass der Markt hoch bewertet ist und die Kurse künstlich hoch wirken. Wie stark sie vom fairen Wert abweichen, kann man beziffern...

Der Aktienmarkt besteht aus Unternehmen und deren Wert bemisst sich am Ende daran, wie viel Gewinn sie erwirtschaften können.

Erwartet man zukünftig höheres Wachstum, können die Kurse steigen. Es wird ja auch mehr Gewinn erwirtschaftet als bisher erwartet. Wie sich der Gewinn langfristig entwickelt, wissen wir. Das Wachstum von Unternehmen ist langfristig auf das Wirtschaftswachstum begrenzt.

Wieso das so ist, ist einfach nachvollziehbar. Ein Unternehmen kann nicht für immer und ewig schneller als die Wirtschaft wachsen. Wäre dies möglich, würde das Unternehmen irgendwann mehr Umsatz und Gewinn schreiben als die Wirtschaft groß ist. Das ist unmöglich.

Der Aktienmarkt ist in den vergangenen Jahren schneller gewachsen als die Wirtschaft. Das war nicht immer so. Die Outperformance begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Die hohe Inflation der 70er Jahre sorgte für eine Korrektur der Outperformance, die bis in die 90er Jahre anhielt. Seither ist der Aktienmarkt im Vergleich zur Wirtschaft wieder ein Outperformer (Grafik 1).


Aktuell ist die Lücke zwischen Wirtschaftsleistung und Kursen so hoch, dass es eine Korrektur von 64 % bräuchte, um beides wieder in Einklang zu bringen. Wie konnte es aber überhaupt dazu kommen, dass Aktien der Wirtschaft so schnell davonlaufen?

Eine Antwort ist die Bewertung. Die Bewertung, gemessen am KGV, lag bis in die 90er Jahre unter Schwankungen bei durchschnittlich 13. Seither liegt der Durchschnitt bei 25, also fast dem Doppelten (Grafik 2). Man kann argumentieren, dass es eine neue Zeitrechnung gibt. Die Zinsen sind niedrig und Notenbanken stehen im Notfall für die Rettung bereit. Dieses Sicherheitsnetz rechtfertigt eine höhere Bewertung.


Daher müssen Wirtschaftsleistung und Kurse auch nicht unbedingt wieder zusammenfinden. Ebenso sind in den Leitindizes die größten Unternehmen vertreten, die teils Monopolcharakter erreicht haben. Auch unter einem Monopol ist höheres Wachstum als das Wirtschaftswachstum nicht dauerhaft möglich, aber die Margen sind höher. Auch das rechtfertigt eine höhere Bewertung.

Zu guter Letzt lohnt auch ein Blick auf einen noch längeren Zeitraum (Grafik 3). Seit Beginn der Datenreihen hinken Kurse der Wirtschaftsleistung hinterher. Man könnte also ebenso gut argumentieren, dass Aktien noch Luft nach oben haben. Das ist allerdings eine gefährliche Annahme. Unternehmen schütten über Aktienrückkäufe und Dividenden Geld an Anleger aus. Diese Daten stehen über einen so langen Zeitraum nicht zur Verfügung. Man kann aber annehmen, dass mit diesen Ausschüttungen der Aktienmarkt auch über einen deutlich längeren Zeitraum der Wirtschaftsleistung davongelaufen ist.


Kurz gesagt: Der Aktienmarkt ist der Wirtschaftsleistung davongelaufen. Das ist Alchemie, die sich durch die höhere Bewertung erklären lässt. Ändern sich die Umstände, kann die Bewertung fallen (wenn die Zinsen doch wieder steigen und Notenbanken ihre Interventionspolitik aufgeben) oder steigen (z.B. Notenbanken beginnen mit großangelegten Aktienkäufen). Solange die aktuelle Politik anhält, gibt es keinen Grund für die Annahme, dass Aktien wieder zur Wirtschaftsleistung zurückfingen müssen.

Clemens Schmale


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1 Kommentar

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  • Marc1
    Marc1

    Herr Schmale, wie immer interessant. Aber welches Asset wird denn steigen, es kann nicht alles im Kurs fallen, oder doch? Anleihen (eher runter, d.h. Zinsen hoch), Immobilien (eher runter), Rohstoffe (?), Edelmetalle (?), Kryptos (?), Bargeld (nur in Deflation, danach sieht es nicht au

    16:43 Uhr, 09.07. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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