Kommentar
10:01 Uhr, 08.04.2021

Es ist zu viel Risiko im Markt

Notenbanken wird vorgeworfen, dass sie durch die lockere Geldpolitik Spekulationsexzesse unterstützen – vollkommen zu Recht.

Man kann förmlich zusehen, wie sich ein Spekulationsexzess aufbaut. Für Anleger ist das eine schwierige Situation. Obwohl man erkennt, dass zu viel Risiko im Markt ist und das unweigerlich zu einer Korrektur führen wird, gibt es keine Handlungsempfehlung. Spekulationsexzesse können sich monate- oder sogar jahrelang aufbauen. Zu viel Risiko endet nie gut. Risiko wird dabei als Spekulation auf Kredit definiert. In den USA stieg die Margin Debt, also der zum Wertpapierkauf geliehene Betrag, auf über 800 Mrd. Dollar. Das ist ein Rekordwert. Während der Korrektur vor einem Jahr reduzierte sich die Margin Debt von 560 Mrd. auf 480 Mrd. Heute steht sie über 330 Mrd. höher.

Bisher ist die Spekulation aufgegangen. Das Problem entsteht dann, wenn der Markt zu drehen beginnt. Je mehr Aktien auf Kredit gekauft wurden, desto größer ist der Verkaufsdruck in einer Korrektur. Wer Aktien lediglich mit seinem vorhandenen Kapital kauft, kann Korrekturen aussitzen. Wer auf Kredit kauft, kann das nicht.

Für die meisten Wertpapiere müssen nur 5-10 % des Kaufwertes mit Eigenkapital unterlegt werden. Spätestens wenn die Aktie um 5 % korrigiert, ruft der Broker an und will, dass der Kunde mehr Kapital unterlegt. Kann der Kunde das nicht, wird die Position zwangsliquidiert.

In der Realität ist die Lage noch schwieriger. Korrigiert der Markt, steigt die Volatilität. Die Marginanforderung, die Unterlegung mit eigenem Geld, wird anhand der Volatilität bestimmt. Steigt diese, setzen Broker die Anforderungen nach oben. Wer noch gestern lediglich 5 % unterlegen musste, muss morgen schon 10 % oder 20 % unterlegen.

Dieser Prozess ist für Anleger doppelt schlimm. Die Marginanforderung wird hinaufgeschraubt während die Kurse korrigieren. Es kommt zu Margin Calls und Zwangsliquidierungen, die die Kurse noch schneller fallen lassen.


Anleger konnten erst unlängst beobachten wie dramatisch eine solche Situation sein kann. Aktien, die vom Hedgefonds Archegos gehalten wurden, korrigierten. Der Hedgefonds konnte Margin Calls nicht bedienen. Die Positionen wurden zwangsliquidiert und die Aktien fielen zwischen 30 % und 60 %.

Eine solche Situation wird auch für den Gesamtmarkt immer wahrscheinlicher. Je mehr Margin Debt aufgebaut wird, desto mehr muss in einer Korrektur liquidiert werden. Die Gesamtheit der Anleger ist weniger konzentriert als ein Hedgefonds. Der Markt wird nicht um 30 % einbrechen. Er kann aber unerwartet schnell 10 % oder 15 % verlieren.

Dass dieses Szenario droht, ist sicher. Nur weiß eben niemand, wann es soweit sein wird. Es kann morgen soweit sein oder erst im kommenden Jahr. Voreilig in Erwartung seine Positionen zu verkaufen macht wenig Sinn.

Die Margin Debt ist in den letzten 12 Monaten um 50 % angestiegen. Solche Wachstumsraten waren in der Vergangenheit nur selten zu beobachten. Sie waren zudem kurz vor Beginn von Korrekturen zu sehen. Die Lage spitzt sich zu. Persönlich gehe ich nicht davon aus, dass wir bis 2022 warten müssen, bis wir eine temporäre Schieflage erleben.

Clemens Schmale


Tipp: Als Abonnent von Godmode PLUS sollten Sie auch Guidants PROmax testen. Es gibt dort tägliche Tradinganregungen, direkten Austausch mit unseren Börsen-Experten in einem speziellen Stream, den Aktien-Screener und Godmode PLUS inclusive. Analysen aus Godmode PLUS werden auch als Basis für Trades in den drei Musterdepots genutzt. Jetzt das neue PROmax abonnieren!

2 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • all.blacks
    all.blacks

    Wenn das Chart stimmt, genau genug ist, drehten die Margin Debt Zahlen vor dem Markt gen Süden.

    11:59 Uhr, 08.04.2021
  • Dr. Bull
    Dr. Bull

    Sehr interessanter Artikel! Das wird die Robin-Hood-Junkies, die seit einem Jahr auf dicken Gewinnen sitzen und nichts als Gewinne kennen (wohl grade deswegen), aber nicht davon abhalten. Daher schließe ich einen Einbruch von 30% oder mehr nicht aus. Zumal gleichzeitig das eine oder andere Problem (evtl. Bankenkrise) hinzukommen könnte, was dann tatsächlich zu solch einem Einbruch führen und die Robin Hooder und "Zittrigen" rauskicken könnte.

    10:44 Uhr, 08.04.2021

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten