Kommentar
15:00 Uhr, 18.09.2020

Es hilft nichts: Die Zinsen müssen weiter sinken

Nullzinspolitik reicht nicht, um uns vor dem Platzen der größten aller Blasen zu bewahren: den Staatsschulden.

Notenbanken stellen ihre Politik gerne ihrem Mandat gegenüber. Die Mandate sind überall auf der Welt ähnlich. Die Preisstabilität soll gewährleistet sein. Das ist ein unglaublich weites Mandat. Im Namen der Preisstabilität kann viel unternommen werden. Man denke nur daran, dass Negativzinsen und Anleihenkaufprogramme nur in Erfüllung dieses Mandats aufgelegt wurden. In Japan kauft die Notenbank sogar Aktien, um ihr Inflationsziel zu erreichen. Wie das genau helfen soll, ist wohl nur der Notenbank selbst klar. Was hingegen allen klar ist: im Namen der Preisstabilität lässt sich praktisch alles rechtfertigen. Moderate Inflation ist das, was Notenbanken unter Preisstabilität verstehen. Unser Schuldgeldsystem braucht Inflation. Es funktioniert nicht, wenn die Schulden nominal stehenbleiben, die Einkommen und die Wirtschaftsleistung gleichzeitig aber sinken. Schulden werden in einem solchen System schnell nicht mehr tragbar. Genau das ist das Problem der heutigen Zeit...

Die Schuldenberge sind enorm und sie müssen bedient werden. Ohne die Eingriffe der Notenbanken wären Länder wie Italien längst bankrott. Auch in den USA ist dieser Punkt näher als viele denken. Die Schulden sind hoch, die Einnahmen gering. Sparprogramme sind kaum möglich. Ein Großteil der Ausgaben sind nicht antastbare Transferzahlungen. De facto haben die USA den Point of no Return bereits erreicht. Es ist mathematisch unmöglich, dass die Schulden langfristig sinken.

Das hält Notenbanken nicht davon ab, es zu versuchen. In den USA kann sich der Staat unter anderem über hohe Subventionierungen der Notenbank freuen. Die Notenbank kauft Staatsanleihen und Hypothekenpapiere. Die Zinsen, die sie darauf verdient, werden wieder an das Finanzministerium überwiesen. In diesem Jahr dürften diese Zahlungen wieder auf 90 Mrd. steigen (Grafik 1).


Angesichts eines Defizits von über 3 Billionen Dollar ist das ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Zinslast steigt wegen des hohen Defizits auf ein Niveau, das zuletzt vor knapp 20 Jahren erreicht wurde (Grafik 2). Die Verschuldung ist kurzfristig auf 135 % der Wirtschaftsleistung gestiegen. Das liegt am starken Einbruch des Wachstums und wird sich bald wieder tiefer einpendeln.

Die Zinslast ist niedriger als etwa in den 80er Jahren. Damals war die Verschuldung aber geringer. Der Staat konnte sich das theoretisch leisten. Heute ist das nicht mehr der Fall. Überschüsse sind undenkbar und solange die Zinsen positiv sind, werden die Schulden immer weiter steigen. Die Schulden sind damit nicht mehr tragbar.

Unter diesen Umständen darf die Zinslast maximal bei 0 % liegen. Bei 0 % Zinsen ist die Höhe des Schuldenbergs irrelevant. Genau dort müssen die USA und viele andere Länder hin, wenn die Blase nicht irgendwann platzen soll.

Clemens Schmale


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9 Kommentare

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  • Mark G
    Mark G

    Clemens Schmale hat das ganze Dilemma mal wieder auf den Punkt gebracht. Unser Finanzsystem nähert sich dem Ende. Kann gut sein, dass es noch ein paar Jahre funktioniert, bis die Inflation zum Sorgenkind wird. Bis dahin hoffen Politik und Notenbanken die Hoffnung aufrecht zu erhalten, dass die Wirtschaft wieder auf alte Wachstumspfade zurückkehren wird. Genau da habe ich persönlich Zweifel.

    18:05 Uhr, 19.09.2020
  • my shorts are too short
    my shorts are too short

    Interessant ist jedoch die Tatsache, dass die Fed den Ball zur Regierung geworfen hat - mit anderen Worten: "Wir haben keinen Plan was wir jetzt machen sollen" - 0-Zins ist die einzige Alternative - ein negativ-Zins lässt den Goldpreis explodieren - ein positiv-Zins das System kollabieren! - wir leben wahrlich in einer "interessanten Zeit" - gleichzeitig herrscht Anlagenotstand und Marktversagen ....

    danke für jedes Kommentar hierzu

    15:49 Uhr, 18.09.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Tüskendör
    Tüskendör

    Wenn "alle" genug Gold und Aktien haben, dann ist es "egal", ob das Vertrauen in die FED, die Währung oder in beides futsch ist. Vertrauen in den Präsidenten gibt es auch nicht (mehr). Insoweit gibt es nur Perspektiven - und nichts zu befürchten:

    die "Reichen" werden reicher, die "Armen" werden ärmer....

    ... also exakt so wie immer - und alles ist in weltbester Ordnung. Daher wählt man (und weiße Frau) auch lieber einen mörderisch verlogenen Präsidenten erneut - als das man und weiße Frau in den Verdacht gerät jemanden zu wählen, der auch nur in den leisen Verdacht geraten könnte genau dieses Ur-Gesetz des gelebten amerikanischen Traums zu gefährden.

    15:33 Uhr, 18.09.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Market Impact
    Market Impact

    Von mir aus 10% minus Zinsen. Mal sehen wie schnell dann konsumiert wird und die Wirtschat boomt. Ob das dann der Umwelt gut tut ist eine andere Frage.

    15:29 Uhr, 18.09.2020
  • Stockhorn
    Stockhorn

    Herr Schmale, wo soll das einmal enden? Denke Sie wirklich, das kann man 100 Jahre so weiterführen? Bis im Laden ein Brot eine Million kostet? Das wird sich unweigerlich irgendwann voll auf die Teuerung schlagen! Nicht gleich heute, aber bald. Das ist doch alles absolut ungesund! Zeigt nur wieder, wie völlig krank unser Geldsystem ist. Irgend wann ist das Vertrauen futsch und dann ist sowieso Schluss!

    15:09 Uhr, 18.09.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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