Kommentar
08:00 Uhr, 05.06.2021

Es gibt nur einen Weg aus der Finanzalchemie

Die Finanzalchemie der letzten Jahre scheint zu funktionieren. Was die Wirtschaft kurzfristig rettet, kann langfristig jedoch schaden. Es gibt nur einen Weg aus der Misere.

Dass Notenbanken während Krisen eine wichtige Rolle einnehmen, ist absolut richtig. Sie können den Markt und die Wirtschaft stabilisieren. Ohne diese Stabilisierung sähe die Welt heute ganz anders aus. Als vor über einem Jahr ein Land nach dem anderen die Wirtschaft herunterfuhr, herrschte Panik. Diese Panik führte dazu, dass der Finanzmarkt nicht mehr funktionierte. Selbst der wichtigste und als sicherster Markt der Welt geltende Markt für US-Staatsanleihen funktionierte kurzfristig nicht mehr. Die Fed musste Wertpapiere in der Höhe von 1,3 Billionen innerhalb eines Monats kaufen, um den Kollaps zu verhindern. Ohne die Unterstützung durch die Notenbanken hätten sich Staaten kaum refinanzieren können. Dabei geht es noch nicht einmal um die Finanzierung der enormen Ausgaben, die folgten. Kurz gesagt: der Eingriff war notwendig. Die Kernfrage ist, wann der richtige Zeitpunkt für den Ausstieg ist.

Zu viel Liquidität führt dazu, dass sich Spekulationsblasen bilden. Der Aktienmarkt ist hoch bewertet und dank historisch niedriger Hypothekenzinsen steigen die Hauspreise in den USA schneller als zur Zeit der Subprime Euphorie. Das will etwas heißen.

Nun haben wir die Situation, in der Vermögenswerte sehr hoch bewertet sind. Die Sorge, dass die Preise kollabierten, wenn die Geldschwemme aufhört, ist berechtigt. Verliert die Bevölkerung Vermögen, kommt auch die Wirtschaft ins Stottern. Zudem sind Unternehmen und Staat hoch verschuldet. Höhere Zinsen könnten die Schuldenblase zum Platzen bringen.

Einen offensichtlichen Ausweg gibt es nicht. Verschuldung verhindert einen radikalen Kurswechsel in der Geldpolitik ebenso wie hohe Vermögenswerte. Die aktuelle Krise ist jedoch nicht die erste in der Geschichte. Wie gelang es in früheren Krisen, die Schulden abzubauen, ohne Wirtschaft und Finanzmarkt kollabieren zu lassen?

Die Antwort ist einfach: Steuern.

Die USA verschuldeten sich im 19. Und 20. Jahrhundert vor allem durch Kriege. Das Ergebnis ist das gleiche wie heute. Die Schulden steigen. Im Gegensatz zu den letzten Jahrzehnten, wurden die Steuern in der Folge konsequent erhöht. Das muss die Wirtschaft nicht unbedingt abwürgen. Es kommt darauf an, was man besteuert.

Es waren vor allem die Steuersätze für hohe Einkommen, die zum Schuldenabbau beitrugen. Die Verschuldung stieg während Krisen. Zur Finanzierung wurden Steuern erhöht und dann wieder gesenkt. Heute ist das Vorgehen ein anderes. Die Steuern sinken, wenn es gut läuft und sinken noch mehr, wenn es schlecht läuft. Dass das auf Dauer nicht funktionieren kann, muss jedem klar sein.

Das Grundprinzip, dass in Krisen mehr ausgegeben wird und danach die Steuern erhöht werden, gilt seit den 80er Jahren nicht mehr. Kein Wunder, dass sich viele Staaten mit der Hilfe von Notenbanken in eine unmögliche Situation hineinmanövriert haben.


Das scheint sich gerade zu ändern. Viele Länder wollen die Steuern zur Finanzierung der Coronakrise in den kommenden Jahren erhöhen. Das ist kurzfristig für diejenigen mit hohen Einkommen schmerzhaft. In den letzten Jahrzehnten haben es diese Gruppen durch Lobbying geschafft, dass die Steuern gesenkt werden, wenn es Krisen gab (Argument Trickle Down Economics) und vermieden Steuererhöhungen, wenn es besser lief.

Politiker scheinen umzuschwenken. Hohe Einkommen und Vermögen zu besteuern würgt die Wirtschaft nicht ab. Es wäre richtig, die Steuern entsprechend der Verschuldung zu gestalten, wie es Jahrhunderte funktioniert hat. Die Gefahr ist natürlich immer, dass Steuererhöhungen nicht zurückgenommen werden, wenn die Lage besser ist.

Dennoch, will man aus dem Teufelskreis ausbrechen (zu hohe Schulden, daher lockere Geldpolitik, die zu Preisblasen führen, deren Platzen nur durch eine Fortsetzung der lockeren Geldpolitik verhindert wird und so zu noch größeren Blasen führt), hilft alles nichts. Es braucht eine sinnvolle Steuerpolitik.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • Rudi1.0
    Rudi1.0

    Sorry Herr Schmale, aber da widerspreche ich vehement. Wir haben die höchste Steuerbelastung seit Jahrzehnten. Zudem spart sich der Staat durch die null Zinspolitik Milliarden gegenüber früheren Jahren. Die ungezügelte Ausgabenpolitik und der überbordende Sozialstaat treiben die Verschuldung in die Höhe. Wir haben immer weniger Nettozahler in dieser Nation die wiederum keine Lust mehr darauf haben immer nur die Melkkuh zu sein. Es wird nur noch von Bedürftigen gesprochen und nicht mehr von denen die das alles erwirtschaften…

    21:37 Uhr, 05.06.2021
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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