Kommentar
01:00 Uhr, 01.04.2009

Erträge reinvestieren - „The Power of Compounding“

Eins vorweg genommen – das Reinvestieren, also die Wiederanlage von Kapitalerträgen, ist eine der mächtigsten Säulen langfristig erfolgreicher Vermögensbildung und damit auch eine Säule des Noah Investing.

Worum geht es also? Wir starten unseren Exkurs mit einer Erläuterung des Wiederanlage-Prinzips (englisch: compounding) und einer einfachen, von jedem nachvollziehbaren Rechnung:

Angenommen 1000 Euro würden jedes Jahr zu einem festen Zins von nur 5 Prozent angelegt werden und am Ende eines jeden Jahres würde der Zinsertrag sofort reinvestiert werden, dann hätte sich das ursprüngliche Kapital nach 50 Jahren verzwölffacht. Aus 1000 Euro wären 12000 geworden. Die folgende Grafik veranschaulicht den Prozess:

„Fein“ werden Sie vielleicht sagen, „ein Sparbuch hatte ich bereits und reich geworden bin ich damit trotzdem nicht. Die Zinsen sind mickrig, besonders im Vergleich zu anderen Anlagen. Zudem werden sie von der Inflation aufgefressen und überhaupt dauert es mir viel zulange bis da endlich mal was zusammenkommt.“

Das alles ist richtig. Sollten wir das Wiederanlage-Prinzip deswegen von vornherein verwerfen? Natürlich nicht. Ohne Geduld geht es trotzdem nicht. Für den, der mit einem großen Treffer über Nacht reich werden möchte, für den ist Compounding natürlich nichts.

Allerdings müssen wir mit in Betracht ziehen, dass sich unser heutiges Geld selbst exponentiell entwertet. Bei einer Inflationsrate von beispielsweise 6 Prozent im Jahr, erreicht eine in gleicher Höhe rentierende Anlage, selbst wenn Erträge stets reinvestiert werden, also allerhöchstens den Inflationsausgleich. In der Regel werden Kapitalerträge versteuert, damit fällt der Investor noch weiter zurück. Zusätzlich verschleiert wird die Situation, durch herunter gerechnete Inflationsraten, die von Regierungsstellen veröffentlicht werden. Die Herausforderung besteht also darin, Inflation und Steuer kontinuierlich zu schlagen. Das, was nach Abzug der beiden noch übrig bleibt, ist also die reale Rendite, die zur Wiederanlage verwendet werden kann.

Als entsprechend hoch rentierende Anlage bei gleichzeitig vertretbarem Risiko kommen Rentenpapiere in der Regel nicht in Frage, zumindest war dies in den letzten Jahrzehnten so. Zwar bieten Staatsanleihen die Sicherheit der Rückzahlung (ein Staat geht heutzutage nicht Pleite, um Schulden zu bedienen, „druckt“ er sich das Geld), die Rückzahlung erfolgt aber in inflationsentwertetem Geld. Sicher gibt es Ausnahmen, die die Aufnahme von Anleihen in ein Compounding-Portfolio rechtfertigen (z. B. US-Bonds im Jahre 1980, die zu einem Zeitpunkt als Paul Volcker mit einer restriktiven Geldpolitik den Dollar rettete, mit über 20 Prozent nominal rentierten). Auch als Parkpositionen bei einer erwarteten Schwäche in alternativen Anlageformen kommen Anleihen in Frage. In einem inflationären Umfeld, wie wir es derzeit haben, performen Anleihen aber immer unterdurchschnittlich.

Unternehmensanleihen können zu bestimmten Zeiten für das Compounding in Frage kommen. Hier ist der Spread (die Renditedifferenz) zu den „sicheren“ Staatsanleihen entscheidend. Rentieren Unternehmensanleihen nur geringfügig über den Staatsanleihen, sind sie sowohl aus Rendite- als auch Risikogesichtspunkten zu meiden. Dies ist heute, Anfang 2007, der Fall.

Als geeignete Vehikel für das Compounding kommen also nur noch Aktien, Royalty Trusts, REITs (Real Estate Investment Trusts), Partnerships und ähnliches in Frage. Wenn eine Aktie Cash in Form von Dividenden abwirft, können wir diese Dividenden nutzen, um in andere Dividende zahlende Aktien zu investieren. Wenn unsere Auswahl richtig ist, haben wir mit der Zeit eine wachsende Zahl von Werten, die mehr und mehr Cash produzieren.

Damit sind wir bei der Auswahl der Instrumente angelangt. Welche Aktien, REITs etc. sind für das Compounding geeignet? Die mit den höchsten Dividenden? Nicht zwangsläufig. Eine hohe Dividendenrendite kann die verschiedensten Ursachen haben. So könnte es sich um eine Verzerrung durch eine einmalige Sonderausschüttung handeln oder der Aktienpreis ist in Antizipation kommender Probleme stark gefallen. In diesen Fällen gehören die hohen Dividendenzahlungen wohl der Vergangenheit an.

Royalty Trusts oder REITs rentieren, oft steuerlich begünstigt, von vorn herein höher. Dafür ist der Wertzuwachs dieser Instrumente naturgemäß eingeschränkt. Gewinne, die ausgeschüttet werden, können nicht mehr in das Unternehmen / Royalty Trust / REIT investiert werden. In diese Kategorie gehören auch einige Aktien, wie z. B. die meisten großen Tankerunternehmen. Dennoch, wenn die Ausschüttungen gesichert und hoch genug sind, sind diese Instrumente für das Compounding durchaus geeignet.

Die echten Zugpferde des Compounding sind jedoch Aktien von Unternehmen, die über Jahre hinweg ihre Erträge steigern konnten und deren Dividenden entsprechend mitwachsen. Paradebeispiele dafür sind Coca Cola oder McDonalds.

Auf den ersten Blick wirkt die aktuelle Dividendenrendite von einem Dollar oder 2.3% eher mickrig. Erst wenn man sich das langfristige Dividendenwachstum über die letzten 22 Jahre anschaut, wird klar weshalb McDonalds ein idealer Kandidat für das Compounding ist. Die Dividende entwickelte sich von 0.0489 Cents in 1985 bis auf einen Dollar für das Jahr 2006. Die Dividende stieg in diesem Zeitraum Jahr für Jahr kontinuierlich und hat sich mehr als verzwanzigfacht. Nur einmal, im Rezessionsjahr 2002 fiel die Dividende geringer aus als im Vorjahr.

Die hohen und vor allem kontinuierlichen Gewinn- und Dividendensteigerungen schlugen langfristig Inflation und Steuern. Eine Aktie, im Jahr 1985 für splitbereinigte $3.80 gekauft, hat heute, auf diesen Preis bezogen, eine Dividendenrendite von 26 Prozent. Bei einer Wiederanlage der Dividende in dieselbe Aktie fällt diese noch deutlich höher aus.

Interessant dabei ist, dass der Preisverlauf der McDonalds-Aktie die Steigerung in den Gewinnen und Dividenden nicht eins zu eins widerspiegelt. Mit der allgemeinen Baisse 2000-2003 brach auch MCD zusammen und fiel von knapp $50 bis auf ein Tief von $12.12. Mit einem Verlust von 75 Prozent strafte Wallstreet den ungeliebten Blue Chip ab. Doch selbst auf diesem Tiefpunkt, der uns aus heutiger Sicht als der ideale Einstiegspunkt erscheint, erreichte die Dividendenrendite gerade einmal mickrige 0.33 Prozent. McDonalds waren unter Dividendengesichtspunkten also nie richtig „billig“.

Der Preis der Aktie hat sich seitdem fast verviefacht, ist nicht mehr so günstig bewertet und wirkt auf Monatsbasis überkauft. Zum heutigen Zeitpunkt ist sie kein klarer Kauf mehr aber ein „hold“. Ein langfristiges fundamentales „hold“ war sie übrigens auch über die gesamte 75%-Korrektur hinweg. Während der Verlust auf dem Papier in dieser Höhe schmerzt, starke Nerven erfordert und von den allermeisten nicht durchzustehen ist, hätte er sich doch allein mit „Aussitzen“ wieder korrigiert. Keine Frage, mit einem Verkauf, zumindest eines Teils der Position in der Übertreibungsphase 1999 mit anschließendem Rückkauf 4 Jahre später wäre man noch besser gefahren.

Keineswegs ist dies eine Kaufs- oder Verkaufsempfehlung für die McDonalds-Aktie. An diesem Beispiel will ich lediglich die „Power of Compounding“ anschaulich demonstrieren. Für das Noah Portfolio bin ich auf der Suche nach Aktien, die den Kriterien des Compounding gerecht werden und außerdem noch günstig bewertet und charttechnisch ein Kauf sind. Oftmals handelt es sich um „gefallene Engel“, oftmals aber auch kontinuierlich wachsende Unternehmen, die auf den ersten Blick eher langweilig wirken.

Bekannte und weniger bekannte, doch erfolgreiche, Compounder:

Warren Buffett (Berkshire Hathaway)

Monish Pabrai (Privatinvestor)

John J. Byrne / Steven E. Fass (White Mountain Insurance)

Autor: Andreas Otto - [Link "Noah Research" auf www.noah-research.de/... nicht mehr verfügbar] für den langfristigen Investor

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