Kommentar
10:20 Uhr, 02.03.2022

Entpuppt sich der Rebound als Bullenfalle?

Die Panik am US-Markt scheint größtenteils überstanden und der Weg frei für steigende Kurse zu sein. Als Anleger zum letzten Mal so dachten, endete es böse.

Sofern Russlands Rohstoffexporte nicht sanktioniert werden und Russland den Rohstoffexport nicht deutlich reduziert, ist das wirtschaftliche Risiko durch die Krise eingepreist. Trotz einer großen Eskalation über das Wochenende schossen US-Börsen am Montag nur leicht im Minus und der Abverkauf in Europa relativierte sich im Tagesverlauf deutlich. Angesichts der Lage ist diese Widerstandsfähigkeit des Marktes bemerkenswert. Das ist die gute Nachricht. Eine schlechte gibt es auch. Andere Aspekte rücken wieder in den Vordergrund, darunter die Geldpolitik.

US-Notenbanker haben sich durch die geopolitischen Entwicklungen nicht einschüchtern lassen. Sie halten stoisch an ihrer Prognose fest, dass die Zinsen im März angehoben werden und danach rasch steigen werden. Als die Fed das letzte Mal die Zinsen rasch anhob und es Anleger für einen Fehler hielten, kam es Ende 2018 zu einer Korrektur, die das Ausmaß eines Bärenmarktes erreichte (-20 %). Ob Zufall oder nicht, der Kursverlauf von heute gleicht dem damaligen (Grafik 1).

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Nach einer kurzen Erleichterungsrallye kam der schmerzhafteste Teil der Korrektur erst noch. Die Gründe für die Ähnlichkeit des Kursverlaufes sind heute vielfältiger und komplexer, das Resultat kann aber das gleiche sein. Das Grundproblem des US-Marktes bleibt nämlich bestehen.

Die Korrektur führte dazu, dass Bewertung des S&P 500 deutlich zurückgekommen ist. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt wieder auf Vorkrisenniveau (Grafik 1). Das klingt wie eine gute Neuigkeit, doch das KGV war vor Pandemiebeginn hoch. Heute belasten zusätzlich eine hohe Inflationsrate und eine unsichere geldpolitische Wende den Markt.

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Eine Bewertung, die auf einem Level vor Pandemiebeginn liegt, ist immer noch hoch. Das gilt nicht nur für das KGV, welches die Bewertung auf Basis der Gewinne des letzten Jahres misst, sondern auch für die Bewertung auf Basis der zukünftigen Gewinne (Forward KGV, Grafik 3).

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Die Gewinnschätzungen für 2022 dürften zu hoch sein. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das Forward KGV spätestens nach den Ergebnissen zum ersten Quartal deutlich nach oben gedrückt wird, weil die Gewinnschätzungen nach unten revidiert werden. Langfristig ist der Markt ohnehin noch teuer (Grafik 4).

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Die Korrektur hat die Überbewertung des Marktes reduziert. Die Überbewertung ist aber noch nicht verschwunden. Das gilt insbesondere für die Bereiche Technologie und Wachstum. Vor einem Monat zeigte ich bereits Grafik 5. Die Bewertung in Klammern ist die vom vergangenen Monat. Wachstum und Technologie sind nicht mehr hoffnungslos überbewertet, aber immer noch teuer.

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Verfeinert man die Sektoren weiter, stellt sich heraus, dass vor allem Technologie-Megacaps weiterhin sehr hoch bewertet sind. Die Korrektur hat wenig bewirkt. Das Forward KGV liegt immer noch bei 29. Das ist 10 Punkte höher als beim S&P 500. Historisch lagen die KGVs nahe beieinander. Bis 2016 lag das KGV der Megacaps dann zwei Punkte höher, 2018 bereits sechs Punkte höher und nun eben 10 Punkte.

Eine Rückkehr zum langjährigen Mittel bleibt das wahrscheinlichste Szenario. Der Zeitplan dafür ist unsicher. Es bleibt jedoch dabei, dass das Grundproblem (Megacap Überbewertung) noch nicht gelöst ist. Ob das reicht, um zusammen mit Zinsängsten für einen weiteren Rutsch zu sorgen, sei dahingestellt. Das Risiko besteht und wird sich früher oder später materialisieren. Der Markt ist bisher jedoch gut durch die Ängste der letzten Wochen gekommen. Persönlich halte ich Aktien weiter.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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