Kommentar
09:04 Uhr, 14.09.2016

Endlich Bärenmarkt !?

Auf diesen Bärenmarkt mussten Anleger 35 Jahre lang warten. Jetzt ist er aber da, wie einige meinen.

Die wenigsten verbinden den Begriff Bärenmarkt mit etwas Positivem. In diesem Fall ist sicherlich auch nicht jeder gleich begeistert, doch bei vielen dürfte Freude aufkommen. Dieses Kunststück gelingt nicht jeder Anlageklasse, dieser aber schon: Anleihen.

Anleihen haben einen extremen Bullenmarkt hinter sich, weil die Zinsen seit den frühen 80er Jahren praktisch nur eine Richtung kannten. Fallen die Zinsen, dann steigen die Kurse der Anleihen. Das taten sie ziemlich konsistent über einen Zeitraum von 35 Jahren.

Der Preis von US-Langfristanleihen verdreifachte sich innerhalb von drei Jahrzehnten. Wer dann noch die Weitsicht hatte damals Anleihen zu kaufen und lange Zeit zu halten, konnte jährlich Kupons von 12.5 % einsammeln. Selbst wenn man die Kupons nicht reinvestiert hat, konnten so auf 10.000 Dollar Einsatz über 40.000 Dollar an Zinsen verdient werden.

Von solchen Renditen kann man heute nur träumen. Man muss schon dankbar sein, wenn man Anleihen mit positiver Rendite findet. Das gilt nicht nur für Staatsanleihen, sondern inzwischen auch für Unternehmensanleihen. Sparern ist das ein Dorn im Auge. Auch viele Unternehmen leiden darunter. Es sind nicht nur die Banken, sondern vor allem auch Lebensversicherungen, die sehr viel höhere Garantiezinsen erbringen müssen als der Markt derzeit hergibt.

Ein Ende des Bullenmarktes bei Anleihen würde Abhilfe beschaffen. Für viele ist das Ende des Bullenmarktes eine schöne Vorstellung, doch gleichzeitig glaubt niemand daran. Einige prominente Investoren und Investmenthäuser wagen sich nun aber aus der Deckung und meinen: der Bärenmarkt bei Anleihen hat begonnen.

Im Prinzip warten Anleger schon seit Jahren auf diesen Bärenmarkt. Zinsen bewegen sich seit jeher in langen Zyklen. Grafik 2 zeigt die Langfristzinsen in den USA und Großbritannien. Dabei sind die langen Zinszyklen zu erkennen. Insgesamt gab es 5 Bullen- und 4 Bärenmärkte. Die Bullenmärkte dauerten im Durchschnitt 29 Jahre. Der aktuelle Bullenmarkt ist mit 35 der bisher zweitlängste. Der längste dauerte 45 Jahre.

Die Bärenmärkte waren im Durchschnitt mit 24 Jahren deutlich kürzer. Für die meisten Anleger reichen zwei Jahrzehnte allerdings schon aus, um ein ganzes Anlegerleben zu füllen. Bevor man sich nun aber auf üppigere Zinsen freut, muss man sich darüber im Klaren sein, was ein Bärenmarkt bedeutet.

Solange die Zinsen steigen sinken die Preise der Anleihen. Ein Einstieg in diesen Markt ist entsprechend nicht leicht. Selbst wenn man „demnächst“ wieder 3 % erhalten kann, fällt ein Kauf von Anleihen schwer. Wer kauft schon eine Anleihe mit 3 % Kupon, wenn man weiß, dass der Kurs der Anleihe über viele Jahre fallen wird. 3 % nutzen wenig, wenn diese Rendite scheinbar von Kursverlusten aufgefressen wird. Am Ende der Laufzeit hat man zwar die 3 % Rendite pro Jahr erwirtschaftet, doch wenn die Anleihe zwischenzeitlich um 20 % fällt, bleibt selbst so manch hartgesottener Anleger nicht frei von Sorgen.

Die Mehrheit der Anleger ist sich bisher einig darüber, dass man sich mit solchen Fragen gar nicht beschäftigen muss, weil der Bärenmarkt ohnehin nicht kommt. Wie sollen die Zinsen auch steigen, wenn die Notenbanken alles aufkaufen, was nicht bei drei auf den Bäumen ist?

Wie das gehen kann haben wir in den letzten Wochen erlebt. Nach neuen Rekordtiefs bei den Zinsen kurz nach dem Brexit-Referendum steigen die Renditen fast weltweit an. In Deutschland sind bei 10-jährigen Anleihen inzwischen wieder positive Renditen sichtbar. Auch japanische Anleihen bemühen sich wieder über die Marke von 0 % zu springen.

Viele rätseln noch, ob die Zinsen nun wirklich längerfristig steigen werden. Bondkönig Jeffrey Gundlach ist sich der Sache sicher. Er sagte unlängst in einem Reuters Interview, dass das Zinstief ausgebildet wurde. Das Tief bildet sich bereits seit vier Jahren aus, so Gundlach. Die Deutsche Bank sieht das ähnlich und vermutet ebenfalls ein Ende des 35 Jahre währenden Bullenmarktes.

Zwischen dem Ende eines Bullenmarktes und dem Beginn eines Bärenmarktes liegen noch Welten. Die Langfristcharts zeigen noch keine einwandfreie Trendumkehr an, vor allem aber die Notenbankpolitik steht einem Bärenmarkt entgegen.

Gundlach und andere stören sich nicht an der Notenbankpolitik. Sie gehen davon aus, dass die US-Notenbank die Zinswende fortsetzt und in anderen Teilen der Welt die QE Programme zwangsweise ein Ende finden werden. Das muss nicht morgen sein, aber auf Sicht weniger Jahre scheint das gesichert zu sein. Der Grund? Notenbanken gehen die Anleihen aus, die sie kaufen können.

Anleiheknappheit herrscht vor allem in Japan. Das klingt merkwürdig, hat Japan doch die höchsten Staatsschulden weltweit. Japanische Banken halten einen Großteil der Anleihen und müssen sie aktuell auch halten, da sie die Anleihen als Sicherheiten für Transaktionen mit der Notenbank und untereinander vorhalten müssen.

In der Eurozone werden Anleihen knapp, weil die Kriterien der EZB (Rendite oberhalb von -0,4 % und maximaler Anteil von einem Drittel pro Anleihe) die Käufe begrenzen. Ein leichter Zinsanstieg nimmt dem Mangel an Anleihen die Schärfe, weil wieder mehr Anleihen gekauft werden dürfen, wenn die Renditen über -0,4 % steigen.

Dennoch: die Zinswende ist nicht unbedingt eine Wahl der Notenbanken. Sie könnte zwangsweise kommen, weil die Geldpolitik an ihre Grenzen gestoßen ist. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist in den letzten Wochen massiv gestiegen. Mit absoluter Sicherheit kann man nicht davon ausgehen, dass Gundlach Recht behält. Wenn er die Zinswende ankündigt, dann sollte man das jedoch nicht einfach ignorieren. Es ist da tatsächlich etwas dran.

Clemens Schmale

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  • Trading2001
    Trading2001

    Korrektur: Für mich stellt sich schon lange die Frage, warum kauft jemand eine 10 jährige Anleihe mit negativer Verzinsung, wenn er sicher sein kann, dass der Kurs zwar vielleicht nochmal minimal steigt, aber beim geringsten Zinsanstieg die Anleihe definitiv ins Minus fällt.

    13:11 Uhr, 14.09.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Trading2001
    Trading2001

    Ich kann das ganze nicht nachvollziehen:

    "Solange die Zinsen steigen sinken die Preise der Anleihen. Ein Einstieg in diesen Markt ist entsprechend nicht leicht. Selbst wenn man „demnächst“ wieder 3 % erhalten kann, fällt ein Kauf von Anleihen schwer. Wer kauft schon eine Anleihe mit 3 % Kupon, wenn man weiß, dass der Kurs der Anleihe über viele Jahre fallen wird . 3 % nutzen wenig, wenn diese Rendite scheinbar von Kursverlusten aufgefressen wird. Am Ende der Laufzeit hat man zwar die 3 % Rendite pro Jahr erwirtschaftet, doch wenn die Anleihe zwischenzeitlich um 20 % fällt, bleibt selbst so manch hartgesottener Anleger nicht frei von Sorgen."

    Für mich stellt sich schon lange die Frage, warum kauft jemand eine 10 jährige Anleihe, wenn er sicher sein kann, dass der Kurs zwar vielleicht nochmal minimal steigt, aber beim geringsten Zinsanstieg die Anleihe definitiv ins Minus fällt.

    13:09 Uhr, 14.09.2016
  • Introspective
    Introspective

    Auch hier muss ich leider passen.Ich kann nicht in die Zukunft schauen.

    10:43 Uhr, 14.09.2016
  • netzadler
    netzadler

    denke auch, dass negativzinsen ihre grenzen haben und damit auch der bullenmarkt bei anleihen.

    neben dem ende des bullenmarktes erleben wir wohl auch gerade das ende der zinsen, sofern man weiter eine marktbereinigung verhindert

    09:28 Uhr, 14.09.2016
  • 1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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