Kommentar
16:45 Uhr, 10.09.2021

Ende des Booms eingeläutet

Die wirtschaftliche Boomphase hat ein Ablaufdatum. Es ist näher, als viele denken.

An den Wachstumszahlen in Europa und den USA erkennt man das Ende des Booms noch nicht. Im abgelaufenen Quartal konnten die meisten Volkswirtschaften gegenüber dem ersten Quartal 2021 zwischen 1 % und 2 % wachsen. Das waren für viele Länder Rekordwerte bzw. Werte, die seit Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurden.

Diese Zahlen blicken zurück, doch auch an den Schätzungen für das laufende Quartal erkennt man noch kein Ende des Booms. Die US-Wirtschaft etwa soll wieder mit mehr als 1,5 % wachsen. Das Problem ist nicht das Sommerhalbjahr, sondern das kommende Winterhalbjahr.

China gibt einen Vorgeschmack darauf. Der Einkaufsmanagerindex der Industrie fiel unter die Expansionsmarke von 50 auf 49,2 Punkte. Noch dramatischer war der Rückgang bei Dienstleistungen. Hier ging es auf 46,7 Punkte nach unten. Chinas Wirtschaft läuft der Weltwirtschaft um ca. ein Quartal voraus. Spätestens im November kommt es zu einer Abkühlung in den USA und Europa.

Verschiebt man den chinesischen Einkaufsmanagerindex drei Monate in die Zukunft, verlaufen dieser und das US-Äquivalent Hand in Hand (Grafik 1). In den USA und Europa liegen die Einkaufsmanagerindizes noch komfortabel im Expansionsbereit bei ungefähr 60 Punkten. Eine Verlangsamung ist jedoch vorprogrammiert.

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Chinas Abschwung ist besonders interessant, weil er nicht nur von der Inlandsnachfrage bestimmt wird, wie es in den USA eher der Fall ist. Chinas ist immer noch die Werkbank der Welt. Sinkt der dortige Index, bedeutet dies, dass die Aufträge aus dem Ausland nicht mehr reinkommen.

Tatsächlich ist die Komponente für den Auftragseingang unter die Marke von 50 Punkten gerutscht. Gleichzeitig ist noch etwas anderes geschehen. Die Komponente für den Lagerbestand ist ansteigend und wieder über 50 Punkte. Die Lager füllen sich wieder bzw. sind voll.

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Bei uns gibt es immer noch einen Engpass an vielem. China zeigt, dass es nicht an fehlenden Gütern liegt. Die Güter sind größtenteils vorhanden, mit Ausnahme weniger Produkte wie etwa Halbleitern. Das Problem ist ein anderes: der Transport. Die Güter sind nicht dort, wo sie verkauft werden, sondern z.B. liegen in Lagerhäusern an chinesischen Häfen.

Aus diesem Grund verschärft sich die Lage weiter und die Preise für den Transport steigen. Die Kosten, um einen Container von China in die USA zu verschiffen, haben sich seit Beginn der Krise verfünffacht (Grafik 3). Vereinfacht gesagt ist das Inflation, die in der Lieferkette nur darauf wartet, an Kunden weitergegeben zu werden.

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Alles zusammengenommen haben wir nun folgende Situation: Die Aufträge sinken. Das heißt, dass die Nachfrage zu sinken beginnt und das wiederum bedeutet zukünftig geringeres oder negatives Wachstum. Gleichzeitig verschlimmert sich die Lage in der Lieferkette, konkret beim Transport. Dies wird die Preise von Produkten weiter nach oben drücken. Im Winter steht weiterhin hohe Inflation an, während das Wirtschaftswachstum dramatisch sinken wird. Diejenigen, die vor Stagflation warnen, haben nicht ganz Unrecht.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • mkgeld
    mkgeld

    Leider sind die Zahlen von China gesteuert wie die Politik es brauch. So wie sie gegen Tech Unternehmen vorgehen sind sie auch bereit einen Hafen wegen einem Coronafall dicht zu machen um die Preise zu treiben. Und bezüglich der Halbleiter wäre es interessant zu wissen ob die chinesischen Hersteller die gleichen Probleme haben wie der Rest der Welt. Evtl. werden gerade die Waren gehortet die wir in Europa dringend brauchen; Halbleiter ?? Seltene Erden usw.

    15:49 Uhr, 11.09.2021
  • Blaues_Hufeisen_liebt_Anacott_Steel
    Blaues_Hufeisen_liebt_Anacott_Steel

    Sinkt die internat. Nachfrage nach Waren, so wird es infolge vermutlich auch weniger Bedarf nach Transportdienstleistungen geben, was die Preise drücken wird.

    Reduziert sich die Nachfrage nach chinesischen Waren, so wird all das was derzeit noch in chinesischen Häfen und Lagern liegt, später mal verramscht werden.

    21:29 Uhr, 10.09.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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