Kommentar
07:13 Uhr, 30.01.2017

Ende der lockeren Geldpolitik: Es geht, wenn man will!

Die US-Notenbank macht es gerade vor wie es geht: sie hebt die Zinsen an und diskutiert so langsam auch über eine Reduktion der Bilanzsumme. Viele zweifeln daran, dass dies auch tatsächlich gelingen wird.

Man kann es sich kaum vorstellen: die US-Notenbank normalisiert nicht nur das Zinsniveau (wenn auch sehr langsam), sondern will auch ihre aufgeblähte Bilanz wieder verkleinern. Es gibt viele Gründe, weshalb das nicht gelingen soll und kann.

Obwohl die Regulation in den letzten Jahren verschärft wurde und Banken mehr Kapital halten müssen, ist das Finanzsystem noch immer anfällig für Krisen. Es geht dabei nicht um kleinere Krisen am Rande, sondern um Systemkrisen.

Banken mögen heute weniger stark gehebelt sein als 2007/08 und Konsumenten weniger verschuldet sein, doch dafür sind die Staatsschulden explodiert. Vor allem das ist ein großes Problem. Die meisten Wirtschaften wachsen, wenn es richtig gut geht, mit einem Prozent pro Jahr (z.B. Italien). Durch Wirtschaftswachstum lassen sich die Schulden nicht mehr abbauen.

Auch durch Inflation lassen sich Schulden kaum beseitigen. Kurzfristig steigt die Inflation nun wieder an, weil die Rohstoffpreise sich auf Jahressicht stark erhöht haben. Mittelfristig bleibt Inflation aber Mangelware. Die Weginflationierung der Schulden ist derzeit kein valider Rettungsanker.

Während also die herkömmlichen und schmerzfreien Mittel (Inflation, Wachstum) der Schuldenreduktion keine Option sind, steigen die Verbindlichkeiten der Regierungen immer weiter an. Die Schulden sind bereits jetzt sehr hoch, doch durch explodierende Kosten für die Gesundheitssysteme und eine Unterfinanzierung der Rentensysteme sind die langfristigen Verbindlichkeiten enorm.

Selbst wenn Staaten zu sparen beginnen, sind Haushaltsüberschüsse kaum denkbar. Aufgrund der demographischen Entwicklung steigt das strukturelle Defizit unaufhörlich weiter. Weil die Verschuldung immer weiter steigen wird, sind viele überzeugt, dass Notenbanken die Geldpolitik nie wieder normalisieren können. Sie können weder die Zinsen substantiell anheben noch ihre Bilanzen verkleinern. Letzteres gilt vor allem, weil man befürchtet, dass keiner außer den Notenbanken die Staatsschulden noch kauft.

Eigentlich sind die meisten Staaten bankrott. Hören Notenbanken mit ihren QE Programmen auf und erhöhen die Zinsen, droht der Zusammenbruch. So die Logik, die zugegebenermaßen sehr bestechend ist. Nur weil die Logik bestechend ist, muss das nicht bedeuten, dass es auch so kommt.

Großbritanniens Zentralbank gibt es seit langem. Sie hat zudem ein äußerst spannendes Datenarchiv, welches den Blick auf die letzten 320 Jahre ermöglicht. Das Resultat ist in Grafik 1 zu sehen. Die grüne Linie zeigt die Bilanzsumme der Notenbank im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.

Man kann wahrlich nicht bestreiten, dass die letzten Jahre außergewöhnlich waren. Die Bilanzsumme stieg von weniger als 5 % der Wirtschaftsleistung auf knapp 25 %. Der Ausgangspunkt für den Anstieg war der niedrigste in der 320-jährigen Geschichte. Das derzeitige Rekordniveau ist zudem gar nicht einmal so außergewöhnlich. Bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lag der Wert bei 20 %.

Der Notenbank ist es immer wieder gelungen die Bilanz zu normalisieren. Das ging nicht von heute auf morgen. Nach dem ersten Anstieg im 18. Jahrhundert dauerte es über ein halbes Jahrhundert, bis sich die Bilanz wieder normalisiert hatte. Auch im 19. Jahrhundert ging es nicht wesentlich schneller. Lediglich nach dem Zweiten Weltkrieg gelang die Normalisierung in ziemlich genau 50 Jahren.

Das ist schon einmal die erste wichtige Erkenntnis. Eine Bilanznormalisierung kann man nicht in Jahren messen, sondern muss Jahrzehnte ansetzen. Wer nervös wird, weil der Ausbruch der Krise knapp 10 Jahre zurückliegt, wird frühzeitig nervös. Gemessen an der Historie haben Notenbanken noch weitere 50 Jahre Zeit, um ihre Bilanzsummen zu verkleinern.

Sie verkleinern dabei ihre Bilanzsumme nicht aktiv. Der Geldbetrag bleibt für gewöhnlich konstant oder steigt über die Jahre. Sofern die Wirtschaft schneller wächst, gelingt die Normalisierung jedoch im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung.

Notenbanken weiten vor allem dann ihre Bilanzen aus, wenn die Staatsschulden schnell steigen. Grafik 2 zeigt die Bilanzsumme und die Verschuldung im Verhältnis der Wirtschaftsleistung. Verschuldung und Bilanz verlaufen in den gleichen langen Zyklen. Mit dem Wirtschaftswachstum hat das jedoch wenig zu tun. Die Korrelation aus Bilanz, Verschuldung und Wachstum ist bestenfalls vage.

Nun wird die Staatsverschuldung in den meisten Ländern nicht mehr wesentlich sinken können. Italien wird seine Schuldenquote kaum wieder unter 100 % drücken können. Mit etwas Glück gelingt eine Stabilisierung oder Reduktion unter 120 %. Bei gleichzeitig langsamen Wachstum führt das immerhin dazu, dass sich die Bilanzsumme der italienischen Notenbank immerhin von 25 % des BIPs auf 15 % reduzieren könnte.

Die Ausgangslagen für eine Normalisierung waren in der Geschichte schon weitaus schwieriger als jetzt. Notenbanken werden zwar kaum aktiv ihren Anleihebestand verkaufen, doch über die Jahrzehnte relativiert sich der Einfluss der Zentralbanken wieder. Viele wollen es zwar nicht wahrhaben, aber eine gewisse Normalisierung wird kommen.

Clemens Schmale

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10 Kommentare

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  • geht_wen_an
    geht_wen_an

    Wohl kaum Herr Schmale

    er liegt vorn
    Hamon gewinnt Vorwahl der Sozialisten
    http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-01/frankreich-benoit-hamon-sozialisten-praesidentschaftskandidat

    Linker Neuanfang gegen Wirtschaftsnähe
    http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-01/manuel-valls-benoit-hamon-frankreich-debatte

    die unendliche Fiat Geldentwertung kommt
    mit der Automatisierung Industrie 4.0 und Blockchain wird sich das nicht mehr verhindern lassen

    Frankreich: Präsidentschaftskandidat Hamon will bedingungsloses Grundeinkommen, Arbeitszeiten senken, Gewerkschaften stärken
    http://www.epochtimes.de/politik/europa/frankreich-praesidentschaftskandidat-hamon-will-bedingungsloses-grundeinkommen-arbeitszeiten-senken-gewerkschaften-staerken-a2036357.html

    13:21 Uhr, 30.01.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Es gibt einen gewichtigen Grund, ausgerechnet jetzt mit einer "Normalisierung" der Zinsen wie auch der Zentralbankbilanzen zu beginnen. Dieser Grund sitzt im Weißen Haus und heißt Donald Trump. Notiz am Rande: Die letzte "Normalisierung" fand zu Beginn der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren statt.

    11:06 Uhr, 30.01.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Bigdogg
    Bigdogg

    Warum sollte eine Zinserhöhung nicht klappen, rein technisch machbar. Das Problem ist das halt relativ zeitig der Gesamtmarkt zusammenbricht. So einfach ist das, wenn das der Plan der FED ist,um z.B. Trump Knüppel zwischen die Füsse zu werfen, dann erhöht Yellen einfach. Was sollte denn daran schwierig sein. Die psychologischen Spielchen sind doch nur Augenwischerei und eine billige Show dazu

    10:52 Uhr, 30.01.2017
  • Daniel Kühn
    Daniel Kühn Freier Finanzjournalist

    das Auslaufen einer Anleihe wirkt sich aus wie ein Verkauf, es wird Zentralbankgeld vernichtet

    08:30 Uhr, 30.01.2017
  • tourguide
    tourguide

    OK, ist zwar bei einer doppelten Buchhaltung schwer zu verstehen, aber wenn es so ist,OK! Wie verhält es sich aber mit den Anleihen, welche sie einfach auslaufen läßt?

    08:11 Uhr, 30.01.2017
  • tourguide
    tourguide

    Hallo Herr Schmalle, ich habe mal einen schönen Bericht über die Geldschöpfung gelesen. Da wurde unter anderem erläutert, dass die einmal gechöpfte Menge einer Zentralbank nicht mehr reduziert werden kann. Das würde heißen, dass die Menge Geld zwar gleich bleibt, aber die Bewertung der Anleihen die Bilanz reduziert!?

    08:01 Uhr, 30.01.2017
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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