Kommentar
19:23 Uhr, 16.05.2017

Emmanuel Macron: Schon gescheitert?

Frankreich hat einen neuen Präsidenten und befindet sich in Aufbruchsstimmung. Ob daraus etwas wird, darf man bezweifeln.

Macron hat die Wahl zwar gerade erst gewonnen, doch schon jetzt muss man sich fragen, ob die Zeit, die er hat, überhaupt reicht. Er hat 5 Jahre lang Zeit etwas zu verändern. Dass ihm das gelingt, ist fraglich, denn die Probleme türmen sich hoch in den Himmel.

Man darf auch nicht vergessen, dass auch Sarkozy und Hollande angetreten sind, um Frankreich zu reformieren. Sarkozy wurde nicht wiedergewählt. Hollande trat gar nicht erst zur Wiederwahl an. Zuletzt lagen seine Zustimmungswerte im tiefen einstelligen Bereich.

In Frankreich hat es große Tradition, dass dem Präsidenten alle Schuld der Welt aufgebürdet wird. Wer ist schuld, wenn die Wirtschaft krankt? – Der Präsident. Wer ist schuld, wenn die Einwanderung zu hoch ist? – Der Präsident. Wer ist schuld, wenn die Sonne nicht scheint? – Der Präsident.

Franzosen haben sich mit Macron wieder einmal für den Wandel entschieden. Das hatten sie auch bei den letzten zwei Wahlen, aber wer weiß, vielleicht ist diesmal alles anders. Frankreich kommt nämlich gar nicht mehr vom Fleck. Eventuell erhöht das die Bereitschaft zur Veränderung.

In den letzten Jahren oder sogar Jahrzehnten sprachen sich die Franzosen in den Wahlen für Wandel aus. Sie wollten Veränderung und Reformen. Jedes Mal, wenn dann aber Reformen beschlossen wurden, wurde gestreikt, notfalls wochenlang. Jeder will Veränderung, aber keiner will sich ändern. So wird das natürlich nichts. Es muss aber etwas werden.

Frankreich liegt in so vielen Bereichen hinten, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll. Es beginnt schon damit, dass Frankreich eine sehr hohe Staatsverschuldung hat (s. Karte 1). Aus den 26 gezeigten Ländern belegt Frankreich Rang 20. Dahinter kommen nur noch Länder, die unschön zur Peripherie gezählt werden. Ausnahme ist lediglich Belgien.

Die hohe Verschuldung ist schnell erklärt. Frankreich beschäftigt überproportional viele Menschen im Staatsapparat (Karte 2). Das per se muss kein Schicksalsurteil sein. Die nordischen Länder haben ebenfalls eine hohe Staatsbeschäftigung. Die Verschuldung lässt dabei nicht darauf schließen. Die Verschuldung ist im Norden geringer als im Rest der EU.

Frankreich hat eine der höchsten Staatsquoten überhaupt. Diese wird im Gegensatz zu den nordischen Ländern allerdings nicht sonderlich effizient genutzt. Vielleicht liegt es auch daran, dass alle anderen Beschäftigten unterdurchschnittlich viel arbeiten (Karte 3). In Frankreich ist das Arbeitsleben mit 33-35 Jahren relativ kurz. Sieht man einmal von den ehemaligen Krisenländern Spanien und Portugal ab, ergibt sich eine hohe Korrelation zwischen der Dauer des Arbeitslebens und der Staatsverschuldung.

Der Zusammenhang macht intuitiv Sinn. Gibt der Staat viel aus, arbeiten die Menschen aber generell weniger lang und beziehen entsprechend früher Renten, belastet dies den Staatshaushalt überproportional. Zudem kommt in Frankreich noch eine relativ hohe Arbeitslosigkeit hinzu. Die Quote liegt mit 10 % über dem Eurozonendurchschnitt von 9,5 %. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch und die durchschnittliche Wochenarbeitszeit gehört in Frankreich zu den niedrigsten der OECD Länder.

Frankreich braucht dringend Veränderung. Das wissen die Franzosen auch selbst sehr gut. Sie wählen ja die Veränderung. Bisher scheiterten Reformen dann aber immer am Widerstand der Bevölkerung. Es wird für Macron extrem schwierig werden, dies zu ändern. Persönlich mache ich mir da nur geringe Hoffnung.

Clemens Schmale

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8 Kommentare

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  • GEZet
    GEZet

    bei der griechenlandrettung geht es eigentlich um frankreich, die retten die fr. banken

    und nicht griechenland!

    09:04 Uhr, 17.05.2017
  • netzadler
    netzadler

    Franzosen sind mehr mensch als Maschine, in Deutschland ist das andersrum. sieht man schon an den geburtenquoten.

    ich empfehle erich fromm: "vom haben zum sein".

    die deutsche Mentalität killt den euro.

    glaubt hier jemand, Deutschland ist (vor)letzter beim ESC, weil das Lied so schlecht war ?

    08:59 Uhr, 17.05.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Long oder Short
    Long oder Short

    Macrons Anküdundigungen sind aber so ziemlich das Gegenteil von Hollandes Ankündigungen, der ja fließenden Honig und fliegende Brathühner für alle und für umsonst versprochen hatte.

    Wundert mich eher weniger, dass das ein Flop wurde.

    08:16 Uhr, 17.05.2017
  • Ridicule
    Ridicule

    Frankreich will Veränderungen, nur soll sich bei den Franzosen nichts ändern. Das ist das Dilemma. Ich habe seit den 90ern immer mal wieder für längere Zeit mit Franzosen zu tun. So häufig wie Deutschland seit dieser Zeit am Tag über Reformen spricht, spricht der Franzose nicht mal im Jahr über dieses Thema. Ich mache Marcrons politisches überleben an zwei Notwendigkeiten fest, a) längere Arbeitszeiten und b) eine Rentenreform umzusetzen. Meine Erfahrung sagt mir, bzgl. der Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung sehr sehr skeptisch zu sein.

    Gruß

    07:11 Uhr, 17.05.2017
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    Die Franzosen wollen Veränderung ... - und zwar so, dass sie sich den Wohlstand und ihre Bequemlichkeit über Eurobonds von den Deutschen finanzieren lassen.

    Hier wird gespart bis die Schwarte kracht und da drüben wird weiter gefeiert als gäbe es kein morgen mehr ...

    23:17 Uhr, 16.05.2017
    1 Antwort anzeigen
  • Lumpazi
    Lumpazi

    ,,Franzosen haben sich mit Macron wieder einmal für den Wandel entschieden."

    Das hätten sie, wenn sie sich mehrheitlich für Le Pen entschieden hätten. So aber: Macron oder einen Stock oder einen Esel, Hauptsache nicht Le Pen. Sein Programm? C'est égal.

    21:46 Uhr, 16.05.2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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