Emerging Markets: Fast schon ein "sicherer Hafen"
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Paradigmenwechsel? Emerging Markets werden nicht mehr überproportional abgestraft
Der Brexit sorgte in Europa, den USA und Japan für große Aufregung und große Kursabgaben. Eigentlich hätte das einen substantiellen Risk-off Modus zur Folge haben müssen, in dem Anleger risikoreiche Anlagen aus Emerging Markets abstoßen. So funktionierte es in den vergangenen Jahren. Beim kleinsten Anschein von Unsicherheit wurden EM-Assets verkauft.
Die Unsicherheit hierzulande hat sich in den Zinsen in den EM kaum niedergeschlagen. Der Abwärtstrend der Renditen ist absolut intakt und hat sich in einigen Ländern wieder beschleunigt. Nicht ganz so glimpflich sind die Währungen davongekommen. Sie verloren je nach Markt zwischen 2 % und 10 % (intraday). Inzwischen ist das wieder vollkommen ausgebügelt. Die meisten Währungen notieren heute gegenüber dem Dollar höher als vor dem Brexit.
Brasilien als Top-Perfomer
Besonders eindrücklich zeigt sich die „Flucht“ in Emerging Markets anhand des Beispiels Brasilien. Obwohl sich das Land nach wie vor in einer schweren politischen und wirtschaftlichen Krise befindet, konnte der Real gegenüber dem Dollar allein im Juni gut 10 % zulegen. Aktien gewannen im gleichen Zeitraum 6 %. Inklusive der Währungsgewinne beläuft sich das Plus der Aktien im Juni auf über 16 %.
Der enge Zusammenhang ist leicht nachzuvollziehen. Sinkende Zinsen sind Ausdruck dafür, dass Geld zurück ins Land strömt. Ausländische Investoren kaufen brasilianische Assets, was für sinkende Renditen bei Anleihen und steigende Aktienkurse sorgt. Wer in den entsprechenden Assets investiert ist, kann gleichzeitig von der Aufwertung der Währung profitieren. Mit brasilianischen Aktien konnte man inklusive der Währungsgewinne in diesem Jahr bereits eine Performance von 50 % einfahren.
Zinsen mit Luft nach unten, Aktien mit Luft nach oben
Die Rally hat zwar schon eine erhebliche Strecke zurückgelegt, doch das Ende muss noch lange nicht erreicht sein. Die Zinsen haben noch Luft nach unten, sodass auch Aktien weiter steigen könnten. Ein Ende des Trends ist auch deswegen nicht abzusehen, weil Anleger aus entwickelten Ländern zuletzt wieder eine hohe Risikobereitschaft gezeigt haben. Sie haben großen „Appetit“ auf Emerging Markets.
Der Appetit lässt sich vor allem durch zwei Faktoren erklären: Der Boden der politischen und wirtschaftlichen Krisen dürfte erreicht sein und Renditen findet man außerhalb der EM kaum noch. Vor allem letzteres ist ein wichtiges Argument. In Europa und Japan erhält man selbst für Anleihen mit 40 Jahren Laufzeit praktisch keine Rendite mehr. In Brasilien lassen sich über 10 % pro Jahr erzielen.
So volatil Emerging Markets auch sind, das Chance-Risiko-Verhältnis ist gar nicht so schlecht. Hat man als Investor die Wahl zwischen 4 % Rendite auf Sicht von 40 Jahren bei japanischen Staatsanleihen oder 11 % Rendite auf Sicht eines Jahres in Brasilien, dürfte die Wahl trotz aller Krisen und Volatilität leichtfallen.
Anleger kommen gerade zu dem Schluss, dass die Nullzinsphase noch sehr viel länger anhalten wird als bisher gedacht. Das wird EM auf absehbare Zeit unterstützen. Größter Risikofaktor für EM Investments bleibt China. Da China der wichtigste Abnehmer von Rohstoffen aus diesen Ländern ist, kann ein Nachfrageeinbruch in China das Chance-Risiko-Verhältnis wieder rasch drehen. Bis es soweit ist dürften Emerging Markets weiterhin gut laufen. Ein sicherer Hafen sind sie vielleicht nicht, doch wer Rendite sucht, für den sind sie momentan der einzige Hafen. Daran ändert auch eine Erholung in Europa und den USA nichts, denn im Vergleich zu den EM ist das Potential begrenzt.
Clemens Schmale
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