Kommentar
06:46 Uhr, 01.10.2015

Emerging Markets: Es kann dramatisch werden

Während der Markt noch dabei ist zu verstehen, was überhaupt passiert und darüber nachdenkt, ob die Situation schlimm ist, stehen viele Märkte direkt am Abgrund.

Geschichte wiederholt sich. Sie tut das vielleicht nicht 1 zu 1, aber Parallelen sind immer wieder zu erkennen. Heute gibt es viele Parallelen zu den 70er und 80er Jahren. Für Europa und die USA muss das nicht das Ende der Welt bedeuten. In den 80er Jahren beschleunigte sich das Wachstum in vielen westlichen Ländern. In Entwicklungsländern war die Situation eine vollkommen andere.

Am Ende der damaligen Entwicklung standen der Kollaps von Währungen und Staatsbankrotts. Ob es heute wieder so dramatisch enden wird ist noch offen. Anleger müssen sich jedoch sehr genau überlegen, ob sie bereits jetzt auf einen Turnaround in Ländern wie Brasilien, Südafrika, Chile oder Mexiko setzen wollen.

Was Anleger derzeit sehen können ist die massive Abwertung von Emerging Market (EM) Währungen. Im Verhältnis zu den 80er Jahren ist das bisher nur ein vager Vorgeschmack dessen, was im schlimmsten Fall geschehen kann. Grafik 1 zeigt anhand des Beispiels Brasilien, was damals geschah.

Die Grafik zeigt die historische Entwicklung der Währung. Die historische Entwicklung beinhaltet die Währungsreformen. So wurden etwa Mitte der 80er Jahre einige Nullen gestrichen. Geholfen hat das nur kurzfristig. Es waren mehrere Währungsreformen bis Anfang der 90er Jahre notwendig, um die Lage in den Griff zu bekommen.
Die großen Sprünge in der Entwicklung sind auf zwei Faktoren zurückzuführen. Einerseits waren die Währungskurse teils an den Dollar gekoppelt, andererseits ist auch die Datenverfügbarkeit sehr begrenzt. Oftmals gibt es nur einen Datenpunkt pro Jahr für die Zeit vor 1994.

Die unadjustierte Zeitreihe der Währung zeigt den Verlauf des Wechselkursverhältnisses gegenüber dem Dollar ohne den Effekt der Währungsreformen. Die Nullen, die bei Währungsreformen gestrichen wurden, wurden hier nicht gestrichen. Im Verhältnis zu der Zeit 1970 bis 1994 erscheint die Währung heute relativ stabil, doch der Eindruck ist trügerisch. Die historische Zeitreihe gibt hier sicherlich einen besseren Eindruck.

Die Südamerikakrise hatte mehrere Ursachen. Insbesondere ist sie auf die Entwicklung der Rohstoffpreise zurückzuführen. Hohe Preise ermöglichten hohe Investitionen und sorgten für einen Zustrom ausländischen Kapitals. Die Auslandsschulden wuchsen sehr schnell. Als die Rohstoffpreise zu sinken begannen und die USA ihre Zinsen (Auslandsschulden waren oftmals in Dollar) massiv erhöhten, um die Inflation zu bekämpfen, waren viele Länder nicht mehr in der Lage ihre Schulden zurückzuzahlen.

Dieses Problem hatte nicht nur Brasilien. Grafik 2 zeigt den Verlauf für Mexiko. Die Entwicklung ist hier nicht weniger dramatisch als in Brasilien, wobei Mexiko mit einer Währungsreform auskam.

Im Gegensatz zu den 80er Jahren ist die Situation heute in vielen Aspekten anders. Dafür gibt es andere Faktoren, die die Situation nicht besser machen. Im Gegensatz zu damals sind die Auslandsschulden heute geringer. Gleichzeitig sind die Währungsreserven relativ hoch und die Währungen sind nicht mehr an den Dollar gekoppelt. Was die Situation verschlimmert ist die US Zinswende. Die US Leitzinsen sanken damals bereits wieder als die Lage zu eskalieren begann. Heute beginnt die Eskalation mit baldigen Zinserhöhungen.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass sich die Krise von damals nicht wiederholt – sei es die Südamerikakrise oder die Asienkrise. Diese Beobachter haben bis zu einem gewissen Grad recht. Die Krise wird sich nicht genauso wiederholen. Sie wird einen anderen Verlauf nehmen. Doch es bleibt dabei: eine Krise lässt sich kaum verhindern.

Die Zinswende in den USA sorgt bereits seit 2013 dafür, dass Kapital aus den betroffenen Ländern abgezogen wird. Das schwächt die Währungen. Viel wichtiger als dieser Faktor ist jedoch der Rohstoffmarkt. Solange die Preise sinken oder auf niedrigem Niveau stagnieren, kann man nicht mit einer Trendwende rechnen. Niedrige Rohstoffpreise begrenzen die Deviseneinnahmen. Diese werden in den kommenden Jahren weiter sinken.
Damals sanken die Reserven, weil die Notenbanken intervenierten. Das tun sie heute nur begrenzt. Trotzdem werden die Reserven schrumpfen, auf ganz natürliche Art und Weise, weil die Einnahmen aus den Rohstoffexporten wegbrechen.

Die Auslandsschulden sind heute geringer, doch durch die Währungsabwertungen erhöhen sie sich schnell. Bis zum Ende der Abwertung könnten sich die Auslandschulden in lokaler Währung gemessen noch einmal verdoppeln. Das führt nicht bei jedem Land dazu, dass die Schulden nicht mehr bedient werden können, doch es wird das Wirtschaftswachstum in den betroffenen Ländern massiv beeinträchtigen.

Persönlich gehe ich nicht von einer Bankrottwelle aus. Vielmehr sehe ich jene Länder, die damals in den Bankrott gingen, heute in einer Situation wie Chile und Südafrika damals. Grafik 3 zeigt die chilenische Währung und den Kupferpreis. Trotz großer Probleme musste Chile keine Währungsreform durchführen.

Grafik 3 zeigt vor allem eine Entwicklung: fällt der Kupferpreis, dann wertet der chilenische Peso ab; steigt Kupfer, dann wertet die Währung auf. Das ist ein ganz simpler Prozess, der heute noch genauso gültig ist wie damals. Hohe Preise bedeuten, dass Chile sehr viel mehr Dollar einnimmt und die Nachfrage nach der lokalen Währung massiv steigt. Fällt der Kupferpreis, dann brechen die Deviseneinnahmen weg und ausländisches Kapital wird abgezogen.


Es reicht übrigens nicht, wenn Rohstoffpreise stagnieren. Bereits ein stabiler Preis führt zu einer Abwertung der Währung. Rohstoffpreise müssen steigen, damit die Währung aufwertet. Das zeigt auch das Beispiel Südafrika (Grafik 4).

Brasilien, Mexiko und andere Rohstoffexporteure werden in der aktuellen Krise höchstwahrscheinlich nicht in den Bankrott gehen. Die Währungen können dennoch weitere 50% verlieren. Der Verlauf wird jenem von Südafrika und Chile ähneln und das ist eine Entwicklung, die sich viele Jahre hinzieht. Die Beispiele Südafrika und Chile zeigen, dass die Währungen ihre Abwertung erst im Jahr 2001/02 umkehren konnten. Das war die Zeit als Rohstoffe von einem 20-jährigen Bärenmarkt in einen Bullenmarkt wechselten.
Keiner weiß wie lange der Bärenmarkt der Rohstoffe dieses Mal andauern wird. Wenn es so lange dauert wie in der letzten EM Währungskrise, dann haben wir zeitlich erst ein Viertel der Bewegung hinter uns (Grafik 5). Was die Abwertung der Währungen anbelangt hätten die Währungen noch Abwärtspotential von zwei Dritteln, wobei sich derzeit eine erste Zuspitzung andeutet. Diese Zuspitzung, die an den Zusammenbruch von EM Währungen erinnern, dürfte mittelfristig unterbrochen werden. Das ist jedoch noch nicht das Turnaround Signal, sondern lediglich eine Unterbrechung der langfristigen Abwertung.

Kurz gesagt: Wiederholt sich die Geschichte ansatzweise, dann kommt es in den kommenden Wochen und Monaten zu einer Bärenmarktrallye von EM Währungen, Rohstoffen und Aktien. Der Abwärtstrend setzt sich danach noch viele Jahre fort.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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