Kommentar
08:40 Uhr, 12.01.2019

Eine Welt ohne Euro - alles besser?

Der Euro ist nicht beliebt. Zuerst hat er die Schuldenkrise verursacht und verhindert nun die Erholung. Eine Welt ohne Euro wäre so schön!

Eurokritiker haben gute Argumente. Der Euro führt unter anderem dazu, dass Länder wie Italien nicht einfach ihre Währung abwerten können. Genau das wäre aber notwendig, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Die Gemeinschaftswährung schadet aber nicht nur den Problemländern, sondern auch denen, die angeblich profitieren.

Über das Zahlungsausgleichssystem (Target2) sitzen Länder wie Deutschland indirekt auf horrenden Forderungen gegenüber Ländern wie Italien. Ob diese Forderungen jemals wieder ausgeglichen werden, ist ungewiss. Sie sind ein Pulverfass. Zerbricht der Euro, werden wir das Geld nie wiedersehen.

Dieses Ungleichgewicht ist nicht das einzige. Die Zinsen sind im Norden zu niedrig, im Süden zu hoch. Eine zu schwache Währung im Norden führt dazu, dass weniger in produktivitätssteigernde Maßnahmen investiert wird. Für den Süden ist die Währung immer noch zu stark und verhindert eine wirtschaftliche Erholung über den Export.

Der Fall liegt irgendwie klar auf der Hand. Die Welt wäre ohne Euro besser.

Stellen wir uns einfach einmal diese Welt ohne Euro vor. In dieser Welt gibt es keine Maastricht-Kriterien, die Anfang der 90er Jahre eingeführt wurden. Sie sollten dafür sorgen, dass Staaten ihre Schulden abbauen und Defizite in den Griff bekommen. Das hat tatsächlich funktioniert (Grafik 1). Staaten senkten ihre Verschuldung deutlich.


Ohne Maastricht kann man sich vorstellen, was geschehen wäre. Staaten hätten niemals gespart. Sie taten es ja nur, damit sie beim Euro dabei sein konnten. Ohne die Euroeinführung hätte es keinen Anreiz gegeben. In diesem Fall hätte sich der Trend der 80er Jahre einfach fortgesetzt.

Italiens Verschuldung wäre nie von 120 % der Wirtschaftsleistung auf 100 % zurückgegangen. Stattdessen wären sie bis Ende der 90er Jahre auf 150 % angestiegen. Das gilt auch für andere Länder. In der Welt ohne Euro steigt die Verschuldung munter an, da es keine Regeln gibt, die das unterbinden.

Anleger haben Anfang der 90er Jahre eine Verschuldung von 100-120 % in heutigen Problemländern mitgemacht. Das ist immer so. Anleger machen mit, bis es ein Ereignis gibt, welches die Risiken aufdeckt. Das wäre in diesem Fall wohl das Platzen der Internetblase und die Rezession Anfang des neuen Jahrhunderts gewesen. Anstatt einer Krise, die vom US-Subprime Markt ausgeht, hätte es eine rein europäische Krise gegeben.

Die Euroeinführung hat diese Krise verzögert. Ohne Euro wäre sie einfach früher gekommen – und weitaus heftiger. Es gab keinen europäischen Rettungsschirm und keine indirekten Haftungen. Es gibt unzählige Beispiele für Staatsbankrotte. In jedem einzelnen Fall kam es zum Währungskollaps und einer Vervielfachung der Armutsquote.

Hätten da Deutschland und andere Länder einfach zugesehen, wie Italien in der Armut versinkt? Vermutlich nicht. Die Regierung hätte natürlich auch eine extreme Rezession bekämpfen müssen, da ein Großteil der Exporte in die Eurozone geht. Trotzdem wäre wohl auch Geld übrig geblieben, um Italien, Spanien usw. zu helfen.

Nationale Notenbanken hätten die Lage übrigens nicht beruhigen können. Ist ein Land zu hoch verschuldet und greift die Notenbank über QE ein, kommt so etwas wie in Venezuela heraus. Ohne die EZB, die von allen Ländern getragen wird und für eine indirekte Haftung steht, lässt sich ein Kollaps nicht verhindern.

Die Welt ohne Euro hätte Europa in eine nie dagewesene Wirtschaftskrise gestürzt. Der Norden hätte auch ohne Euro gezahlt. Immerhin wäre es danach vielleicht besser als heute. Der Euro ist ja nun auch nicht das Gelbe vom Ei. Da darf man sich nichts vormachen. Dass ohne Euro alles rosig wäre, halte ich allerdings für eine sehr einseitige Vorstellung.

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29 Kommentare

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  • franca
    franca

    Sehr geehrter Herr Schmale, Sie zeigen es unausgesprochen auf, welche Fehlgeburt uns Kohl/Mitterrand vor mehr als 20 Jahren eingebrockt haben. Durch die gewollte gegenseitige Abhängigkeiten der EU-Mitgliedsstaaten untereinander, stünde die EU ohne den Euro noch schlechter da! Also ist nicht der Euro per se schuld, sondern die wirtschaftliche Abhängigkeit/Gleichmacherei der EU-Staaten. Führende Ökonomen plädieren daher auch weg von der heutige EU und hin zum Europa der Vaterländer, mit jeweils eigener Sprache, Kultur, eigener Währung usw...

    @Daniel Kühn: ...Sie wissen aber auch, dass die Schweizer Nationalbank durch die Stützungskäufe der letzten 10 Jahre Währungsreserven (zum Wohle der Schweizer Bürger) von fast 1 Billioin €+$ angehäuft hat. Wo würden Sie lieber leben: in der Schweiz oder in Portugal (nicht wegen des Wetters sondern des Wohlstandes wegen)?

    16:37 Uhr, 12.01. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • Glattsteller
    Glattsteller

    Ohne gemeinsame Verfassung, Wirtschaftspolitik und gemeinsamer Sprache, ist eine gemeinsame Währung nichts Wert. Klar hat die deutsche Wirtschaft auf den ersten Blick profitiert. Aber das auch nur, weil immer kräftig auf dem Bierdeckel der Bundesbank angeschrieben wurde. Diese völlig abnorme Exportstärke zeigt doch eigentlich wie absurd dieses Eurosystem ist. Starker Export, aber im Verhältnis viel zu niedrige Löhne in Deutschland.

    16:05 Uhr, 12.01. 2019
  • petervonbremen
    petervonbremen

    Eine Wirtschaftskrise ist wie ein reinigendes Gewitter, die Gleichmacherei mit dem Euro war und ist einfach nur dumm. Der Kapitalismus ist ein zum Scheitern verurteiltes System. Nur, wenn er ab und an scheitert, kann er wieder von neuem erblühen. - Lernt man so etwas in einem Wirtschaftsstudium nicht? Das ist wie mit dem Schachbrett und dem Pfennig.....oder lernt man das auch nicht? Gut das ich Naturwissenschaftler bin.

    14:12 Uhr, 12.01. 2019
    1 Antwort anzeigen
  • godfather
    godfather

    Die Schweiz hat keinen Euro und auch keine Ambitionen ihn einzuführen. Sie hat, wie Deutschland auch, sehr große exportabhängige Konzerne. Das funktioniert dort mit einer starken Währung, wie vor dem Euro auch bei uns.

    Folgerichtig hat die Schweiz uns und den Rest der Eurozone längst meilenweit hinter sich gelassen, während wir unsere Exporte in die EU indirekt über die Target2 Salden zum großen Teil selbst finanzieren.

    Deutschland hat sich nun mal für das Euroexperiment, Massenmigration und die Vergemeinschaftung von Schulden entscheiden. Die Folgen werden wir immer deutlicher sichtbar und wir werden sie noch deutlich zu spüren bekommen...

    10:19 Uhr, 12.01. 2019
    2 Antworten anzeigen
  • Gargol
    Gargol

    Dazu fällt mir ein: Das Schlechte ist immer der Freund des Schlimmeren. Schlecht ist die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern, schlecht ist die mangelnde Einflussnahme der Bürger auf europäische Prozesse und schlecht ist die ungebremste Verschuldung zu Lasten der kommenden Steuerzahler in ganz Europa, das Ganze läßt sich fortsetzen. Es ist dann doch fraglich, ob ein Ende mit Schrecken nicht ehrlicher ist, als die europäische Selbstbeweihräucherung, dass der Euro "alternativlos" ist und "Europa" ohne ihn zerbricht. Europa besteht in erster Linie aus seinen Menschen und nicht aus Bürokraten, die bestehende uneffiziente Strukturen in ihren Ländern erhalten und Ihr Berufspolitikertum schützen wollen. Die Euroidee ist gut, aber das Eurokonstrukt ist nach wie vor eine Fehlkonstruktion und verhindert ein gemeinsames politisches Europa. Mit den bislang durchgeführten Überlebensmaßnahmen, die uns allen helfen sollten, wird bislang nur für ein längeres Siechtum gesorgt und der Frust in einigen Länder steigt deutlich an, wie derzeit in Frankreich.

    09:55 Uhr, 12.01. 2019
  • BB Utz
    BB Utz

    Und bezüglich des Märchens das nur der Euro unseren Export erst in dem Maße möglich macht,gerne immer wieder von Politikern hervorgebracht, sei gesagt dass Deutschland auch schon zu DMark Zeiten Exportweltmeister war😎

    09:40 Uhr, 12.01. 2019
  • BB Utz
    BB Utz

    Ohne Euro ginge es allen besser...den Nordländern mit höherer Kaufkraft, und die Suedlaender hätten weniger über ihre eigenen Verhältnisse gelebt,weil die Markkräfte das gar nicht zugelassen hätten.

    09:32 Uhr, 12.01. 2019
  • BB Utz
    BB Utz

    Und bezüglich Türkei haben Sie das ja selbst in Ihrem Beitrag vom 24.12 festgestellt 🤠

    09:29 Uhr, 12.01. 2019

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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