Kommentar
11:18 Uhr, 17.11.2016

Eine neue Ära beginnt - muss man jetzt Angst haben?

„Ära“ – das klingt gut. Es deutet etwas mit großer Tragweite an. Diese Tragweite muss jedoch keinesfalls positiv sein.

Die meisten merken nicht, was gerade global vor sich geht. Die Sache liegt dabei auf der Hand. Es beginnt gerade eine neue politische Ära, eine Ära der Disintegration, der Isolation, der Feindschaft, der Vorurteile und des Nationalismus. Die Auswirkungen haben eine enorme Tragweite, die letztendlich in Krieg müden könnten.

Wer nun glaubt, dass die neue Ära durch den Brexit und die Wahl Trumps eingeläutet wurde, liegt falsch. Brexit und Trump sind Zeichen des Wandels. Sie sind jedoch weder der Beginn noch die Ursache. In anderen Teilen der Welt ist dieser Wandel schon seit längerem zu beobachten. Man denke nur an die Wahl von Rodrigo Duterte (Präsident der Philippinen), den Präsidenten der Türkei, Putin oder Viktor Orban.

All diesen Politikern ist gemein, dass sie durch relativ einfache Wahlversprechen an die Macht gekommen sind. Sie versprachen einer bestimmten Bevölkerungssicht bessere Aussichten. Zudem fielen sie durch ungewöhnliche Eigenschaften auf. Sie hielten sich nicht an politische Gepflogenheiten. Sie waren gezielt unpolitisch und politisch unkorrekt. Das kommt an.

Wenn Kandidaten – egal in welchem Land – dadurch auffallen, dass sie anders sind, erregt das Aufmerksamkeit und spricht bestimmte Gruppen an. Die Auffälligkeit ist dabei immer auf ein Themengebiet zurückzuführen: Abgrenzung und Isolation.

Die Neupolitiker, die „anders daherkommen“, bilden einen krassen Gegensatz zur bestehenden politischen Elite. Hier ist fast einer durch den anderen austauschbar. Alles ist relativ neutral gehalten, in langen Sätzen, die niemand versteht, verwurschtelt und wenig inspirierend. Viele Politiker wirken aalglatt. Man erkennt weder Programm, noch Persönlichkeit.

Bei Leuten wie Trump oder Duterte ist das anders. Sie sind irgendwie ursprünglich. Sie sind nicht neutral, sondern nennen die Dinge beim Namen. Sie sind politisch unkorrekt und verhalten sich mehr wie der Durchschnittbürger. Kein Durchschnittbürger redet wie Angela Merkel, Jean-Claude Juncker oder Hillary Clinton.

Kein etablierter Politiker äußert sich zu Störenfrieden auf einer Wahlkampfveranstaltung dahingehend, dass man diesen am liebsten „in die Fresse hauen will.“ Solche Aussagen sind direkt, inkorrekt und aggressiv. Trumps Reaktion auf Störenfriede ist dabei noch harmlos. Duterte kündigte etwa gleich an, alle Drogenabhängigen umzubringen. Das schadet diesen Politikern nicht, es stärkt sie sogar. Wieso?

Der Mensch ist von Natur aus nicht politisch korrekt. Jeder ist emotional. Emotionen kochen vor allem dann hoch und man verliert die Beherrschung, wenn man unter großem Druck und Stress steht. Derzeit steht ein hoher Prozentsatz der Bevölkerung in der westlichen Welt unter Druck und Stress.

In den letzten Jahrzehnten wurde die Zahl derjenigen in der Bevölkerung, die von der Gesellschaft zurückgelassen wurden, größer. In den USA ist ein erheblicher Teil der Mittelschicht in die Armut abgerutscht. Abstieg ist immer schwierig. Man kann es niemandem verübeln, wenn er sich dagegen wehrt und emotional reagiert.

Die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. Es ist jedoch nicht nur so, dass die Armen immer ärmer werden, sondern dass früher mittelständische Familien in die Armut rutschen. In den USA liegt das unter anderem an der Verlagerung der Produktion ins Ausland. Kaum ein Unternehmen produziert noch in den USA Textilien, weil die Kosten zu hoch sind.

Es sind letztlich nicht nur Kostenpunkte, die eine Rolle spielen. Ein Großteil der Arbeitsplätze wurden schlichtweg wegrationalisiert. Die Automatisierung vieler Arbeitsabläufe macht menschliche Arbeitskraft überflüssig.

Wer gestern noch Möbel produziert hat, die heute entweder im Ausland oder durch Maschinen gefertigt werden, fühlt sich zurückgelassen. Die Welt hat sich schlagartig geändert und ganze Wirtschaftsräume, wie z.B. der amerikanische Rostgürtel, haben es selbst nach 20 Jahren noch nicht geschafft, sich neu auszurichten und anzupassen.

Menschen sind träge und passen sich weder schnell noch gerne an. Je schneller der Wandel vonstatten geht, desto mehr Menschen fühlen sich von der Gesellschaft zurückgelassen. Das nährt den Wunsch nach unkonventionellen Politikern, die politisch unkorrekt ein Ventil für die aufgestauten Emotionen bieten. Ganz nebenbei versprechen diese Politiker noch das Blaue vom Himmel und schon ist die Wahl gewonnen.

Das ist alles nachvollziehbar und man kann es niemandem verübeln. Rein praktisch gesehen hilft es jedoch nicht, wenn Politiker an die Macht kommen, die dem Frust ein Ventil geben. Die Entwicklung lässt sich nicht einfach zurückdrehen wie es z.B. Trump verspricht („wir holen die Produktion zurück“).

Weil sich die Uhr nicht zurückdrehen lässt, kommt es am Ende immer wieder auf das gleiche hinaus: man schottet sich ab. Das kommt immer gut an. Es ist ein urmenschlicher Instinkt, sich gegen andere abzuschotten. Das verbessert die Situation nicht, es verschlechtert sie. Was macht man dann?

Regierungen nehmen in atemberaubenden Tempo Schulden auf und finanzieren gigantische Konjunkturprogramme. Das schafft Beschäftigung und alle glauben, dass die neu gewählten Politiker alles richtigmachen, das Programm funktioniert und die Welt wieder in Ordnung ist. Das ist sie nicht.

Gehen Regierungen die Konjunkturprogramme aus und trübt sich die Lage ein, braucht es andere Dinge, um vom Versagen abzulenken. Was ist da besser geeignet, als Konflikte mit anderen Ländern anzuzetteln. Es muss nicht immer gleich ein anderes Land sein. Es reicht, wenn man eine Bevölkerungsgruppe im eigenen Land zum Feind erklärt. Es können die illegalen Einwanderer sein oder ethnische Minderheiten. Darauf kommt es überhaupt nicht an. Es ist nur wichtig, dass es ein Feindbild gibt, dem man die Schuld geben kann.

Wen das an Entwicklungen erinnert, die im Zweiten Weltkrieg mündeten, erkennt die Parallelen richtig. Nun laufen wir nicht gerade im Eiltempo auf den nächsten großen Krieg zu. Vielleicht gibt es diesen auch niemals. Man kann es heute nicht wissen. Man kann nur beobachten, dass global Kandidaten wie Duterte im Aufwind sind.

Wahlprogramme werden durch die Themen Abgrenzung, Ausgrenzung, Isolation, Nationalismus und Protektionismus gewonnen. Werden diese Programme umgesetzt, haben die Menschen, die sich zurückgelassen fühlen, zwar endlich ihr Ventil, doch die Lage macht es nicht besser. Nationalismus hat bisher noch nie zu unerschöpflichem Reichtum einer Gesellschaft geführt, sondern dazu, dass der Staat am Ende aller Tage immer stärker eingreift. Am Ende, wenn klar wird, dass die Programme keinen Sinn machen, werden Feinde auserkoren und Regierungen werden zu Regimen. Medienkontrolle beginnt ebenso wie der Aufbau eines Polizeistaates. In der bisherigen Geschichte wurden solche Regime durch Gewalt und Krieg abgelöst. Wieso sollte es diesmal anders sein?

Wie dem auch sei, der Trend lässt sich wohl nicht mehr aufhalten. Auf Sicht einiger Jahre bedeutet das Boom und Aufbruchsstimmung. Langfristig bedeutet es weniger Freiheit und den Kollaps des Systems. Das geschieht nicht heute und nicht morgen. Die bisherigen Perioden solchen Wandels dauerten Jahrzehnte. Seit dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Welt enger zusammen. Die Ära der Globalisierung und der Vernetzung dauerte 70 Jahre. Der Niedergang geht für gewöhnlich schneller und lässt sich in 15 bis 30 Jahren bewerkstelligen

Clemens Schmale

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16 Kommentare

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  • Zwieselchen
    Zwieselchen

    Schön formuliert und geschrieben. Jedoch finde ich nicht, dass Isolation und Abschottung ein urmenschlicher Instinkt ist. Eher das Gegenteil: Die Geselligkeit ist ein Urmenschlicher Instinkt. Sonst würden wir alle alleine zu Hause der Einsamkeit fristen und überhaupt kein Problem damit haben. Fakt ist jedoch, dass wir uns nach Freunden und Partnern sehnen. Also nach Kontakt. Das was da jetzt passiert, ist was anderes. Wenn ein Staat die Grenzen dicht macht, ist das nicht Isolation. Für mich ist das Revolution!

    Wie auch immer

    21:05 Uhr, 17.11. 2016
  • Neomi
    Neomi

    Klasse Artikel! Danke!

    21:04 Uhr, 17.11. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Market Impact
    Market Impact

    mich stört trump nicht . ich finde nur die leute die ihn gewählt haben zum kotzen. oder wie bierman sagen würde: es sind halt untertanenkrüppel.

    17:41 Uhr, 17.11. 2016
  • kurtanton
    kurtanton

    hier etwas zum Trump-kennenlernen

    Ich empfehle einen Blick auf diese Sendung in der ORF TVthek:

    WELTjournal +: Donald Trump - der lange Arm des Milliardärs / WELTjournal +: Donald Trump - der lange Arm des Milliardärs vom 16.11.2016 um 23.05 Uhr

    http://tvthek.orf.at/profile/Weltjournal/5298609/W...

    16:58 Uhr, 17.11. 2016
  • 1 Antwort anzeigen
  • Allesklar
    Allesklar

    "Das nährt den Wunsch nach unkonventionellen Politikern, die politisch unkorrekt ein Ventil für die aufgestauten Emotionen bieten. Ganz nebenbei versprechen diese Politiker noch das Blaue vom Himmel und schon ist die Wahl gewonnen."

    Bitte nennen Sie Politiker, die nicht das Blaue vom Himmel versprechen! Obama war in dieser Sache umschlagbar. Und im übrigen sollte man nicht Leute diffamieren, deren politischen Standpunkt man nicht teilt. Danke.

    16:00 Uhr, 17.11. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • kingkong007
    kingkong007

    Wir haben es gerade nötig uns über Trump aufzuregen.

    War eine schöne Ablenkung für das deutsche Volk

    Wir hatten Schröder und jetzt Merkel, nichts was man unbedingt haben musste.

    Der Binnenmarkt findet nicht statt.

    Billiglohnland, die höchsten Steuern, Millionen Hartz4 Empfänger, Ein Euro Jobber, Zeitarbeiter,

    Rentenkurzung bis 2030 unter 50%, u.s.w.

    Seit Jahren sinkende Reallöhne

    Exportweltmeister, wo keiner was von hat.

    Denn die deutschen Arbeitsplätze in der Exportwirtschaft werden lediglich mit Kreditschulden ausländischer Handelspartner bezahlt. Schulden, die jederzeit ausfallen können.

    Und dann geht der Fuchs ab.

    Amerika ist weit weg, hier spielt die Musik

    Aber uns gehts ja gut, es werden immer weniger

    14:13 Uhr, 17.11. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Trump, oder wer immer da gerade herumhampelt, wird den "Wandel" nur ankündigen. Nur Erkenntnis eröffnet die Chance auf wirklichen Wandel. Und da tut sich jetzt endlich einiges.

    Die gute Hillary soll übrigens völlig ausgerastet sein in der Wahlnacht.

    http://n8waechter.info/2016/11/hillary-clinton-gew...

    13:53 Uhr, 17.11. 2016
  • nordlicht39
    nordlicht39

    ...grossartig beobachtet.

    12:54 Uhr, 17.11. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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