Eindrücke aus einer anderen Welt
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
- Persönliche Impressionen von einer Reise nach New York und Washington in der vorigen Woche.
- Auf den US-Finanzmärkten herrscht Optimismus wie schon lange nicht mehr. Nichts scheint schiefgehen zu können.
- Kontrast zu der Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten in den USA, wie er im Wahlkampf zum Ausdruck kommt. Kann das gut gehen?
In der letzten Woche war ich – wie jeden Herbst – zu Gesprächen in New York und Washington. In New York besuchte ich langjährige Kontakte. In Washington war ich wegen der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds. Bisher kam ich von solchen Reisen immer mit neuen Ideen zurück. Diesmal war es aber so aufregend wie schon lange nicht mehr. Mein gesamtes ökonomisches Weltbild wurde in Frage gestellt.
Bisher ging ich davon aus, dass das fundamentale Umfeld der Finanzmärkte in der Welt nicht mehr als durchwachsen ist. Das Wachstum ist schwach, die Inflation zu niedrig. Die Geldpolitik ist ultralocker mit zum Teil negativen Zinsen. Dazu kommen die Unsicherheiten durch den politischen Populismus in vielen Ländern. Das alles ist nicht gut. In den USA wurde ich mit einer ganz anderen Sicht der Dinge konfrontiert. Das Stichwort, das ich dort häufig hörte, heißt "Goldilocks" (Goldlöckchen). Die Welt ist in Ordnung. Sie könnte nicht besser sein. Der Chef von Goldman Sachs, Gary Cohn, sagte pointiert: "The US is in the best shape it ever was." (Der US-Wirtschaft ging es noch nie so gut.) Das ist sicher übertrieben. Er war mit dieser Meinung aber nicht allein.
Konkret: Das Wachstum wird nicht als zu niedrig angesehen. Die Inflation ist nicht zu gering. Es werden neue Arbeitsplätze geschaffen. Die Löhne steigen. Die Aktienkurse gehen ohne größere Übertreibungen nach oben. Der einzige Schwachpunkt: Es fehlen die "Animal Spirits" (die tierischen Instinkte) der Unternehmen, die die Investitionen beleben. Aber das komme schon noch.
In einer solchen Sicht gibt es keinen Grund, die Zinsen nicht weiter zu erhöhen. Niemand zweifelte daran, dass die Fed dies noch im Dezember tun wird. Esther George, die Präsidentin der Federal Reserve Kansas, gab sogar zu erkennen, dass die Fed auch Wertpapiere VERkaufen könne.
Die Europäer spielen in dieser Weltsicht nur eine Nebenrolle. Sie haben hohe Arbeitslosigkeit und langsames Wachstum (obwohl die Zunahme des realen BIPs statistisch gesehen im Euroraum nicht geringer ist – siehe Grafik). Sie haben den Brexit. Sie sind politisch zerstritten. Sie haben eine Währung, von der viele immer noch annehmen, dass sie bald zusammenbrechen werde. Früher war Deutschland immer noch ein Leuchtturm. Inzwischen ist aber auch das vorbei. Das Land scheint von der Bildfläche verschwunden. Die deutschen Banken werden in einem Atemzug mit den italienischen genannt. So viel Kritik an Deutschland habe ich schon lange nicht mehr gehört.
Natürlich neigen die Amerikaner häufig dazu, sich selbst besonders gut darzustellen und Optimismus zu verbreiten. Sie hatten schon manchmal eine rosarote Brille auf. Aber das, was wir im Augenblick sehen, kann man nicht damit abtun. Es entspringt einer tiefen Überzeugung.
Nun könnte man die USA angesichts dieses Optimismus beneiden. Es gibt dabei aber einen Haken. Die gute Stimmung ist auf den Finanzsektor beschränkt. In der Politik gibt es Unzufriedenheit (siehe die Forderungen des Internationalen Währungsfonds nach mehr Wachstum). Vor allem aber in der breiten amerikanischen Öffentlichkeit herrscht Unruhe. Die Wähler sind verärgert ("Angry Voters"). Das zeigt sich besonders im Wahlkampf, nicht nur an den umwerfenden Erfolgen von Donald Trump, sondern auch an den vielen Stimmen, die der frühere demokratische Bewerber Bernie Sanders vorher auf sich vereinigen konnte.
Diese Dichotomie der Stimmungen im Finanzsektor und in der Öffentlichkeit kann auf Dauer nicht gut gehen. Die Märkte können das niedrige Wachstum der Volkswirtschaft nicht ewig schönreden. Hier lauert ein Konfliktpotenzial. Der bekannte amerikanische Ökonom Larry Summers rannte warnend durch die Veranstaltungen in Washington mit dem Mantra: Wenn das Flugzeug immer langsamer fliegt, stürzt es irgendwann ab. Donald Trump oder der Brexit seien Warnzeichen.
Im Augenblick ist nach meinem Eindruck das Bewusstsein für solche Gefahren auf den Finanzmärkten aber noch nicht sehr verbreitet. Trump wird nicht ernst genommen. Er werde ohnehin nicht gewinnen. Zudem beruhigen sich Banker mit dem Argument, dass größere Umbrüche in der Geschichte noch nie zu dauerhaften Verwerfungen am Kapitalmarkt geführt haben (Ausnahme die Ölkrise 1973). Es werde schlimmstenfalls ein paar unruhige Wochen oder Monate geben, dann ist das alles vorbei. Hoffentlich haben sie recht.
Auch der Brexit wird nicht stärker dramatisiert. Einzelne Gesprächspartner lächelten über die Ambitionen von Frankfurt oder Paris, sich als Finanzzentren zu profilieren. "Wenn einer gewinnt, dann ist es natürlich New York", hieß es voll Selbstbewusstsein. Der Brexit werde die Briten und die Kontinentaleuropäer ein paar Wachstumspunkte kosten. Das sei aber verkraftbar. Die entscheidende Frage sei vielmehr: Werden die Währungsunion und die europäische Integration insgesamt den Austritt der Briten aus der EU überleben. Da ist man sich nicht ganz so sicher.
Für den Anleger
Solche Stimmungen wie derzeit in den USA kommen und gehen. Man kann sie statistisch nicht belegen. Das heißt aber nicht, dass man sie nicht bei Anlageentscheidungen berücksichtigen sollte. Ich bin immer ein Freund der Investition in europäische Werte. Zum einen kenne ich Europa besser, zum anderen gibt es auch hier Chancen. Wenn die Lage und Stimmung in den USA aber derzeit so gut sind, sollte man sich amerikanische Papiere als Beimischung anschauen. Das erste Jahr eines neuen Präsidenten kann dem Land durchaus einen Schub geben. Wenn es im Zusammenhang mit den Wahlen vorübergehend Unruhe geben sollte, wäre dies kein schlechter Zeitpunkt. Allerdings muss man die Situation genau beobachten, wenn sich die Stimmung dreht.
Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.
Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
Rechtliches
Dieses Dokument dient ausschließlich Informationszwecken und beinhaltet keine vertraglichen oder sonstigen Verpflichtungen. Es ist nicht als Angebot oder Verkauf einer Beteiligung an einem von Assenagon verwalteten Fonds zu verstehen. Alle Informationen in dieser Darstellung beruhen auf sorgfältig ausgewählten Quellen, die für zuverlässig erachtet wurden. Dennoch können die Assenagon S.A., Luxemburg, die Assenagon Asset Management S.A., Luxemburg und ihre Zweigniederlassung sowie die Assenagon Schweiz GmbH und die Assenagon GmbH, München (zusammen im Folgenden "Assenagon-Gruppe" genannt) trotz sorgfältiger Zusammenstellung der Informationen u.a. keine Gewähr oder Garantie für deren Richtigkeit, Vollständigkeit, Genauigkeit, Aktualität oder Verfügbarkeit übernehmen. Diese Informationen stellen rechtlich eine Werbemitteilung dar, die nicht allen gesetzlichen Anforderungen zur Gewährleistung der Unvoreingenommenheit von Anlageempfehlungen und Anlagestrategieempfehlungen genügen und unterliegen nicht einem Verbot des Handels vor der Veröffentlichung von Anlageempfehlungen und Anlagestrategieempfehlungen. Alle Meinungsaussagen geben nur die Einschätzung des Verfassers wieder, die nicht notwendigerweise der Meinung der Assenagon-Gruppe entspricht. Empfehlungen und Prognosen stellen unverbindliche Werturteile zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Darstellung dar. Diese können sich abhängig von wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen jederzeit ändern. Der Autor behält sich deshalb ausdrücklich vor, in der Darstellung geäußerte Meinungen jederzeit und ohne Vorankündigung zu ändern. Jedwede Haftung und Gewähr aus dieser Darstellung wird vollständig ausgeschlossen. Die Informationen in dieser Darstellung wurden lediglich auf die Vereinbarkeit mit luxemburgischem und deutschem Recht geprüft. Die vorstehenden Informationen richten sich nicht an natürliche oder juristische Personen, deren Wohn- bzw. Geschäftssitz einer Rechtsordnung unterliegt, die für die Verbreitung derartiger Informationen Beschränkungen vorsieht. Natürliche oder juristische Personen, deren Wohn- oder Geschäftssitz einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt, sollten sich über derartige Beschränkungen informieren und diese entsprechend beachten. Insbesondere richten sich die in dieser Darstellung enthaltenen Informationen nicht an Staatsbürger des Vereinigten Königreichs (ausgenommen Personen, die unter Ausnahmeregelungen nach der Financial Services and Markets Act 2000 (Financial Promotions) Order 2005 (die "Verordnung") fallen, wobei zu den relevanten Ausnahmeregelungen der Verordnung Artikel 49 der Verordnung (hochvermögende Unternehmen – High Net Worth Companies) zählt). Die Informationen in diesem Dokument sind weiterhin nicht für Gebietsansässige der Vereinigten Staaten oder andere Personen bestimmt, die als "US-Personen" im Sinne von Rule 902 in Regulation S des US Securities Act von 1933 in der jeweils geltenden Fassung gelten. Keine US-amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde oder sonstige Aufsichtsbehörde auf Bundes- oder bundesstaatlicher Ebene hat die Richtigkeit oder Angemessenheit dieses Dokuments oder sonstiger Informationen, die den Anlegern ausgehändigt oder zur Verfügung gestellt wurden, bestätigt. Jede gegenteilige Äußerung stellt einen Straftatbestand dar. Diese Darstellung stellt weder ein öffentliches Angebot noch eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes zum Erwerb von Wertpapieren, Fondsanteilen oder Finanzinstrumenten dar. Eine Investmententscheidung bezüglich irgendwelcher Wertpapiere, Fondsanteile oder Finanzinstrumente sollte auf Grundlage der einschlägigen Verkaufsdokumente (wie z. B. Prospekt und wesentliche Anlegerinformationen, welche in deutscher Sprache am Sitz der Assenagon Asset Management S.A. oder unter www.assenagon.com erhältlich sind) erfolgen und auf keinen Fall auf der Grundlage dieser Darstellung. Die in dieser Darstellung aufgeführten Inhalte können für bestimmte Investoren ungeeignet oder nicht anwendbar sein. Sie dienen daher lediglich der eigenverantwortlichen Informationsversorgung und Informationsbereitstellung und können eine individuelle Beratung nicht ersetzen. Die steuerlichen Hinweise in dieser Darstellung sind nicht darauf gerichtet, verbindlichen steuerlichen Rechtsrat zu erteilen. Sie können eine einzelfallbezogene Beratung durch einen Steuerberater nicht ersetzen. Die Assenagon-Gruppe kann andere Publikationen veröffentlicht haben, die den in dieser Darstellung vorgestellten Informationen widersprechen oder zu anderen Schlussfolgerungen gelangen. Diese Publikationen spiegeln dann andere Annahmen, Meinungen und Analysemethoden wider. Dargestellte Wertentwicklungen der Vergangenheit können nicht als Maßstab oder Garantie für eine zukünftige Wertentwicklung herangezogen werden. Eine zukünftige Wertentwicklung wird weder ausdrücklich noch implizit garantiert oder zugesagt. Dieses Dokument ist nur für den Gebrauch der Personen bestimmt, an welche es gerichtet ist und darf nicht von anderen Personen verwendet werden. Der Inhalt dieses Dokuments ist geschützt und darf ohne die vorherige schriftliche Genehmigung der Assenagon-Gruppe weder kopiert noch weitergegeben, veröffentlicht, übernommen oder für andere Zwecke, in welcher Form auch immer, verwendet werden. Informationen in E-Mails sind vertraulich und ausschließlich für den Adressaten bestimmt. Jeglicher Zugriff auf E-Mails durch andere Personen als den Adressaten ist untersagt. Es kann nicht garantiert werden, dass E-Mail-Übertragungen sicher und frei von Fehlern erfolgen. Sofern Teile oder einzelne Formulierungen dieses Haftungsausschlusses der geltenden Rechtslage nicht, nicht mehr oder nicht vollständig entsprechen, bleiben die übrigen Teile in ihrem Inhalt und ihrer Gültigkeit unberührt.
ich lach mich schlapp ... danke für den artikel, hab schon lange keinen solchen bullshit mehr gelesen. grossartig!
wäre es nicht angesichts dieses historischen Optimismus in der Börsenwelt der USA besser, jetzt zu verkaufen (zu günstigem Umrechnungskurs in den Heimat-Euro) statt zu kaufen?