Kommentar
08:22 Uhr, 23.05.2023

Ein Unfall, der 31 Billionen Dollar bringt

Kommt es nicht zu einer Anhebung der Schuldengrenze, würde das eine weltweite Finanzkrise auslösen. Doch die USA könnten sich zugleich ihrer gigantischen Staatsverschuldung entledigen.

Weiter keine Einigung im Streit um die Anhebung der gesetzlichen Schuldengrenze in den USA: Ein Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und dem Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, ging am Montagabend ohne Einigung zu Ende. "Ich habe gerade ein produktives Treffen mit Sprecher McCarthy über die Notwendigkeit abgeschlossen, einen Zahlungsausfall zu vermeiden und eine Katastrophe für unsere Wirtschaft zu verhindern", sagte US-Präsident Biden in einer Erklärung. Die Verhandlungsführer beider Seiten würden "den Weg nach vorne weiter diskutieren", so Biden.

US-Finanzministerin Janet Yellen erhöhte noch einmal den Druck und erklärte, dass der US-Regierung "höchstwahrscheinlich" Anfang Juni und möglicherweise bereits am 1. Juni das Geld ausgehen werde, wenn die Schuldengrenze nicht erhöht oder ausgesetzt werde.

Teilweise anders als bei früheren Auseinandersetzungen um die Anhebung der Schuldengrenze droht am 1. Juni nicht nur ein Government Shutdown, bei dem beispielsweise ein Teil der Staatsbediensteten in den Zwangsurlaub geschickt werden muss, weil ihre Löhne nicht mehr gezahlt werden können, sondern ein kompletter Zahlungsausfall der US-Regierung. Insbesondere könnten die USA unter Umständen auch nicht mehr in der Lage sein, ihre gigantische Staatsverschuldung zu bedienen, also Zinsen auf die ausgegebenen Staatsanleihen zu zahlen und Anleihen am Ende ihrer Laufzeit zu tilgen.

Würden die USA tatsächlich ihre Anleihenschulden nicht mehr bedienen, wäre das ein US-Staatsbankrott, wie es ihn seit der Gründung der USA im Jahre 1776 nicht gegeben hat. Weil US-Staatsanleihen eine zentrale Rolle im globalen Finanzsystem spielen, wären katastrophale Folgen möglich. So halten etwa viele Notenbanken einen Großteil ihrer Devisenreserven in Form von US-Staatsanleihen. Auch viele Geschäftsbanken und Versicherer weltweit sind im Besitz von US-Staatspapieren. US-Staatsanleihen gelten als eine der sichersten Anlagen der Welt, da sie von der Kreditwürdigkeit der US-Regierung gestützt werden, und ein Zahlungsausfall der USA früher als undenkbar galt.

Obwohl eine Weigerung der USA, ihre bisherigen Anleihen zu bedienen, katastrophale Folgen hätte, könnte ein solcher Schritt auch Vorteile für die USA bringen. Mit einer dauerhaften Weigerung, ihre Schulden zu bedienen, könnten sich die USA der gigantischen Staatsschulden von 31 Billionen Dollar entledigen, die in den vergangenen Jahrzehnten angehäuft wurden. Die Geprellten wären überwiegend im Ausland zu suchen, wo ein Großteil der US-Papiere als einstmals sichere Anlage in den Depots von Notenbanken, Finanzinstituten, Investoren und sogar Privatpersonen liegt. Es ist naheliegend, dass ein solcher Schritt als "Unfall" inszeniert werden müsste, um Gegenmaßnahmen des Auslands möglichst gering zu halten.

Zwar wäre eine weltweite Wirtschaftskrise die Folge, die auch die US-Wirtschaft hart treffen würde, doch mit einer anschließenden Währungsreform könnten sich die USA auf halbwegs elegante Weise ihrer gigantischen Schulden aus mehreren Jahrzehnten entledigen. In der Folge wäre es für die USA zwar vorübergehend wohl unmöglich, neue Schulden beim Ausland aufzunehmen, dies wäre nach einer Währungsreform aber unter Umständen auch nicht mehr in dem Umfang notwendig wie bisher. Denkbar ist auch, dass im Zuge eines Staatsbankrotts nur die Staatsschulden, die im Inland und möglicherweise von Verbündeten gehalten werden, weiter bedient werden, während Zahlungen an Länder wie China eingestellt würden.

Dass die USA tatsächlich ihre Anleihen nicht mehr bedienen, dürfte sehr unwahrscheinlich sein. Völlig ausgeschlossen ist es aber vermutlich nicht.

Die US-Staatsverschuldung befindet sich seit längerer Zeit auf einem nicht nachhaltigen Pfad. So hat sich die Verschuldung seit der Finanzkrise von 2008 nominal ungefähr verdreifacht. Innerhalb der letzten zehn Jahre haben die USA so viele neue Schulden aufgenommen wie zuvor in rund 237 Jahren seit Gründung der Vereinigten Staaten.

Die folgende Grafik zeigt die langfristige Entwicklung der US-Staatsschulden auf Bundesebene:

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  • masi123
    masi123

    Ein Staatsbankrott ist für die USA sicher keine Option. Es würde die Stellung des USD und damit ein entscheidendes Machtinstrument (Welthandels und -reservewährung) zerrstören.

    Momentan wird das Verhältnis zu China zwar äußerst kritisch kommentiert, aber übersehen, dass die USA in hohen Maße davon profitieren. Das jährliche Handelsdefizit von über 300 Mrd. Dollar liefert wertvolle Güterlieferungen im Austausch gegen den relativ billig "herzustellenden" USD. Dies würde bei einem Staatsbankrott natürlich wegbrechen.

    08:42 Uhr, 23.05.2023

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Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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