Kommentar
07:00 Uhr, 14.10.2015

Ein Schwarzer Schwan im Nahen Osten

Saudi Arabien könnte zum Schwarzen Schwan für die Welt werden. Das Land hat momentan so viele Probleme, dass es einem schwerfällt sie alle aufzuzählen.

Derzeit richten sich alle Blicke nach Syrien. Dabei wird ein ganz anderer Risikofaktor ignoriert. Saudi Arabien gilt als Stabilitätsanker der Region. Damit könnte bald nicht nur Schluss sein, sondern die Situation könnte sich auch ins Gegenteil verkehren. Saudi Arabien hat das Potential die ganze Region zu destabilisieren.

Auslöser für eine Destabilisierung sind vor allem zwei Faktoren: der Iran und der Ölpreis. Beides kann man nicht komplett voneinander trennen, allerdings sind beide Aspekte sehr vielschichtig. Am einfachsten ist noch die Problematik in Bezug auf den Ölpreis zu verstehen.

Saudi Arabien hat die niedrigen Ölpreise selbst mit herbeigeführt. Vor einem Jahr machten Saudische Prinzen und Offizielle mit Aussagen wie „der Ölpreis wird nie wieder über 100 Dollar steigen“ oder „wir können auch mit einem Ölpreis von 20 USD leben“ auf sich aufmerksam. Die Preise sollten möglichst schnell möglichst tief fallen, um das Überangebot, mit verursacht durch den US Fracking Boom, zu unterbinden.

Heute weiß Saudi Arabien, dass der Plan nicht funktioniert hat. Das Überangebot bleibt bestehen. Fracking Unternehmen sind weitaus hartnäckiger als gedacht. Das brockt Saudi Arabien in diesem Jahr ein Haushaltsdefizit von gut 100 Mrd. USD ein. Bei einer Wirtschaftsleistung von ca. 740 Mrd. ist das ein gigantisches Defizit von 14%.

Selbst wenn der Ölpreis wieder etwas steigt, werden die Defizite in den kommenden Jahren weiterhin groß sein. Seit dem Arabischen Frühling gibt der Staat sehr viel Geld für Subventionen aus, um für Ruhe zu sorgen. Die Ausgaben steigen und die Einnahmen brechen weg. Das führt auch dazu, dass Saudi Arabien seine Devisenreserven verbrennt. Allein im ersten Halbjahr 2015 sind die Reserven um 10% gefallen. Geht das in diesem Tempo weiter, dann hat Saudi Arabien in drei Jahren kaum noch Handlungsspielraum.

Es hilft auch nicht, wenn der Ölpreis wieder auf 70 oder 90 Dollar steigt. Die Fördermengen Saudi Arabiens erreichen derzeit wieder ihre bisherigen Hochs der 70er Jahre. Das soll Cash einbringen. Gleichzeitig verbraucht die eigene Bevölkerung Jahr um Jahr an die 5% mehr Öl. Inzwischen verbraucht das Land 25% der Förderung selbst. In Bezug auf die Exporte liegt der Eigenverbrauch bei über 35%. Wird der Eigenverbrauch nicht radikal eingedämmt, dann kann Saudi Arabien im Jahr 2035 kein Öl mehr exportieren, weil es alles selbst verbraucht.

Die Staatsausgaben explodieren, um die Bevölkerung zu befrieden. Gleichzeitig wird immer weniger durch sinkende Exportmengen eingenommen. Daran würden auch steigende Ölpreise nichts ändern. Steigende Preise würden das Problem nur zeitlich aufschieben, aber nicht beheben.

Es sind momentan nicht nur die hohen Sozialkosten und schwindenden Devisenreserven, die Probleme bereiten. Saudi Arabien führt einen Krieg im Jemen. Das kostet nicht nur viel Geld, es ist auch vollkommen unklar, was Saudi Arabiens Strategie ist. Keiner weiß, was das genaue Ziel ist und wie der Exit Plan aussieht. Die eigene Bevölkerung heißt den Krieg nur bedingt gut.

Ein langsam wachsender Unmut in der Bevölkerung gekoppelt mit einem erst kürzlich erfolgten Machtwechsel nach dem Tod des früheren Königs sind eine gefährliche Mischung. In dieser Situation hilft es auch nicht, wenn viele hundert Menschen bei der Haddsch umkommen. Unter den Opfern waren viele Iraner. Iran hat das zum Anlass genommen die ohnehin großen Spannungen weiter zu pflegen.

Verbal finden bereits heftige Gefechte zwischen Saudi Arabien und dem Iran statt. Gegenseitige Drohungen sind nicht neu. Beide Länder scheinen allerdings ihre Interessen in anderen Ländern (Jemen, Syrien) durch Interventionen zu vertreten. Nachdem es sich fast ausnahmslos um unterschiedliche Interessen handelt könnte die Lage jederzeit eskalieren und dann nicht mehr nur im Kleinen ausgefochten werden.

Zu guter Letzt haben die letzten Monate Saudi Arabien auch gezeigt, dass sie inzwischen relativ isoliert sind. Russlands Einfluss wächst in der Region, nicht zuletzt durch die Beteiligung im Syrienkrieg. Gleichzeitig hat der Westen mit dem Iran ein Abkommen geschlossen, welches den Iran nicht mehr weiter isoliert, sondern wieder in die Weltgemeinschaft integriert. Saudi Arabien kann das kaum gefallen, sind beide Länder doch alles andere als befreundet. Nicht zuletzt scheint sich auch eine immer stärkere Russland-Iran Allianz im Syrienkonflikt anzubahnen. Damit fühlt sich Saudi Arabien nicht mehr nur durch den Iran, sondern auch durch Russland eingeengt.

Saudi Arabien dürfte sich inzwischen fragen: Wo bleiben die Amerikaner? Diese standen bisher immer zur Seite und mischten sich notfalls ein. Vor allem der Syrienkrieg und das Iran Abkommen zeigen, dass Saudi Arabien nicht mit amerikanischer Unterstützung in allen Belangen rechnen kann.

Saudi Arabien ist zunehmend ohne Unterstützung in der Region. Es führt einen Krieg im Jemen. Die Ausgaben explodieren, die Einnahmen brechen weg und die Bevölkerung ist unzufrieden. Das Saudische Königshaus hat schon in der Vergangenheit schwierige Zeiten überstanden, allerdings floss in diesen Zeiten viel Geld zu. Erschöpfen sich die finanziellen Ressourcen bevor die vielen Konflikte nicht beigelegt sind, dann droht Saudi Arabien eine Destabilisierung und mit ihm die ganze Region.

Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist aus heutiger Sicht gering. Das ist aber genau das Wesen eines Schwarzen Schwans. Man sieht es nicht kommen, weil man es nicht für möglich hält. Die USA und auch Europa sollten sich vielleicht nicht exklusiv mit Russland beschäftigen, sondern auch mehr darauf achten, was mit den Staaten geschieht, die eigentlich als Verbündete gelten.

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4 Kommentare

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  • rex007
    rex007

    Obwohl hohe Risiken absehbar, weil der Nahe Osten ohnehin auf einem Vulkan sitzt, kann man eigentlich nur wünschen, dass Saudi Arabien (bzw. das dort herrschende System) untergeht. In der Menschenrechtsfrage unterscheiden sie sich kaum vom "Islamischen Staat". Jedenfalls könnten beide Systemen ihre Terror-Richter getrost austauschen... Roland Exner, Berlin-Buch

    12:42 Uhr, 14.10.2015
    2 Antworten anzeigen
  • fehu001
    fehu001

    yapp, Saudi Arabien ist am Wegkippen.

    Wie man am russischen Syrien-Einsatz gerade erkennen kann, sind jetzt Fachleute am Werk.

    Von weiser (deutsch-iransicher) Hand ausgeplant und hoch professionell vorbereitet kann nun der Russe den oerativen Aspekt übernehmen. Offensichtlich muss dieses Projekt fast alle Feuterteufel der Region / Welt überrascht haben. Erst kommt IS-rael zu Herrn Putiin und bettelte auf Knien um Gnade, etwas später kamen die Saudis in demutsvoller Haltung nach Moskau um auch dort um Gnade zu betteln.

    Und der Oberfeuerteufel stellt promt alle Ausbildungsprogramme für die IS-Kämpfer ein.

    Wir sollten einfach davon ausgehen, dass die Region in Zukunft vom friedlichen und sehr weisen IRAN regiert wird. Trotzdem bete ich zu Thor, dem allmächtigen, dass man IS-rael später nicht so behandeln wird, wie sie die wehrlosen Kinder und Frauen in GAZA behandelt haben.

    10:50 Uhr, 14.10.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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