Kommentar
08:29 Uhr, 13.01.2016

Droht hier der große Knall am Aktienmarkt?

Der Nikkei sieht charttechnisch nicht gut aus. Es drängt sich der starke Verdacht eines Tops aus. Eigentlich müsste man den Index leerverkaufen, wenn da nicht die Notenbank wäre.

Dieses Jahr muss die japanische Notenbank (BoJ) kreativ werden. Das liegt nicht einmal so sehr daran, dass die Geldpolitik kaum Früchte trägt, sondern vielmehr daran, dass ihr die Anleihen ausgehen, die sie kaufen könnte. Die BoJ hält derzeit genau ein Drittel aller Staatsanleihen. Auf den ersten Blick denkt man: „Na, dann gibt es ja noch zwei Drittel, die sie kaufen können.“

Auf den zweiten Blick ist das nicht so einfach. Banken halten ungefähr 28 % der Anleihen, Versicherungen 21 %, Pensionsfonds 9 % und alle anderen ebenfalls 9 %. Da die japanische Notenbank inzwischen das doppelte von dem kauft, was die Regierung an Anleihen laufend ausgibt, ist die BoJ darauf angewiesen, dass ihr andere Marktteilnehmer Anleihen verkaufen. Tun sie dies nicht, dann kann die BoJ ihre monatlichen Käufe im aktuellen Ausmaß nicht weiter fortführen. Sie müsste ihre Käufe vermutlich halbieren und alle neu ausgegebenen Anleihen direkt erwerben. Wieso sollten aber Marktteilnehmer aufhören, der BoJ ihre Anleihen zu verkaufen?

Wenn Banken, Versicherungen und Pensionsfonds Anleihen abstoßen, dann haben sie viel Cash zur Verfügung. Dieses Geld muss investiert werden. Versicherungen und Pensionsfonds haben langfristige Verbindlichkeiten. Um diese Verbindlichkeiten in der Zukunft bedienen zu können, müssen sie eine bestimmte Rendite erwirtschaften. Es ist daher keine Option Anleihen zu verkaufen und Cash zu horten.

Versicherungen und Pensionsfonds dürfen nach regulatorischen Änderungen mehr in risikoreichere Assets investieren. Das hat es überhaupt erst ermöglicht, dass sie ihre Anleihen freiwillig und in großem Stil verkauft haben. Alles hat jedoch seine Grenzen. Eine Versicherung kann schlecht 100 % ihrer Assets in Aktien oder ausländischen Assets halten. Die Verbindlichkeiten sind in Yen denominiert. Kaufen diese Marktteilnehmer nun ausländische Assets, haben sie ein enormes Währungsrisiko. Dieses zu 100 % abzusichern ist so teuer, dass die potentiell höhere Rendite wieder komplett aufgezehrt wird.

Risikoreiche Assets haben den Nachteil, dass sie kurz- bis mittelfristig große Wertverluste ausweisen können. Hätten Pensionsfonds im Jahr 2007 ihre Portfolios in Aktien übergewichtet, dann hätten sie exkl. Dividenden erst Anfang 2015 wieder ihre Verluste ausgeglichen. 8 Jahre lang auf Buchverlusten zu sitzen und gleichzeitig Pensionen auszahlen zu müssen ist nicht gerade beruhigend.

Banken wiederum brauchen Anleihen, um sie als Sicherheiten bei der Zentralbank hinterlegen und sich dafür Geld leihen zu können. Ein Mindestmaß an Anleihen wollen und müssen die Institute halten. Wie viel Banken, Versicherungen und andere Marktteilnehmer noch verkaufen können, weiß keiner so ganz genau.

Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass die BoJ 2017 oder 2018 keine Verkäufer mehr finden wird. Einzelne Banken gehen im schlimmsten Fall sogar bereits Ende 2016 davon aus. Jeder weiß, dass es früher oder später passieren wird, doch wann, ist äußerst ungewiss.

Das kann zu einem Unfall führen. Man stelle sich vor die BoJ muss im Januar 2017 ausweisen, dass sie nicht 60 Mrd. USD an Anleihen gekauft hat, sondern nur 20 Mrd. Man kann sich vorstellen, was auf dem Markt los wäre – und nicht nur auf dem Anleihemarkt, sondern vor allem auch auf dem Aktienmarkt.

Nun hat die BoJ Banken, Versicherungen und Pensionsfonds bereits dazu gedrängt, mehr Aktien zu halten. Ein Bärenmarkt kann und darf also nicht sein. Das würde die Vermögensposition massiv beschädigen und den letzten Rest des Vertrauens zerstören. Die Notenbank muss also garantieren, dass kein Unfall geschieht.

Garantieren kann sie es letztlich nicht. Sie kann nur Vorkehrungen treffen. Zu diesen Vorkehrungen kann eine Lockerung der Regulierung zählen. So könnte es Banken erlaubt sein, andere Assets als Sicherheiten zu hinterlegen, z.B. Aktien. Dann würden Banken ihre Anleihen an die BoJ verkaufen und mit dem erhaltenen Cash Aktien erwerben.

Aktien zu erwerben macht derzeit nicht unbedingt Sinn. Japanische Aktien sind mit einem KGV von 19 bewertet. Das ist im internationalen Vergleich viel. Gleichzeitig haben die Unternehmensgewinne bisher nur Wachstum ausgewiesen, weil der Yen abwertete. Der Yen wertet nun nicht mehr ab. Unternehmensgewinne dürften vermutlich eher sinken als steigen.

Das Dilemma der Notenbank ist groß. Es gibt kaum Möglichkeiten eine Korrektur zu verhindern. Theoretisch kann das nur vermieden werden, wenn die Wirtschaft nachhaltig anspringt und Inflation zurückkehrt (unwahrscheinlich) oder die Notenbank selbst weniger Anleihen kauft, dafür aber Aktien. Wir dürfen gespannt sein.

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4 Kommentare

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  • Marco Soda
    Marco Soda

    warum sollten diese geschäfte ausserbörslich statt finden, wenn ich ander Börse die papiere zum Börsenkurs bekomme. Sollte das nicht mehr der Fall sein muß der Börsenkurs eben steigen, und zwar so lange bis meine Order erfüllt ist. Wenn jemand nicht zum Böresenkurs verkaufen, verkauft auch nicht außerbörslich. Ist auch eine Steuerfrage . Bilanzierungsrichtlinien Daher ist diese Argument für mich nicht nachvollziehbar.

    09:26 Uhr, 13.01. 2016
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Sehr interessant, Herr Schmale, besonders wenn man sich diese Umstände auf Europa übertragen vorstellt. Das setzt doch aber voraus, dass diese Geschäfte außerbörslich gehandelt werden, über die Börse würden die Kurse doch so lange nach oben gehen, bis die Besitzer der gefragten Papiere bereit sind, abzugeben oder? Nun rein gefühlsmäßig würde ich sagen, kann es der Notenbank doch völlig egal sein, zu welchen Kursen sie kauft. Aber das Szenario bedeutet das sichere Ende des Anleihenmarktes und der Übergang zur sozialistischen Staatsfinanzierung. Wenn dann noch der Staat marode Versicherungen und Banken mit großem Aktienpotfeuilles vor dem Bankrott retten muss, ist es bis zur sozialistischen Wirtschaftsführung durch staatliche Manager nicht mehr weit. Ist das nun doch der natürliche Gang der Dinge? Haben wir Karl Marx doch zu früh lächerlich gemacht?

    09:21 Uhr, 13.01. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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