Kommentar
14:30 Uhr, 09.10.2018

Droht der weltweite Schuldenkollaps?

Italien ruft böse Erinnerungen an 2008 und 2012 wach. Das soll es auch, denn es ist der Brandherd, der am ehesten für eine globale Schuldenkrise sorgen kann.

Seit 2008 ist viel geschehen. Zuerst haben wir den drohenden Kollaps unseres Finanzsystems überstanden, dann die Schuldenkrise in der Eurozone. Die Welt hat sich weitergedreht, denn am Ende ist ja nichts geschehen. Der eigentliche Kollaps wurde abgewendet. Das bedeutet nicht, dass er nicht noch kommen kann.

Einige Länder haben vom Aufschwung in den letzten Jahren Gebrauch gemacht und ihre Schulden abgebaut (siehe Grafik). In Norwegen liegt die Staatsverschuldung heute bei gerade einmal 36 % des BIP. Das ist 12.8 % weniger als 2007, aber 9 Punkte mehr als 2014. Der niedrige Ölpreis hat in Norwegen vieles durcheinandergebracht. Norwegen partizipierte daher weniger vom Aufschwung der letzten Jahre.

In Deutschland konnten die Schulden gegenüber 2007 minimal um 2 Prozentpunkte abgebaut werden. Das liegt daran, dass die Schulden zunächst kräftig stiegen. Dafür wurden der Aufschwung und die Ruhe der letzten Jahre für den Schuldenabbau genutzt. Die Maastricht-Kriterien werden bald wieder erfüllt (maximal 60 % Verschuldung bezogen auf das BIP).

Norwegen, Deutschland und die Schweiz haben ihren Schuldenberg seit 2007 verringert. Damit stehen sie ziemlich alleine da. In den meisten Ländern ist die Verschuldung deutlich angestiegen. Ein Anstieg von weniger als 20 % wie in Brasilien gilt dabei sogar noch als gut. Die USA haben heute einen Verschuldungsgrad bezogen aufs BIP, der 44 Prozentpunkte über dem damaligen liegt. Damit befinden sich die USA in der Gesellschaft von Ländern wie Portugal und Spanien.

Der Anstieg der Verschuldung ist wegen der Finanzkrise nicht verwunderlich. Diese liegt nun aber bereits eine Weile hinter uns. Im Normalfall sollten die Schulden steigen, wenn es der Wirtschaft schlecht geht und sinken, wenn sie wächst. Das mit der Verringerung der Schulden funktioniert aber nicht so gut.

Der Abbau, der seit 2014 stattgefunden hat, ist in den meisten Ländern sehr bescheiden. 2014 wurde dabei gewählt, weil seit 2014 die Zweifachrezession in der Eurozone hinter uns liegt. Nur 3 Ländern ist es gelungen, die Verschuldung im zweistelligen Prozentbereich abzubauen (Irland, Deutschland, Zypern). Das ist ein Trauerspiel.

Dieses Trauerspiel muss nicht gleich böse enden. Länder wie die USA, Japan, Kanada und Südkorea haben ihre eigene Notenbank und können notfalls intervenieren. In der Eurozone geht das nicht so leicht. Genau aus diesem Grund besteht hier die größte Gefahr.

Wenn ein Land, z.B. Italien, ausschert, ist eine Intervention der EZB unwahrscheinlich. Interveniert sie nicht, droht jedoch der Kollaps, zunächst in Italien, dann im Rest der Eurozone. Es darf einfach nicht geschehen, dass Investoren Italien das Vertrauen entziehen. Wir hätten dem nichts entgegenzusetzen.

Eine Schuldenkrise, die von den USA oder Japan oder sogar China ausgeht, halte ich für unwahrscheinlich. Das größte Systemrisiko ist die Eurozone und innerhalb der Währungsunion ist es Italien. Die Lage wird sich in naher Zukunft vermutlich erst einmal wieder beruhigen. Solange die Wirtschaft wächst, steigt die Verschuldung zumindest langsamer. Problematisch wird es im nächsten Abschwung. Den können sich die meisten Staaten nicht leisten.

Der globale Kollaps bleibt aus meiner Sicht unwahrscheinlich. Eine Neuauflage der Eurokrise hingegen halte ich in den nächsten 10 Jahren für praktisch unausweichlich.

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1 Kommentar

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  • new-agens
    new-agens

    Sehe ich aus machttheoretischer Perspektive 100 % genau so! Kommt der Kollaps, haben die Zentralbanken ihre Macht verloren. Viele VT (Begriff hier wertfrei genutzt) suggerieren ja, dass genau das der Plan sei, um die inzwischen etablierte Blockchain-Geschichte weltweit unter der Fuchtel von IWF/BIZ auf die Sondererziehungsrechte zu transferieren und zu zentralisieren...wir werden´s sehen. So oder so wird es zu erheblichen Kollateralschäden kommen - der seit 2007/8 eingschlagene Weg ist und bleibt hochriskant. Als Epizentrum kleinerer Beben sehe ich weniger Italien (schon 2015 war glas- und glockenklar, dass uns der Laden wg. Italien 2017 um die Ohren fliegt - hab ich nich viel von gesehen), als vielmehr die USA und GB. GB ist in jeder Hinsicht ein Trauerspiel - tja, wer falsch wählt (ich meine Thatcher, nicht May ;-), muss eben mit den Konsequenzen leben.

    15:52 Uhr, 09.10. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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