Kommentar
19:03 Uhr, 04.09.2015

Draghi hält die Märkte auf Droge

Für einen kurzen Moment am gestrigen Donnerstag war die Welt für Anleger wieder in Ordnung. Draghi's EZB ist weiterhin bereit jederzeit die Geldschleusen noch weiter zu öffnen.

Die Märkte reagierten auf die Nachricht prompt. Indizes weltweit machten einen ordentlichen Satz nach oben. Gegen Tagesende bauten sich die Pluszeichen dann bereits wieder ab. Zu groß war die Nervosität vor dem heutigen US Arbeitsmarktbericht.

Ob die Nervosität berechtigt war, sei dahingestellt. Nach Veröffentlichung der Daten drückten Händler weltweit auf die Verkaufsknöpfe. Wieso ist keinem so richtig klar, denn der Arbeitsmarktbericht war in Ordnung. Es wurden weniger Stellen geschaffen als erwartet, doch dafür wurden die Zahlen in den Vormonaten nach oben revidiert.

Die Unsicherheit über die zukünftige US Zinspolitik bleibt bis zur Notenbanksitzung Mitte des Monats ungewiss. Ungewissheit stört Anleger seit die Notenbanken sie mit Sicherheit fluten. Genau das tat Draghi gestern. Die EZB kündigte an, das Anleihenkaufprogramm notfalls ausweiten zu können. Die Voraussetzungen dafür wurden geschaffen, indem die EZB jetzt bis zu 33% einer Anleihenemission kaufen darf. Bisher waren nur 25% zugelassen, um zu verhindern, dass die EZB eine Sperrminorität erwirbt.

Die Ankündigung hatte kurzfristig wohl die gewünschte Wirkung, denn Anleger kauften reflexartig Aktien. Heute ist die Wirkung schon wieder verpufft. Draghi kann ankündigen, was er will, gegen Nachrichten aus den USA und China kommt er derzeit nicht an. Man fragt sich überhaupt, was das gestern sollte. War die Not an den Märkten wirklich so groß, dass es eine heftige Verbalintervention der EZB brauchte?

In den USA kämpft die Notenbank damit, dem Markt Unsicherheit wieder anzugewöhnen. Seit über 2 Jahren zeigt sich, in welchem Schneckentempo das vorangeht. Am besten wäre es, wenn Notenbanken darauf verzichten, den Markt von ihren QEs abhängig zu machen, dann muss man den Markt auch nicht auf Entzug setzen. Draghi sieht das offensichtlich anders. Die im Vergleich zu den USA moderate Abhängigkeit in Europa wird mit jeder EZB Pressekonferenz untergraben. Der Markt wird gezielt immer weiter in die Abhängigkeit gedrängt.

Man kann die Äußerungen der EZB auch noch ein klein wenig anders interpretieren. Die Abhängigkeit des Marktes ist die unweigerliche Folge der Notenbankpolitik. Die Wirkung der Programme soll jedoch auf die Realwirtschaft abzielen. Diese steht und fällt in vielen europäischen Ländern mit dem Eurokurs. Dieser zeigte sich in den letzten Tagen und Wochen relativ robust.

Einen starken Euro kann die EZB nicht gebrauchen. Die EZB gibt sogar einen klaren Hinweis darauf, wo sie den Euro mittelfristig sieht. Die Grafik zeigt die Prognose der EZB zum EUR/USD Wechselkurs, sowie die Zinsprognose und eine Einschätzung des Wirtschaftswachstums. Es handelt sich bei den Prognosen immer um die Einjahresprognose mit Ausnahme von 2017. Der Wert, der für 2015 angezeigt wird, wurde von der EZB im September 2014 prognostiziert. Der Wert aus dem Jahr 2014 wurde im Jahr 2013 hervorgewagt usw.


An den Zinsen wird nicht geschraubt. Erst 2017 erwartet die EZB einen minimalen Anstieg des 3-Monats-Euribor von derzeit 0% auf 0,2%. Nach derzeitigem Stand wäre demnach Ende 2017 bis Anfang 2018 mit einer Leitzinsanhebung zu rechnen. Ob es soweit kommt, hängt vom Wechselkursverhältnis ab. Es wird mittelfristig ein EUR/USD Kurs von 1,10 vorhergesagt. Persönlich vermute ich stark, dass die EZB sehr viel tun wird, um diesen Kurs zu verteidigen - vor allem gegenüber der Oberseite.

Wertet der Euro zu stark auf, dann wird die EZB ihr QE-Programm ausweiten. Der Markt wird das feiern und gleichzeitig wieder ein klein wenig abhängiger werden. Das ist die Nebenwirkung der Politik der EZB, die den Euro zumindest gedanklich auf Sicht von 3 Jahren bei 1,10 zum USD sieht. Setzt die EZB ihre Politik ein, um die eigenen Erwartungen zu erfüllen, dann führt uns das schon in die Richtung einer chinesischen Wechselkurspolitik. Die chinesische Notenbank interveniert direkt, die EZB indirekt. Der Yuan schwankt deutlich weniger als der Euro, doch letztlich führen beide Ansätze zu einem Zielkurs gegenüber dem Dollar.

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8 Kommentare

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  • Super-Hobel
    Super-Hobel

    Solange das Geld nur in die sch.... Börsen geht, von denen keine Firma und kein Privatmann etwas haben wird es nie den Effekt haben, den es haben soll. Vermutlich brechen die Märkte crashartig zusammen auf "vernüftige" Kurse, sobald endlich die Zinsen angehoben werden, bevor es zu spät ist und die Verschuldungsorgie noch weiter geht.

    21:21 Uhr, 04.09.2015
  • Austrochris
    Austrochris

    So einfach ist es nicht.

    Frau Yellen braucht vielleicht eine Frisurwende, aber die Finanzwelt keine US-Leitzinswende

    Alles andere ist Wahsinn und würde bedeuten, dass die Weltwirtschaft völlig aus den Rudern gerät. Ein zu starker Dollar ist wie ein Kapitalfluchtbeschleuniger für die Schwellenländer und viele rohstofforientirte Länder stehen vor einer Rezession bzw sind schon mittendrinnen siehe Kanada .

    Auch die Wirtschaftsdaten sind im Amiland alles andere als berauschend . Ein Hauch vom kalten Nordwind reicht und viele Millionen Nebenjobs sind Geschichte .

    Sollte die Fed dennoch realitätsfremd handeln und die Zinsen erhoehen ,dann kommt der Bumerang ohne Umweg retour.

    Wobei wir reden hier um eine Zinsanhebung und nicht eine Zinswende . Die Zinssuppe ist schon so oft aufgekocht worden , dass diese paar Basispunkte völlig überbwertet werden und maximal bei der Freizeitrevue noch auf der ersten Seite stehen koennten.

    19:54 Uhr, 04.09.2015
    1 Antwort anzeigen
  • game_over
    game_over

    Welchen Zweck hatte QE nochmal? Ich meine mich dumpf daran zu erinnern, dass es ein Instrument zur Konjunkturverbesserung sein sollte. Und warum solle es jetzt QE 2 geben? Wer legitimiert Herrn Draghi mit mehreren Tausend Mrd. Euro aus der europäischen Finanzkasse zu jonglieren?

    19:52 Uhr, 04.09.2015
  • whynot
    whynot

    QE sollte mal die lösung sein, doch mittlerweile ist es teil bzw ursache des problems.

    19:45 Uhr, 04.09.2015
  • whynot
    whynot

    das blöde mit den drogen ist halt nur, sie machen abhängig und der entzug ist schmerzhaft.

    19:43 Uhr, 04.09.2015
  • Danyo
    Danyo

    Sollte in den USA tatsächlich die langsame Zinswende und in Europa eine Ausweitung des QEs kommen dürfte die Liquidität im europäischen Markt dramatisch austrocknen. Dramatisch könnte in dem Fall sogar unkontrollierbar bedeuten.

    19:14 Uhr, 04.09.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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