Kommentar
09:30 Uhr, 29.09.2016

Dieser Indikator ist bedenklich!

Anlegern stehen immer weniger nützliche Indikatoren zur Verfügung, um Auskunft über den Markt zu erhalten. Das ist ein großes Problem.

Der Markt hat den Angstmonat September fast überstanden. Unterm Strich war der September weniger dramatisch als befürchtet. Die Wahrscheinlichkeit für eine signifikante Korrektur des Marktes im September ist relativ hoch. Im September ist die Wahrscheinlichkeit so hoch wie in keinem anderen Monat.

Letztlich kam es zu keiner signifikanten Korrektur. Das war im Vorfeld so nicht zu erwarten, denn mehrere Faktoren sprachen für mehr Bewegung. Da war z.B. die extrem niedrige Volatilität. Aufgrund der niedrigen Volatilität gingen viele Beobachter davon aus, dass einer so ruhigen Phase schon zwangsläufig eine Korrektur folgen muss.

Die Volatilität stieg tatsächlich kurzfristig stark an. Der Schreck dauerte jedoch nur wenige Tage. Inzwischen ist die Volatilität wieder auf niedrigem Niveau. Zu verdanken haben wir das auch den Notenbanken, die kein Störfeuer geliefert haben. Deswegen muss nun aber bis Jahresende nicht gleich alles in bester Ordnung sein.

Ein Indikator liefert ein bedenkliches Signal. Es handelt sich dabei um die Zinsdifferenz des Dollar-LIBOR und kurzfristiger US-Staatsanleihen. Letzteres repräsentiert praktisch den risikolosen Zins, den Anleger auf dem Markt erhalten können. Der LIBOR spiegelt hingegen den Zins wider, der auf dem Interbankenmarkt erzielt wird. Der Spread, genannt Ted Spread, ist ein wichtiger Stress Indikator. Je höher der Stress, desto höher ist der Spread. Praktisch bedeutet dies, dass der LIBOR stark steigt, während der risikolose Zins stabil bleibt oder sinkt.

Der LIBOR zeigt an, wie bereitwillig sich Banken untereinander Geld leihen. Je höher der Zinssatz, desto geringer ist die Bereitschaft. Besonders ausgeprägt war das 2008/09. Der Interbankenmarkt trocknete praktisch aus. Es war viel Stress im Finanzsystem. Grafik 1 zeigt diesen Stress durch den massiven Anstieg des Ted Spreads.

Aktuell steigt der Ted Spread wieder massiv an. Er liegt mit knapp 0,7 % so hoch wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Gemessen an dem immer noch sehr niedrigen Zinsniveau ist das ein erschreckend hohes Niveau, zumal der Anstieg in den letzten Wochen fast schon senkrecht war.

Mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung macht sich dieser Stress im Finanzsystem auch auf dem Aktienmarkt bemerkbar. Jeder größeren Korrektur ging ein Anstieg des Spreads voraus. Dieses Mal ist es jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit anders. „Diesmal ist es anders“ gilt zwar als gefährlichster Satz an der Börse, doch auch dazu gibt es Ausnahmen.

Grafik 2 zeigt die LIBOR Sätze für unterschiedliche Währungen. Nur für den Dollar zeigt sich ein markanter Anstieg. Ist Stress im System, dann bewegen sich die Sätze für gewöhnlich parallel. Das ist derzeit nicht der Fall. Das deutet darauf hin, dass es kein globales Problem gibt.


Der Dollar Satz tanzt aus der Reihe, weil es eine regulatorische Änderung in den USA gibt. Eine Reform für Geldmarktfonds führt dazu, dass Geldmarktfonds praktisch nur noch Staatsanleihen halten. Das erhöht die Nachfrage nach kurzfristigen Staatsanleihen und senkt die Rendite. Das führt dazu, dass der Spread steigt.

Auf der anderen Seite sinkt die Nachfrage nach kurzfristigen Anlagen anderer Art. Unternehmen leihen sich ebenso wie Staaten über eine Dauer von wenigen Monaten Geld auf dem Finanzmarkt, etwa über Commercial Paper. Da Geldmarktfonds wegen der regulatorischen Änderung kein Interesse mehr daran haben, diese Papiere zu halten, sinkt die Nachfrage und die Zinsen für diese Papiere steigen. Auch das erhöht den Spread.

Der Spread war ein exzellenter Vorlaufindikator für den Aktienmarkt. Jetzt kann man ihn eigentlich nicht mehr gebrauchen. Anleger haben dadurch einen Stressindikator weniger zur Verfügung, um den Zustand des Marktes zu beurteilen. Ersatzweise kann man den Spread von Staats- und Hochzinsanleihen verwenden. Hochzinsanleihen sind noch einigermaßen unberührt von neuer Regulation und Notenbanken kaufen bisher keine Hochzinsanleihen, sodass man noch einen aussagekräftigen Spread erhält.

Clemens Schmale

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5 Kommentare

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  • Master Robin
    Master Robin

    Herr Schmale, Sie sollten in der ersten Grafik den Spread ins Verhältnis setzen zum Zinsniveau. Bei 10% hat ein Spread von 20 bp einen andere Bedeutung als nahe Null.

    13:48 Uhr, 29.09. 2016
  • netzadler
    netzadler

    "Der Markt hat den Angstmonat September fast überstanden. Unterm Strich war der September weniger dramatisch als befürchtet. Die Wahrscheinlichkeit für eine signifikante Korrektur des Marktes im September ist relativ hoch. Im September ist die Wahrscheinlichkeit so hoch wie in keinem anderen Monat."

    im Oktober verdichtet sich die politische und wirtschaftliche Gemengelage erheblich.

    ich tippe daher auf einen äußerst anstrengenden folgemonat

    10:31 Uhr, 29.09. 2016
  • bongo
    bongo

    Da passt ja diese Meldung.Ob die Saudis ihre US-Anleihen verkaufen.

    http://www.tagesspiegel.de/politik/kongress-uebers...

    und hier

    http://www.freiewelt.net/nachricht/gefaehrlicher-t...

    10:23 Uhr, 29.09. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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