Kommentar
10:32 Uhr, 10.03.2022

Diese Lücke muss die Fed erklären

Am 16. März ist für den US-Aktienmarkt wieder Schicksalstag. Ob dieser gut oder schlecht verläuft, hängt davon ab, ob die Fed eine gute Erklärung für eine klaffende Lücke findet.

Seit einigen Monaten haben Notenbanken anerkannt, dass Inflation nicht vorübergehend ist. Was sie aber immer noch nicht anerkennen, ist ihre Verantwortung dafür. Anstatt die Dinge beim Namen zu nennen, werden Lieferengpässe, Ungleichgewichte zwischen Güter- und Dienstleistungskonsum usw. für die Inflation verantwortlich gemacht.

Das alles ist nicht falsch. Ein wichtiger Aspekt fehlt jedoch. Es konnte nur zu dieser extremen Schieflage kommen, weil Notenbanken, allen voran die Fed, den Staat finanziert haben. Das Geld wurde von Regierungen verteilt, doch es ist unwahrscheinlich, dass sie dies ohne die Notenpresse hätten tun können.

Fed-Chef Powell gab dem Staat einen Blankoscheck, indem er in einer Pressekonferenz sagte, dass man sich über Schulden keine Sorgen machen muss. Die Notenbank würde so viel wie nötig dieser Schulden kaufen. Damit wurde klar die rote Linie der Staatsfinanzierung überschritten.

Die Geldpolitik hat über den Umweg des Staates einen großen Anteil am Inflationsdilemma. Nun befinden wir uns in einer Situation, in der die Lücke zwischen dem tatsächlichen Zins und dem Zinssatz, der für die Inflationsbekämpfung benötigt wird, gigantisch ist. Als Gradmesser für die Lücke kann man das Wirtschaftswachstum oder den Einkaufsmanagerindex für den Zustand der Wirtschaft betrachten. Der tatsächliche Zins ist die Differenz des realen Leitzinses und des neutralen Zinssatzes (Grafik 1). Der neutrale Zins ist jener, bei dem die Wirtschaft weder angeschoben noch gebremst wird.

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Die Lücke ist historisch groß. Um Inflation zu bekämpfen, müsste der Leitzins bei 8 % liegen. Das ist natürlich unrealistisch und selbst beim Willen zur Inflationsbekämpfung nicht notwendig. Das Wachstum schwächt sich bereits ab. Nimmt man diesen Abschwung vorweg, ist „nur“ noch eine Zinserhöhung im Bereich von 5 % notwendig.

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Auch das wird es vorerst nicht geben. Die Notenbank will Schocks vermeiden. Nach einem Schock die Folgen zu beseitigen ist schwieriger und teurer als den Schock selbst zu vermeiden. Sie wird daher so behutsam wie möglich vorgehen.

Mit jedem Monat, in dem die Inflation nicht sinkt, wird die Frage nach der Inflationsbekämpfung akuter. Je länger die Lücke besteht und je größer sie wird, desto wahrscheinlicher kommt es früher oder später zu einer Vollbremsung. Aktuell kann man nur hoffen, dass es nicht soweit kommt. Hoffen kann man immer. Hoffnung allein wird die Inflationsrate kaum senken.

Bereits vor dem Kongress ließ Powell durchschimmern, wie die Fed vorgehen will. Die Zinswende beginnt am 16. März mit einer Zinserhöhung um 25 Basispunkte (anstatt 50 Basispunkte wegen des Krieges). Danach steigt der Zins bei jeder Sitzung um 25 Punkte und wenn die Inflation bis Jahresende immer noch nicht deutlich gesunken ist, wird 2023 mit Zinsen aggressiv gegen die Inflation vorgegangen. Für Anleger bleiben die Zeiten möglicherweise für Jahre schwierig.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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