Kommentar
10:44 Uhr, 12.04.2022

Die Zinskurve ist wieder positiv: Ist die Rezession damit abgewendet?

Stehen kurzfristige Zinsen höher als langfristige, müssen sich Anleger auf eine Rezession einstellen. Nun sind langfristige Zinsen wieder höher als kurzfristige. Kann man Entwarnung geben?

US-Notenbanker vertreten die Ansicht, dass die Wirtschaft kräftige Zinserhöhungen verkraften kann. Wer einen Blick auf die Zinskurve warf, konnte das nur für Zweckoptimismus halten. Bisher folgte praktisch jeder invertierten Zinskurve eine Rezession (Grafik 1).

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Die Entwicklung wurde auch von der Notenbank wahrgenommen. Trotzdem bestand sie darauf: Die Wirtschaft ist stark genug. Grund für diesen Standpunkt war eine andere Zinskurve. Fed-Chef Powell betrachtet lieber die Zinsdifferenz von zweijährigen Anleihen und Schuldverschreibungen mit drei Monaten Laufzeit (Grafik 2). Hier ist von einer Abflachung keine Rede. Geht es nach dieser Zinskurve, boomt die Wirtschaft wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

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Je nachdem, welche Zinskurve man betrachtet, kommt man zu einer anderen Schlussfolgerung. In den vergangenen Tagen kam es zu einer Entwicklung, die nun der Fed Recht zu geben scheint. Die Rendite 10-jähriger Anleihen stieg weiter an, die Rendite zweijähriger Anleihen zog nicht mehr mit. In Summe ist die Zinsdifferenz nun wieder positiv.

Die Inversion auf Schlusskursbasis dauerte gerade einmal zwei Tage. Einige Ökonomen erachten eine so kurze Inversionsdauer für nicht aussagekräftig. Wenn die Zinskurve nicht mindestens ein Quartal im negativen Bereich notiert, sollte man das Signal nicht überbewerten, heißt es.

Weder Notenbanker, die sich nun insgeheim wahrscheinlich darüber freuen, dass ihnen der Markt rechtzugeben scheint, noch Anleger sollten sich zu früh freuen. Die von der Fed favorisierte Zinskurve steigt nicht mehr an. Stattdessen scheint sich der Trend umzukehren. Damit wird nicht mehr sich beschleunigendes Wachstum angezeigt, sondern ein beginnender Abschwung.

Die beiden Zinskurven entwickelt sich seit einiger Zeit genau konträr (Grafik 3). Der Anstieg der Zinskurve (10-2 Jahre) und der Abwärtstrend bei der anderen Zinskurve (2 Jahre – 3 Monate) dürfte auf eine Veränderung der Inflationserwartungen zurückzuführen sein. Diese beginnen wieder anzusteigen.

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Über die kommenden zehn Jahre erwarten Anleger eine durchschnittliche Inflationsrate von mehr als 2,5 %. Die Rendite von Langfristanleihen wird stark von der Inflationserwartung beeinflusst. Je höher die Erwartung, desto höher auch die Rendite 10-jähriger Anleihen.

Renditen von Anleihen bis drei Jahre werden hingegen stark vom erwarteten Leitzins geprägt. Der Markt arbeitet also ein einer neuen Aussage. Bisher war die Aussage: Die Fed erhöht die Zinsen zu schnell, es kommt zur Rezession und die Inflation sinkt. Nun sind Ansätze einer neuen Erwartung zu erkennen: Die Fed erhöht die Zinsen, es kommt zur Rezession, die Inflation sinkt jedoch unzureichend. Anleger beginnen Stagflation einzupreisen. Bisher spiegelten Renditen ein solches Szenario nicht wider. Das ist keine Entwarnung, sondern vielmehr eine sehr viel problematischere Wende in der Erwartungshaltung. Wenn es eines gibt, was man vermeiden will, dann ist es Stagflation.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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