Kommentar
16:16 Uhr, 19.07.2018

Die Zinsen sind zu hoch

Die Langfristzinsen sind zu hoch. Das kommt vielleicht überraschend, denn das Zinsniveau ist immer noch historisch niedrig, doch vieles spricht dafür, dass die Zinsen zu hoch sind.

Zinsen werden von mehreren Faktoren beeinflusst. Als erstes kommt einem da der Leitzins der Notenbank in den Sinn. Die Notenbanken legen die kurzfristigen Zinsen fest. Langfristzinsen können sie nicht so einfach festlegen, aber das kurzfristige Zinsniveau hat freilich auch einen Einfluss auf die Langfristzinsen.

Das ist nicht der einzige Einflussfaktor. Selbst wenn der Leitzins niedrig ist, die Inflation aber sehr hoch, bewegen sich die Zinsen nach oben. Anleger sind im Normalfall nicht bereit, real Geld zu verlieren. Sie verlangen eine Kompensation für die Inflation.

Und dann ist da noch die Nachfrage. Ist die Nachfrage nach sicheren Anleihen sehr hoch, steigen die Preise der Anleihen. Dadurch sinken die Zinsen. Derzeit wird die hohe Nachfrage für niedrige Zinsen am langen Ende verantwortlich gemacht. Das ist ein interessantes Argument.

Inzwischen wissen wir, dass in den USA die Zinskurve kurz vor einer Inversion steht, also die kurzfristigen Zinsen höher sind als die langfristigen. Sowohl Notenbank als auch so mancher Analyst hat davor keine Angst, obwohl die letzten Rezession so präzise vorhergesagt werden konnten.

Viele gehen davon aus, dass die Langfristzinsen künstlich zu niedrig gehalten werden. Das liegt nicht mehr an der Geldpolitik, sondern an zu hoher Nachfrage. Das trifft vor allem auf US-Anleihen zu. Diese liefern eine Rendite von knapp 3 %. Gegenüber dem Nullzinsumfeld in Japan und der Eurozone ist das attraktiv.

Der Inversion wird daher gelassen entgegengesehen. Sie wird praktisch abgetan. Kommt es zur Inversion, so die Analysten, muss das nichts heißen. Es sind Sonderfaktoren, die dafür sorgen. Somit ist das Signal nicht aussagekräftig. Nun, das wurde auch die letzten Male schon gesagt und trotzdem kam dann die Rezession.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Zinsen nicht unbedingt zu niedrig sind. Es gibt auch die andere Sichtweise: Die Zinsen sind zu hoch. Neben Inflation, Nachfrage und Geldpolitik gibt es noch einen anderen Faktor, der die Zinsen bestimmt: das Wirtschaftswachstum.

Das Wirtschaftswachstum ist in den USA aktuell recht solide, Steuersenkung und Ausgabenprogramm des Staates sei Dank. Diese Sonderkonjunktur wird abebben. Einkaufsmanager haben oftmals einen guten Blick auf das, was zu erwarten ist. Sie sind die ersten, die es mitbekommen, wenn es nicht mehr rund läuft.

Der Einkaufsmanager-Subindex für neue Bestellungen ist derzeit schwach. Das deutet eine nachlassende Wachstumsdynamik an. Vergleicht man das mit dem Zinsanstieg in den USA, ergibt sich eine deutlich Divergenz (siehe Grafik). Die Zinsen sind demnach eigentlich zu hoch.

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Man kann also auch eine solche Sichtweise vertreten: die Zinskurve müsste bereits jetzt invertieren, weil die Langfristzinsen ungewöhnlich hoch sind. Die Rezession kann viel früher beginnen als es viele glauben.

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2 Kommentare

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  • Howi007
    Howi007

    toller Artikel!! passt zum Umfeld des Handelskrieges und dem Einbruch von Dr. Copper....und zum heutigen Kommentar des US Presidenten...die ZINSEN sind zu hoch!!!!

    19:38 Uhr, 19.07.2018
  • CharlieMunger
    CharlieMunger

    Danke für diesen sehr interessanten und aufschlussreichen Artikel

    17:11 Uhr, 19.07.2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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