Kommentar
12:10 Uhr, 07.10.2015

Die Welt wird nie wieder so sein wie vor 2008

Die US Notenbank ist unbeirrt und hält an dem Phantom Normalisierung fest. Das ändert nichts daran, dass es ein Phantom bleibt.

Eine Normalisierung hin zu der Zeit vor 2008 wird es auf absehbare Zeit (Jahrzehnte) nicht geben. Die Geldpolitik wird sich ein Stück weit normalisieren, indem die Zinsen nicht mehr bei 0% liegen, aber sie wird nicht mehr zu der Normalität zurückfinden, die vor 2008 herrschte. Zu dieser Normalität gehörten Zinsen im Bereich von 4 bis 5% und Inflationsraten von 2 bis 5%.

Die Normalisierung wird an vielen Dingen scheitern. Ganz besonders wird sie jedoch am Zustand der US Wirtschaft scheitern. Die USA, der mit Abstand größter Markt weltweit und mit der wichtigsten Währung weit und breit, werden den Ton für alle anderen Märkte vorgeben. Wenn die USA nicht normalisieren, dann wird es im Rest der Welt erst recht nicht geschehen.

Die USA können nicht wieder zur Normalität zurückkehren. Das ist schlichtweg nicht möglich. Grund dafür sind die überbordenden Schulden. Grafik 1 zeigt die Schulden der US Wirtschaft in Prozent ihrer Wirtschaftsleistung und nach Art der Schulden. Den Großteil der Schulden machen Anleihen und Schuldverschreibungen aus. Getrieben ist das durch den Staat und Unternehmen.

Immobilienkredite folgen an zweiter Stelle, gefolgt von allgemeinen Darlehen (u.a. Studienkredite) und Konsumkrediten. Die Schuldenberge wachsen exponentiell an. Unterbrochen wurde der Exzess nur für kurze Zeit in den Jahren 2008 bis 2011. Seitdem hat die Ausweitung der Schulden wieder ihren ursprünglichen Trend aufgenommen.

Die Schulden als Prozentsatz der Wirtschaftsleistung stagnierten 2014 nachdem sie zuvor mehrere Jahre lang gesunken waren. 2015 könnte es erstmals seit 2009 wieder zu einer Erhöhung der Schulden – gemessen an der Wirtschaftsleistung – kommen.

Vergleicht man den Trend der Schuldenaufnahme mit der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes, dann sieht man sofort, dass die Wachstumsraten unterschiedlich sind. Die Schulden wachsen schneller als das BIP. Dieses Phänomen ist nicht ganz neu. Es ist seit fast 40 Jahren zu beobachten.

Bis in die späten 70er Jahre hinein stagnierten die Schulden bei ungefähr 150% des BIP. Das war auch vor 1945 nicht viel anders. Soweit man zuverlässige Daten findet, hat sich ein Schuldenberg von 150% der Wirtschaftsleistung als relativ stabil erwiesen. Erst Ende der 70er Jahre änderte sich das. Ein neuer Trend begann.

Dieser Trend führte zu einer überproportionalen Ausweitung der Verschuldung. Die Schulden wachsen seit 1980 doppelt so schnell wie die Wirtschaftsleistung. Ermutigt wurde dies durch rasch sinkende Zinsen. In den USA wurden die Zinsen in den vergangenen 35 Jahren tendenziell gesenkt. Das ermöglichte Haushalten und Unternehmen mehr Schulden für die gleiche Zinslast aufzunehmen.

Grafik 2 zeigt die Zinslast im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung. Obwohl die Verschuldung schneller anstieg als jemals zuvor blieb die Zinslast mit 15 bis 20% des BIP stabil. Mit dem Beginn der Nullzinspolitik sank die Zinslast erstmals seit 1977 unter 12% des BIP. Seit 2012 steigt die Zinslast wieder an. Das liegt einerseits daran, dass der Schuldenberg wieder überproportional zu wachsen beginnt und an einem Zinsniveau, welches nicht weiter sinken kann.

Selbst wenn das Zinsniveau dort bleibt, wo es derzeit ist (nahe null), dann dürfte die Zinslast innerhalb von 10 Jahren wieder auf über 15% des BIPs steigen. Hebt die US Notenbank die Zinsen auf 2% an, dann dürfte die Zinslast binnen eines Jahrzehnts auf 20% der Wirtschaftsleistung steigen. Bis 2030 würde sie schon über ein Viertel des BIPs beanspruchen.

Überproportionales Kreditwachstum ist unsinnig. Die USA konnten das fast 4 Jahrzehnte lang machen und dadurch überdurchschnittliches hohes Wachstum generieren. Die Schuldenhöhe und Schuldentragfähigkeit ist jedoch am Ende. Schon kleine Zinssteigerungen können auf Sicht von 10 Jahren verheerende Folgen haben.

Um ein zu schnelles Kreditwachstum zu verhindern hätten die Zinsen schon längst angehoben werden müssen. Das hätte zugegebenermaßen die Wirtschaft stagnieren lassen. Die Fed hat sich für höheres Kreditwachstum zugunsten höheren, kurzfristigen Wirtschaftswachstums entschieden. Langfristig steigt dadurch die Gefahr einer Kreditblase. Das Kreditvolumen ist inzwischen so hoch, dass ein Zinsanstieg von 2% die Wirtschaft in die Knie zwingen wird.

Die Wirtschaft ist – trotz aller positiven Signale – bereits jetzt fast am Ende. Grafik 3 zeigt die Nettosparquote der USA. Die Nettosparquote ist in der heutigen Boomzeit gerade einmal so hoch wie in vergangenen Rezessionen. Das sagt schon viel aus. Ein Zinsanstieg um 2% würde die Sparquote bald auf 0% drücken.

Es hilft in dieser Situation auch nicht, dass der Anteil von Löhnen und Gehältern an der Wirtschaftsleistung immer weiter sinkt. Gerade Haushalte haben immer weniger Spielraum. Das ist besonders für die USA kritisch. Zwei Drittel der Wirtschaftsleistung kommt aus dem privaten Konsum. Konsumenten verdienen allerdings gemessen an der Wirtschaftsleistung immer weniger.

Der Abwärtstrend des Lohnanteils am BIP begann in den 70er Jahren. Das war auch jene Zeit, in der das exorbitante Kreditwachstum startete. Das ist kein Zufall. Konsumenten verdienten relativ gesehen weniger und kompensierten dies durch Kreditaufnahme. Das geht nicht mehr, da die Schulden heute zu hoch sind. Steigende Zinsen machen die Schulden nur noch schneller untragbar.

Der einzige Weg raus aus diesem Schlamassel wären steigende Löhne und dadurch auch steigende Inflation bei weiterhin niedrigen Zinsen. Genau darauf hatte die US Notenbank bisher gehofft – vergeblich. Inflation kam nicht und Löhne stiegen nicht. Jetzt drohen die niedrigen Zinsen für Vermögenspreisblasen zu sorgen. Die Zinsen müssten also eigentlich steigen. Steigen diese, dann platzt jedoch die Kreditblase innerhalb von 10 Jahren. Momentan sieht das nach einem Dilemma ohne Ausweg aus.

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10 Kommentare

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  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Ich mag den Zonk, ich nehme Tor 3. ;)

    20:07 Uhr, 07.10.2015
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Typische Milchmädchenrechnung. Ich bin kein Kriegsliebhaber, aber der Militärsektor ist in der US-Wirtschaft nun nicht gerade unwichtig. Schauen Sie mal wie viele Menschen bei Boeing, Lockheed Martin, Raytheon und Co. arbeiten. Halbiert die lame duck im Weißen Haus die Militärausgaben, kommt es dort umgehend zu Massenentlassungen und er muss das Geld an anderer Stelle (zur Bekämpfung von Armut) einsetzen. Und davon haben die Amerikaner auch jetzt schon genug...

    19:28 Uhr, 07.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • schimpanse69
    schimpanse69

    Bebaute Grundstücke in Städten ab mittlere Größe ist das Einzige, was am Ende zählt.

    13:42 Uhr, 07.10.2015
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1579...

    was soll man dazu noch sagen?

    12:57 Uhr, 07.10.2015
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    Die Löhne können erst steigen, wenn sie außerhalb Amerikas bei den Mitbewerbern auch steigen. Das tun sie nicht.

    Was hat sich die Notenbank denn dabei nur gedacht?

    Man könnte nur die Steuern senken, das würde die Löhne steigen lassen und viel zusätzliches Wachstum generieren.

    Ich wüsste auch schon, wo ich Einsparungen vornehmen würde um damit die Steuersenkungen durchfinanzieren:

    Die USA haben 2014 unglaubliche 610 Milliarden Dollar an Militärausgaben gehabt. Das sind zwar 30 Mrd. weniger als 2013 aber trotzdem noch eine unglaubliche Summe.

    Solange sich aber ein Land solch eine Verschwendung leistet ist es unsinnig darüber nachzudenken, wie die von ihren Schulden runterkommen.Jetzt mal ehrlich, alle anderen Länder haben im Schnitt Militärausgaben von 30 Mrd. und weniger (China mal ausgenommen) etliche nicht mal 10 Mrd.

    Was soll der Quatsch?

    12:53 Uhr, 07.10.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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