Kommentar
16:20 Uhr, 29.04.2022

Die USA bleiben an der Spitze

China will die USA an der Weltspitze ablösen. Die meisten halten es nur für eine Frage der Zeit. Die Zeit wird jedoch nie kommen.

Seit beinahe zwei Jahrzehnten wird prophezeit, dass China die USA überholen wird. Zunächst bezogen sich die Prognosen auf die Wirtschaftsleistung, dann immer mehr auch auf den Status als Weltmacht. China hat die Ambition und viele halten den Aufstieg für möglich. Wahrscheinlich ist er aber nicht.

So manche Investmentlegende hat unzählige Bücher, Artikel und Research Paper darüber geschrieben, wie China die USA ablösen wird. An vorderster Front steht Ray Dalio, einer der erfolgreichsten und reichsten Hedgefondslegenden. Seine Überlegungen machen grundsätzlich Sinn. Weltmächte kamen und gingen schon immer. Alles erfolgt in Zyklen.

Der Aufstieg und Fall von Weltmächten folgt einem immer ähnlichen Muster. Im Aufstieg gewinnt ein Land an Wettbewerbsfähigkeit, unter anderem durch Bildung, baut ein starkes Militär auf, hat viel internationalen Handel, eine starke Innovationskraft und die Währung hat einen Reservestatus.

Der Fall beginnt mit Vermögensungleichheit, sinkendem Bildungsstandard, Schuldenblasen und am Ende grenzenlosem Gelddrucken. Es endet im wirtschaftlichen Kollaps oder Krieg. Die USA haben ihren Höhepunkt nach dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Eine Weltmacht waren sie bereits zuvor. Großbritannien wurde zur Jahrhundertwende vom 19. Zum 20. Jahrhundert abgelöst.

Seit den 1950er Jahren befinden sich die USA in einem Abwärts- und China in einem Aufwärtstrend. Extrapoliert man die bisherige Entwicklung einfach weiter, überholt China die USA spätestens Mitte des Jahrhunderts. China setzt viel daran, dass dies gelingt. Der Wille allein macht aber noch keinen Erfolg.

Es ist noch ein weiter Weg, bis China die USA in Bezug auf Technologie, Innovation und Militär überholt haben. Auch wirtschaftlich ist China nur noch bedingt auf der Überholspur. Seit einigen Jahren schrumpft der Anteil der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter. Die Bevölkerung insgesamt wächst nicht mehr und wird zurückgehen.

Das ist ein gehöriger demographischer Gegenwind, der aller Voraussicht nach bis 2055 anhält. Die USA kämpfen zwar auch mit Gegenwind, doch der Trend ist weniger stark ausgeprägt (Grafik 1). Zudem wächst die Bevölkerung grundsätzlich weiter. Schrumpft die Bevölkerung, braucht es weniger Immobilien, Infrastruktur usw.

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Der enorme Investitionsboom in Infrastruktur und Immobilien geht in China dem Ende entgegen. Da der Sektor fast 30 % der Wirtschaftsleistung ausmacht, ist hohes Wachstum ohne eine Beschleunigung in diesem Bereich illusorisch. Die meisten Prognosen trauen China immer noch zu, dass es die USA, gemessen an der Wirtschaftsleistung, deutlich überholen wird.

In einer Prognose der OECD soll Chinas Wirtschaft bis 2060 die US-Wirtschaftsleistung um 70 % übersteigen (Grafik 2). Bei schrumpfender Bevölkerung, einem immer tieferen Erwerbsanteil, Ende des Investitionsbooms, hoher Verschuldung und abnehmenden Produktivitätswachstum ist das optimistisch. Realistisch ist ein Szenario, in dem China die USA zwar überholt, der Abstand jedoch vergleichsweise gering bleibt.

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Ungelegen kommt auch der Ukrainekrieg. Chinas „grenzenlose“ Partnerschaft mit Russland war bestenfalls ungeschickt. Innerhalb von Tagen wurde die Welt in zwei Blöcke geteilt. Die USA übernehmen wieder die Führungsrolle und vereinen die bisherigen Verbündeten hinter sich.

Eine Weltmacht wird auch von Verbündeten gemacht und gestützt. Jahrelanger Niedergang wurde plötzlich umgekehrt. China gerät derweil immer mehr unter Druck, nicht etwa, weil es Russland als Freund und Partner bezeichnet. Gerade die Politik der Nicht-Einmischung und Investitionen in die neue Seidenstraße bringen China in die Bredouille. Sri Lanka ist nicht das erste Land, welches in eine Schuldenfalle getappt ist, nicht zuletzt, weil es sich mit Investitionen übernommen hat.

Investitionen und Geld aus China waren lange willkommen, weil es keine politischen Bedingungen gab. Nun wird immer mehr Ländern klar, dass sie sich übernommen haben. Die Skepsis wächst und Chinas Einfluss über Investitionen droht nicht zum Vorteil, sondern zum Nachteil zu werden.

Die Bedeutung dessen, was gerade geschieht, wird man erst in einigen Jahren richtig erfassen können. Persönlich würde es mich nicht wundern, wenn 2022 als das Jahr eingeht, indem China die Chance auf eine Ablösung der USA an der Weltspitze verloren hat.

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2 Kommentare

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  • therman
    therman

    Ich bin da anderer Meinung. Der Stellvertreter Krieg, in dem die USA die Ukraine missbraucht um Krieg gegen Russland zu führen ist ein weiterer Schritt zum Verfall der amerikanischen Supermacht Stellung.

    Und es sieht leider so aus, dass die USA auch Deutschland in diesen Krieg hineindrücken will.

    Indien, wie auch viele andere Staaten, intensiviert den Handel mit Russland und kauft mehr Öl und anderes und zahlt in Rubel. China kauft mehr Kohle und Öl von Russland und zahlt nicht in Dollar usw... Die arabischen Staaten verkaufen ihr Öl nach China jetzt auch gegen Yuan, ebenso Iran. Diese Liste ist noch sehr sehr viel länger ... Immer mehr Länder lassen sich nicht mehr von den USA vorschreiben, was sie zu tun haben und das ist gut so. Deutschland kann das leider nicht tun, weil es von den USA besetzt ist und ein Vasallen-Staat ist, der nicht in der Lage ist seine eigenen wirtschaftlichen Interessen zu vertreten.

    08:29 Uhr, 02.05.2022
  • AdrianP.
    AdrianP.

    Mal wieder ein toller Artikel!
    M. E. wird China auch keine Weltmacht mehr, weil die Zeit der Diktaturen vorbei ist. Der russische Überfall auf die Ukraine, Chinas Einmarsch in Hong Kong und der Taiwankonflikt haben es wieder verdeutlicht, dass alle getätigten Investitionen von heut auf morgen verloren sein können, wenn man im "falschen" Land Geschäfte gemacht hat. Ab 2022 werden die westlichen Staaten noch weiter zusammenrücken. Schweden und Finnland könnten Nato-Mitglieder werden. In Polen und anderen osteuropäischen Ländern sind die prorussischen Stimmen, die es vor wenigen Monaten noch gab, komplett verstummt. Und China hat sein Vertrauen verspielt, als man angefangen hat, führende Technologiekonzerne künstlich auszubremsen. Das zwischenzeitliche Verschwinden des Jack Ma ist ein Beispiel dafür.

    Die nächsten Jahrzehnte werden Demokratien das Weltgeschehen dominieren. Alle anderen werden sich - aus Angst vor Machtverlust - gegenseitig sabotieren und ausbremsen. Der Fortschritt einer Gesellschaft ist noch nie von einem Überwachungs- und Beamtenapparat vorangetrieben worden.

    17:58 Uhr, 29.04.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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