Kommentar
16:27 Uhr, 08.04.2015

Die überschätzte Geldpolitik

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 12.082,86 Punkte (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Das neue Wertpapierankaufsprogramm der Europäischen Zentralbank wird überschätzt. Es ist bei Weitem nicht so bedeutsam wie von Befürwortern oder auch Kritikern angenommen.
  • Die Belebung des Kreditgeschäfts, der Rückgang der Preissteigerung und die Kurssteigerungen an Aktien und Rentenmärkten haben im Wesentlichen andere Gründe.
  • Anleger sind gut beraten, sich bei ihren Investitionsentscheidungen nicht zu sehr auf die Geldpolitik zu verlassen.

Könnte es sein, dass wir das neue Wertpapierankaufs­programm der Europäischen Zentralbank, das in den letzten Wochen so viele Schlagzeilen gemacht hat, überschätzen? Verständlich wäre es. Das was die EZB derzeit durchzieht, ist auf den ersten Blick ein "Riesen­ding". Jeden Monat kauft die EZB Wertpapiere in Höhe von EUR 60 Mrd. Insgesamt werden es EUR 1.000 Mrd. sein. So etwas hat es in Europa noch nicht gegeben.

Und es scheint zu wirken. Der Aktienmarkt in Deutsch­land hat seit Ankündigung des Programms Ende Januar um über 1.000 Punkte (= plus 16 %) zugelegt. Die Zin­sen für 10-jährige Bundesanleihen haben sich von 0,54 % auf 0,24 % mehr als halbiert. Aber nicht nur das. Die EZB wird nicht müde zu betonen, dass das Programm sich auch gesamtwirtschaftlich positiv aus­wirkt. Die Inflation ist seit Januar von -0,6 % auf -0,1 % gestiegen. Das Wachstum der Geldmenge M3 (das ist das Geld in den Händen der Unternehmen und pri­vaten Haushalte) hat sich auf 4,2 % im Februar be­schleunigt. Das ist die höchste Rate seit sechs Jahren. Die Kredite der Banken an den Privatsektor nehmen nicht mehr so stark ab. Die Konjunktur im Euroraum
hat sich deutlich beschleunigt.

Bei so vielen Erfolgsmeldungen werde ich skeptisch. Kann es überhaupt sein, dass ein Programm in so kur­zer Zeit so viel verändert? Wenn das richtig wäre, hätte die EZB vielleicht schon im Sommer ihr Ziel erfüllt. Sie könnte dann darüber nachdenken, das Programm zu­rückzufahren. Wird hier nicht doch etwas übertrieben, eine Mücke zum Elefanten aufgeblasen? Es gibt in der Tat Gründe, die Erfolgsmeldungen mit etwas Vorsicht zu betrachten.

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Zuerst ist das Programm gar nicht so riesig, wie es sich auf den ersten Blick ausnimmt. Schauen Sie sich die Grafik an. Sie zeigt, dass die EZB nicht neue Liquidität schafft, sondern nur den Rückgang der Bilanzsumme aufhält beziehungsweise korrigiert. Seit Frühjahr 2012 hatten die Banken Kredite zurückgezahlt, die sie vorher von der EZB im Rahmen des LTRO-Programms (Longer Term Refinancing Operation) erworben hatten. Das war für die Geldpolitik kontraproduktiv und durfte so nicht weitergehen.

Wenn die EZB den Banken durch das Wertpapieran­kaufsprogramm jetzt EUR 1.000 Mrd. zur Verfügung stellen will, so kommt die Bilanzsumme nur wieder auf das Niveau, das es vor den Rückzahlungen der Banken hatte. Das ist international gesehen gar nicht so exorbi­tant groß. Die Grafik zeigt, dass es wesentlich beschei­dener ist als beispielsweise das Lockerungsprogramm, das die amerikanische Fed in den letzten Jahren gefah­ren hatte. Es ist im Übrigen auch relativ kleiner als die jeweiligen Programme der Bank von Japan, der Bank von England und – auf ganz anderer Ebene – der Schweizer Nationalbank.

Was die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen des Pro­gramms angeht, so muss man auch hier Wasser in den Wein gießen. So schnell wie es aussieht kann das Wert­papierankaufsprogramm in der Wirtschaft gar nicht an­kommen. Die EZB hat hier einfach Glück und schmückt sich mit fremden Federn. Der Anstieg der Inflations­rate in den letzten drei Monaten ist vor allem auf die Stabili­sierung des Ölpreises zurückzuführen. Die Verbesse­rung bei der Kreditgewährung und bei der Entwicklung der Geldmenge M3 hat mehr mit der Erholung der Kon­junktur zu tun als mit der Geldpolitik. Die EZB hat in ei­ner ökonometrischen Studie selbst nachgewiesen, dass ein Wertpapierankaufsprogramm von EUR 1.000 Mrd. die Inflationsrate insgesamt nur um 0,3 Prozentpunkte erhöht.

Viele sagen, dass die Wertpapierkäufe vor allem über den Wechselkurs wirken. Das könnte in der Tat relativ schnell gehen. Tatsächlich hat sich der Euro/Dollar-Kurs drastisch verringert. Aber auch das hat mit dem Pro­gramm wenig zu tun. Die Abwertung des Euros begann schon vor einem Jahr, als noch niemand von Wertpa­pierkäufen sprach. Als das Programm im Januar be­schlossen wurde, war der Hauptteil der jetzigen Abwer­tung schon gelaufen.

Auch die Wirkung auf die Kapitalmärkte ist nicht so groß. Der Anstieg der Aktienkurse beruht zuallererst auf der besseren Konjunktur. Die Geschichte zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Aktienkursen und Bilanz­summe der Notenbank relativ gering ist. Als die Liqui­dität bei­spielsweise von Mitte 2012 bis Ende 2014 um EUR 1.000 Mrd. zurückging, ist der DAX nicht etwa ge­fallen. Er ist trotz allem um 40 % gestiegen. Auch in den USA, wo man so viel von den QE-Programmen erwarte­te, ist der Zusammenhang mit den Aktienkursen nicht sehr hoch.

Ähnliches gilt für die Zinsentwicklung. In den Monaten, in denen sich die Bilanzsumme der EZB verringerte, sind die Renditen am Kapitalmarkt nicht gestiegen, son­dern gefallen.

Wo das Programm wirkt, ist bei den "weichen Faktoren". Es stabilisiert die Erwartungen. Das hilft der Psyche und stützt so die Konjunktur. Positiv ist auch, dass es rein quantitativ nicht so groß ist, dass es zwangsläu­fig zu Blasen auf den Kapitalmärkten führt. Lassen Sie also die Kirche im Dorf. So umwerfend ist das alles nicht. Kritiker müssen sich daher nicht zu sehr aufregen. Befürworter sollten sich aber auch nicht zu sehr an die Brust klopfen.

Für den Anleger

Verlassen Sie sich nicht darauf, dass die Kurse wegen des Programms weiter steigen. Entscheidend für die Märkte sind am Ende doch die harten Fakten der Real­wirtschaft: Die Entwicklung der Konjunktur und der Ge­winne der Unternehmen. Darauf müssen Sie achten.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
Weitere Informationen über Assenagon und unsere Publikationen finden Sie auch auf www.assenagon.com.

Assenagon Asset Management S.A., Zweigniederlassung München, Prannerstraße 8, 80333 München, Deutschland

1 Kommentar

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  • bembes
    bembes

    Wenn das so ist wie schie schreiben dann muss man sich erst recht fragen, was soll der ganze Qutsch !!! Man hätte alles sein lassen können !!!

    07:54 Uhr, 09.04. 2015