Kommentar
09:18 Uhr, 06.04.2018

Die Tulpenblase nur eine Legende?

Der Hype um Bitcoin hat zahlreiche Vergleiche mit der ersten Spekulationsblase der Geschichte, der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert, hervorgerufen.

Die Geschichtsprofessorin Anne Goldgar hat das zum Anlass genommen, erneut auf ihre Forschungsergebnisse hinzuweisen, wonach die Tulpenmanie eher eine Tulpenlegende war. Da ich ihrem wunderbar geschriebenen und ins Deutsche übersetzten Artikel nicht vorgreifen möchte, hier ein paar Fakten aus dem Essay: (1)

1.) Ja, es gab immense Preissteigerungen auf Tulpen in den Jahren 1636 und 1637, aber diese waren weit weniger spektakulär, als es uns die Überlieferung glaubhaft machen will. So gäbe es laut Goldgar z.B. in den Archiven keinen Nachweis für einen regen Handel mit Tulpenzwiebeln. Die Historikerin konnte eine längste Käuferkette mit lediglich 5 Teilnehmern identifizieren. Zum Ende der Tulpenmanie sei der Handel sogar von Expertenkomitees überwacht worden.

2.) Überlieferte Preise von bis zu 5.000 Gulden, was dem Gegenwert eines Haus entsprochen hätte, lassen sich nicht bestätigten. Anne Goldgar fand lediglich 37 Händler, die Preise höher als 300 Gulden bezahlt hatten (was immerhin einem durchschnittlichen Jahresgehalt entsprach).

3.) Die meisten „Anleger“ waren reiche Kaufleute, keine armen Zocker, und kauften Tulpen als Luxusgegenstand.

4.) Die wenigsten verloren tatsächlich Geld, da die Kursverluste nur Buchverluste waren.

5.) Es gibt keinen Nachweis einer Rezession durch die Tulpenblase.

Spannend bleibt die Frage, warum uns die Zeitgenossen so sehr glaubhaft machen lassen wollten, dass es eine exzessive Zockerei um die Tulpen gab. Die Historikerin sieht die Gründe vor allem in einem wachsenden Sozialneid, der aus einer sich spaltenden Gesellschaft in den aufstrebenden Niederlanden der Kolonialzeit hervorging.

Ein bisschen erinnert das an die Banker-Schelten und Heuschrecken-Geschichten unserer Tage. FAZ-Redakteur Martin Hock schreibt zu Anne Goldgar Erkenntnissen: „Die Tulpenmanie mutet so betrachtet mehr an wie eine Schauergeschichte, die Privatanlegern erzählt wird, um sie vor dem/den Bö(r)sen zu warnen und sie ähnlich verängstigen soll wie weiland der Struwwelpeter Generationen von Kinder.“ (2)

Viele Grüße
Jakob Penndorf

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(1) Warum die Geschichte der Tulpenmanie größtenteils falsch ist. Anne Goldgar, Makronom.de, 20.02.2018.
(2) Die Tulpenblase, die keine war. Martin Hock, FAZ.net, 21.02.2018.

1 Kommentar

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Ein wunderbarer Beitrag zur allgemeinen Apokalypse (Entschleierung). Und toll geschrieben. Vielen Dank dafür!

    https://makronom.de/tulpenblas...

    00:05 Uhr, 07.04. 2018

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Über den Experten

Jakob Penndorf
Jakob Penndorf

Jakob Penndorf teilt seit 2015 seine Expertise als Finanz- und Tradingexperte auf GodmodeTrader und Guidants, den Finanzportalen der BörseGo AG. Er startete seine Karriere als Börsenhändler und Analyst bei einer Wertpapierhandelsbank, war Berater und Fondsmanager für Asset Manager in Frankfurt am Main und Gründer eines Finanztechnologie-Unternehmens in Berlin. Jakob Penndorf hat zahlreiche Lehrgänge absolviert, u.a. ist er akkreditierter Berater der namhaften Investmentgesellschaft Dimensional Funds Advisors (DFA) aus den USA, deren Vorstand und Verwaltungsrat führende Finanzforscher wie Kenneth French, Roger Ibbotson oder Eugene Fama angehören. Jakob Penndorf veröffentlichte zahlreiche Fachartikel über Börsenstrategien, Anlegerverhalten und technische Handelssysteme. Er trainiert Unternehmer, Börsenhändler und Investoren im Umgang mit Risiken an den Finanzmärkten.

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